Berlin – Wohnsiedlungen
Berlin – (historische) Großwohnsiedlungen
Hier werden bekannte Großwohnsiedlungen beschrieben, die teilweise in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen worden sind (Gropiusstadt, Siemensstadt, Hufeisensiedlung). Auch die „Arbeiterpaläste“ von Hermann Henselmann an der Karl-Marx-Allee werden vorgestellt, das Hansa-Viertel (als Ergebnis der „Interbau“ von 1957), sowie die „Wohnmaschine“ von Le Corbusier (Unité d’habitation, Typ Berlin).
Sozialer Wohnungsbau zwischen den Weltkriegen – die Hufeisen-Siedlung von Bruno Taut als Beispiel, 1930
Zwischen 1925 und 1930 baute die GEHAG (Gemeinnützige Heimstätten, Spar- und Bau Aktiengesellschaft) auf Initiative von Martin Wagner (der ab 1926 Berliner Stadtbaurat war) nach den Plänen von Bruno Taut eine Mustersiedlung des sozialen Wohnungsbaus: im Stadtteil Neukölln entstanden auf dem Gelände des ehemaligen Rittergutes Britz über 1000 Wohneinheiten; die Vorgehensweise sollte auch eine „Studie über das wirtschaftliche Bauen“ sein.
Im Stil der Moderne und des „Neuen Bauens“ wurden Wohnungen in industriellem Maßstab errichtet, wobei Typisierung und Standardisierung eine große Rolle spielten (es gibt nur vier unterschiedliche Grundriss-Typen).
Im Zentrum der Großsiedlung steht ein 350 Meter langer, hufeisenförmig sich um einen kleinen See windender Baukörper, der aus 23 aneinander gereihten Blocks besteht. Die Form dieses Gebäudes gibt der ganzen Anlage ihren Namen: Hufeisensiedlung Britz. Die um den See angeordnete Hufeisenblocks haben zum großen Grünbereich im Inneren hin Loggien und kleine hauseigene Gärten. Vom „Kopf“ des Hufeisens führt eine große Freitreppe zum See. Die Siedlung gehört, wie weitere Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus in Berlin zum UNESCO-Welterbe.
Bild: In der S-Bahn-Haltestelle Parchimer Allee kann man an der Wand eine Luftaufnahme der Großsiedlung bewundern; hier wird die Bezeichnung „Hufeisensiedlung“ klar.
Auf der Website www.exklusiv-immobilien-berlin.de kann man zu der Siedlung das Folgende lesen: „Die für Taut charakteristische Gliederung der Baukörper durch vorgezogene Treppenhäuser und der Einsatz von Farbe als architektonisches Gestaltungsmittel finden hier sehr anschaulich Anwendung. Prinzipien der Gartenstadt vereinen sich hier mit dem großstädtischen Element des langen Häuserblocks: Kleine Einfamilienhäuser scharen sich um angerartige Grünräume und werden zugleich entlang der außenliegenden Hauptstraßen von dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern schützend umfasst. Wie Theaterlogen öffnen sich die Loggien der zweieinhalb Zimmer großen Wohnungen zum Freiraum. Die Integration des Wohngrüns als „Außenwohnraum“ verdeutlicht den sozialen Aspekt und stellt zugleich einen besonderen Wohnwert dar.
Die in der jüngeren Vergangenheit durch die GEHAG weitgehend wiederhergestellte originale Farbigkeit der Fassaden belegt Tauts beispielhafte, das Bauen der Zwanziger Jahre stark prägende, Auffassung von der Farbe als eigenes architektonisches Element.“
Bilder oben: im „Kopf“ des Hufeisens befinden sich Einrichtungen für die Gemeinschaft: ein Ladengeschäft, ein Restaurant, eine Infostation (für Besucher/innen), …
Bilder oben: die Block-Ecken sind ebenso farbig hervorgehoben wie die Treppenhäuser oder das Attika-Geschoss. Das Hufeisen weist an einigen Stellen Durchgänge auf, durch die man in den halböffentlichen Grünbereich im Inneren kommt.
Bilder oben: vom Kopf des Hufeisens führt eine breite Freitreppe in den inneren Grünbereich und zum kleinen See.
Bilder oben: auch der kleine See ist hufeisenförmig; die Wohnungen haben zum Innenbereich hin Loggien.
Bilder oben: die Innenwände der Loggien und die Treppenhäuser sind mit kräftigem Blau hervorgehoben.
Bilder oben: Eingangstüren an der Außenfassade des Hufeisengebäudes.
Auf der Website hufeisensiedlung.info stehen noch folgende Informationen: „Die von dem Architekten Bruno Taut, Stadtbaurat Martin Wagner sowie den Gartenarchitekten Leberecht Migge gestaltete, zwischen 1925 und 1930 erbaute Hufeisensiedlung gilt international als Schlüsselwerk modernen städtischen Siedlungsbaus. Sie steht seit 1986 als Gesamtensemble unter Denkmalschutz. Im Juli 2008 wurde sie (gemeinsam mit der Gartenstadt Falkenberg, der Siedlung Carl-Legien, der Weißen Stadt, der Siedlung am Schillerpark und der Siemensstadt) in die prestigeträchtige UNESCO-Welterbeliste aufgenommen.
Im Vergleich zu anderen Siedlungen zeichnet sich die Hufeisensiedlung durch ihre Größe, eine dennoch gut funktionierende Nachbarschaft und den insgesamt guten Erhaltungsgrad von Häusern, Garten- und Grünanlagen aus.“
Bilder oben: etwas weniger als die Hälfte der über 1000 Wohnungen befindet sich in aneinander gereihten Einfamilienhäusern, der größere Rest verteilt sich auf in der Regel dreistöckige Wohnblocks in Zeilenform. Die (kräftige) Farbgebung spielt für das sehr freundliche Erscheinungsbild der Siedlung eine große Rolle; in Details weisen die standardisierten Wohneinheiten dann doch Eigenheiten auf.
Bilder oben: die Wohnzeilen haben Loggien oder Balkone zu den zugeordneten Wohngärten hin.
Die Berliner Großsiedlung Siemensstadt („Ring-Siedlung“), Charlottenburg/Spandau (1929-31)
Die „Ring-Siedlung“ ist eine (spätere) Erweiterung des zum Zeitpunkt der Planung bereits bestehenden Stadtteils Siemensstadt. Diese „Wohn-Kolonie“ wurde zwischen 1904 und dem Beginn des Ersten Weltkriegs hauptsächlich für die Arbeiter der sich hier ausdehenden Fabrikationsanlagen der Firmen Siemens & Halske AG sowie der Schuckert-Werke angelegt. Zunächst war die Siedlung nach der geografischen Lage als „Kolonie Nonnendamm“ benannt; seit 1914 erhielt sie dann die Bezeichnung Siemensstadt. In den Fabriken arbeiteten kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs etwa 20 Tausend Arbeiter/innen.
Das städtebauliche Konzept der zwischen 1929 und 1934 in der Nachbarschaft errichteten Siedlung mit 1370 Wohnungen wurde von Hans Scharoun unter der Gesamtleitung des Berliner Stadtbaurates Martin Wagner erstellt. Die Gestaltung der Grünräume / die Gartengestaltung (unter möglichst weitgehender Erhaltung bestehender Wiesen und Baumbestände) oblag Leberecht Migge.
Bilder oben: viel Grün zwischen den Wohngebäudezeilen; es gibt auch etliche Sport- und Spielplätze und Kaninchen haben ihre eigenen Wohnsiedlungen in die Grünflächen gegraben.
Die im Stil des „Neuen Bauens“ errichteten Wohnblöcke wurden von der Architektengemeinschaft „Der Ring“ geplant, daher auch der Name „Ring-Siedlung“. Zum „Ring“ gehörten die Architekten Hans Scharoun, Otto Bartning, Hugo Häring und Walter Gropius. Ebenso beteiligt waren Fred Forbát und Paul Rudolf Henning; letztere waren nicht Mitglieder des „Rings“.
Ein von Hans Scharoun geplanter Wohnblock zieht sich in einem Halbkreis entlang der Mäckeritzstraße; aber die Bezeichnung „Ring-Siedlung“ bezieht sich eben auf den Namen der Architektengemeinschaft und nicht auf die geometrische Form der Bauten.
Bilder oben: in der Siedlung gibt es viele Gemeinschaftseinrichtungen und auch grundlegende Angebote für die Nahversorgung.
In den Jahren 2008 bis 2014 wurden die Gebäude der Großsiedlung Siemensstadt durch die gemeinnützige Baugesellschaft Berlin-Heerstraße GmbH vom Architekturbüro Brenne Architekten saniert, energetisch ertüchtigt und in der Ausstattung modernisiert. Dabei wurde – soweit möglich – wieder der denkmalgeschützte Ursprungszustand hergestellt, der durch zurückliegende Baumaßnahmen zum teil verändert worden war. Die Sanierung-/Restaurierungsmaßnahmen sind auf der Website des Büros von Brenne Architekten ausführlich dokumentiert. Die gesamte Siedlung wurde 2008 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen.
Die Gesamtplanung der Großsiedlung Ende der 1920er Jahre sah vor, einfach und klar, ohne überflüssige Ornamentik zu bauen und Wohnungen für den eher nicht so begüterten Teil der Bevölkerung bereitzustellen. Als städtebauliche Struktur waren Zeilenbauten vorgesehen, die im rechten Winkel zur Erschließungsstraße angeordnet und nur über Fuß-/Fahrradwege zu erreichen sind. Die 3-4-stöckigen Gebäudezeilen sollten so wenig tief sein, dass jede Wohnung Fenster an den gegenüberliegende Fassadenseiten hat. Bei Ausrichtung der Zeilen in Nord-Süd-Richtung erhalten die Wohnungen so Morgenlicht aus Osten und Mittagssonne aus Westen. Damit wurde die Großwohnsiedlung dem Motto des Berliner Wohnungsbaus in dieser Zeit gerecht, der „Licht, Luft und Sonne“ für die Wohnungen forderte.
Die individuelle Formensprache der verschiedenen beteiligten Architekten führte zu gut unterscheidbaren Zeilenbauten.
Auf dem Gelände wurden auch viele Gemeinschaftseinrichtungen realisiert, so etwa Sportplätze, ein Hallenbad, eine Siedlungswäscherei, Läden, gastronomische Einrichtungen und ein gemeinsames Fernheizwerk. Später kam auch eine Schule hinzu. In dem von Fred Forbát ursprünglichen Ladengebäude ist seit der Sanierung in 2011 die „Infostation Siemensstadt“ untergebracht.
Bilder oben: Blick durch die Scheiben in die „Infostation Siemensstadt“.
Bauten der einzelnen „Ring“-Architekten
Otto Bartning
Orthogonal zu der Zeilenbebauung von Häring, Henning und Gropius zieht sich entlang der Goebelstraße der mehrere Hundert Meter (genau 338 m) lange und aus 25 Einheiten bestehende „Lindwurm“ von Otto Bartning dahin. Die Südfassade des von den Berlinern als „Langer Jammer“ verspotteten Baus ist durch Balkone gegliedert und gestaltet, wobei die Balkone von zwei Nachbarwohnungen aneinandergrenzen und durch eine Ziegelmauer voneinander getrennt werden. Auf der Nordseite erfahren die aneinandergereihten Häuser durch die verglasten Treppenhäuser eine Gliederung.
Bilder oben: die Gebäudefassade zur Goebelstraße hin: im Bereich der Treppenhäuser zieht sich ein vertikales und zurückgesetztes Fensterband nach oben; die Eingangstüren sind durch eine Ziegelummauerung und eine kleines Vordach hervorgehoben.
Bilder oben: die der Goebelstraße abgewandte Gebäuderückseite weist für alle Wohnungen Balkone auf, von denen man in die grüne Parklandschaft blickt.
Hans Scharoun
Von Hans Scharoun stammt u.a. eine Gebäudezeile am Südende des Jungfernheidewegs. Wegen der an Bullaugen erinnernden Rundfenstern und Kommandobrücken nachempfundenen Dachabstufungen wurde dieser Zeilenbau, der in seiner Formensprache Anleihen beim Schiffsbau machte, von der einheimischen Bevölkerung alsbald als „Panzerkreuzer“ bezeichnet.
Bilder oben: das bald als „Panzerkreuzer“ bezeichnete Gebäude von Hans Scharoun, bei dem er bezüglich der Gestaltung von Fenstern, Balkonen und Dachaufbauten beim Schiffsbau Anleihen gemacht, hat.
Auch der Ostabschluss des „Langen Jammers“ von Otto Bartning wurde von Hans Scharoun (aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg) errichtet; die Ursprungsgebäude von Bartning waren an dieser Stelle durch Bombardements beschädigt bzw. zerstört worden. Hier fallen vor allem die gestaffelt versetzten und farblich gestalteten Fassaden auf sowie (auf der Nordseite) die Laubengänge, durch welche die Wohnungen erschlossen werden.
Bilder oben: der östliche Abschluss der langen Gebäudezeile von Otto Bartning entlang der Goebelstraße wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg von Hans Scharoun anstelle kriegszerstörter Bauten angefügt. Auf der Gebäudeseite zur Goebelstraße hin befinden sich lange und pinkfarbene Laubengänge zur Erschließung der Wohnungen.
Auch der teilkreisförmige Gebäudezug entlang der Mäckeritzstraße sowie ein Wohnhochhaus am Scheppenhorstweg 2 stammen von Hans Scharoun. Das 11-geschossige Hochhaus wurde, ebenso wie einige weniger hohe Begleitbauten am Heilmannring, ebenfalls erst nach dem Zweiten Weltkrieg hier erbaut.
Bilder oben: teilkreisförmig angeordnete Zeilenbebauung entlang der Mäckeritzstraße von Hans Scharoun; letztes Bild: Blick in in Innenhof auf der Gebäuderückseite.
Bilder oben: das 11-stöckige Hochhaus am Schneppenhorstweg 2 entstand nach Plänen von Hans Scharoun Ende der 1950er / Anfang der 1960er Jahre.
Bilder oben: auch die Nachbargebäude zum Hochhaus in der Siedlung stammen von Hans Scharoun.
Hugo Häring
Einen ganz eigenen Charakter haben die Gebäude von Hugo Häring: die Fassaden zeichnen sich durch eine warme Farbgebung in Gelb- und Ockertönen der verwendeten Baumaterialien (Ziegel, Klinker) aus sowie durch die eigentümlichen halb-oval geformten Balkone in den unteren Stockwerken. Die Balkone im obersten Geschoss sind dagegen rechteckig. Unter dem Flachdach befinden sich Trockenräume für die Wäsche. Neun Gebäudezeilen stammen von Häring.
Bilder oben: die Zeilenbauten von Hugo Haering mit den auffälligen Balkonen; die Gebäuderückfront ist dagegen sehr schlicht gehalten (letztes Bild).
Bilder oben: Eingangsbereiche der Zeilenbauten. Die Fenster in den Treppenhäuser befinden sich jeweils in halber Stockwerkshöhe.
Walter Gropius
Die Gebäude am westlichen Ende des Jungfernheidewegs stammen vom Bauhausgründer Walter Gropius. Während man bei den Bauten der anderen „Ring“-Architekten vom „Neuen Bauen „ sprechen kann, zeigen die Zeilenbauten von Gropius durchaus „Bauhaus“-Züge: horizontale Fensterbänder, Flachdächer, vertikale Betonung der Treppenhäuser, weiße Fassaden… Gropius realisierte einen langgestreckten, 4-geschossigen Zeilenbau mit Laden an einem Ende und ein rechtwinklig dazu ausgerichtetes Laubenganghaus. Der Ladenbau wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und in der Folge zunächst vereinfacht wieder aufgebaut. In 1990 stellten die Architekten Hilmer und Sattler dann wieder den Ursprungszustand her.
Die Gebäude sind horizontal durch dunkle Klinkerverblendungen zwischen den Fenstern gegliedert, das Dachgeschoss ist jeweils zurückgestaffelt, wodurch Dachterrassen entstehen, die durch Geländer abgesichert sind.
Bild oben: Gebäudezeile von Walter Gropius am Jungfernheideweg (Ecke Goebelstraße). Das Kopfgebäude ist mit einer Dachterrasse ausgestattet; der Ladenbau am Zeilenende wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in veränderter Form wieder aufgebaut.
Bilder oben: an der Westseite der Gebäude befinden sich Balkone / Loggien, wobei diese von benachbarten Wohnungen immer aneinanderstoßen und durch eine Klinkerwand getrennt sind. Die verglasten Treppenhäuser sind gegenüber der Fassade etwas zurückgesetzt und ragen turmartig etwas über das Gebäudeflachdach hinaus.
Bilder oben: die Ostseite ist ohne Balkone und durch die Fensterbänder mit den verklinkerten Brüstungen horizontal gegliedert.
Fred Forbát
Von Forbát stammt ein aus fünf Häusern bestehender Block im Osten der Siedlung, an welchen sich die jetzige „Infostation Siemensstadt“ anschließt. Die Bauten zeigen zum Teil ausgedehnte Loggien.
Bilder oben: Wohnblock von Fred Forbát.
Bilder oben: die jetzige „Infostation Siemensstadt“ war ursprünglich ein Ladengeschäft.
Paul Rudolf Henning
Von Henning stammen die drei dreigeschossigen Gebäudezeilen, die sich an jene von Hugo Häring im westen anschließen und mit diesen bezüglich der Farbgebung harmonieren (beigefarbene Ziegel, gelblich-brauner Verputz). Seine Balkone sind nicht nierenförmig, sondern rechteckig, aber mit abgerundeten Ecken.
Bilder oben: die Gebäudezeilen von Paul Rudolf Henning.
Der sozialistisch-klassizistische Realismus – Bauten von Hermann Henselmann
Direkt nach Ende des Zweiten Weltkrieges übernahm Hermann Henselmann die Leitung der Hochschule für Bauwesen in Weimar. Im Institut für Bauwesen der „Deutschen Bauakademie“ wurde Henselmann Direktor; zwischen 1953 und 1958 war er „Chefarchitekt“ beim Magistrat von Ostberlin. Das Institut für Bauwesen hatte zuvor Hans Scharoun geleitet; bezüglich der „Typisierung, Standardisierung und Normung“ im „industriellen Wohnungsbau“ kam es aber zwischen Scharoun und Henselmann zum Streit und ersterer schied aus.
Das Bauen in der DDR orientierte sich ab etwa 1950 an den „16 Grundsätzen des Städtebaus“, die bei der Reise einer Regierungsdelegation nach Moskau und andere Großstädte der Sowjetunion unter anderem von Kurt Liebknecht, damals Direktor des Instituts für Städtebau und Hochbau im Ministerium für Aufbau festgelegt wurden.
Der zu verfolgende Baustil sollte sich einerseits am sozialistisch-klassizistischen Baustil sowjetischen Vorbildes orientieren (in seiner übersteigerten Ornamentik auch als stalinistischer „Zuckerbäckerstil“ gekennzeichnet), anderseits an nationalen Bautraditionen im Stil des Neoklassizismus von Karl-Friedrich Schinkel. Nach Stalins Tod kam es dann zu einer Abkehr von diesen Vorbildern und zur Umsetzung eines „sachlich-funktionalen“ Baustils.
„Arbeiter-Paläste“ an der Karl-Marx-Allee
Zwischen 1952 und 1958 wurde in Berlin die Stalinallee gebaut, die später in Karl-Marx-Allee umbenannt wurde. Auf dem fast 2 Kilometer langen Abschnitt zwischen Strausberger Platz und Frankfurter Tor entstanden mehrere teils bis 300 Meter lange Wohnblöcke mit bis zu 9 Stockwerken; bei der Planung nahm die Politik in Form des ZK der SED und das Politbüro starken Einfluss auf die Gestaltung dieses repräsentativen Prachtboulevards mit „Wohnpalästen“ für die Arbeiter. Während Hermann Henselmann für die „Kopfbauten“ am Frankfurter Tor und am Strausberger Platz verantwortlich war, waren weitere Architekten an Planung und Durchführung beteiligt (Richard Paulick, Hanns Hopp, Karl Souradny und Kurt Lucht). Während des Baus der Gebäude an der Ostberliner Repräsentations-Magistrale kam es (wegen der Erhöhung der Arbeitsbelastung der Bauarbeiter) auch zum Aufstand vom 17. Juni 1953.
Die Hochhäuser von Hermann Henselmann am Strausberger Platz entstanden zwischen 1952 und 1954, die Türme am Frankfurter Tor (die von den Kuppeln des deutschen und des französischen Doms am Gendarmenmarkt inspiriert sind), schuf Henselmann zwischen 1957 und 1960 mit Beton-Fertigteilen.
Bilder oben: Die Gebäude im Stil des „sozialistischen Klassizismus“ an der Karl-Marx-Allee vom Strausberger Platz bis zum Frankfurter Tor (Architekt: Hermann Henselmann) wurden saniert und instandgesetzt. Für die Prachtstraße entwarf Architekt Richard Paulick auch eigens eine angemessene Straßenbeleuchtung: die „Paulick-Kandelaber“ gab es mit zwei oder vier Armen. Im Lauf der Jahrzehnte setzte aber Korrosion den Straßenlaternen arg zu; bei der Sanierung der Gebäude entlang der Karl-Marx-Allee mussten die ehemaligen Paulick-Kandelaber durch form-ähnliche Neuschöpfungen ersetzt werden.
Bilder oben: die Türme am Frankfurter Tor.
Bilder oben: die Gebäude am Strausberger Platz und Fassadendetails der Wohnblocks an der Karl-Marx-Allee. Letztes Bild: U-Bahn-Station Schillingstraße; im Hintergrund die Hochhäuser am Strausberger Platz.
Bilder oben: Fassadendetails an Wohnblock an der Karl-Marx-Allee; letztes Bild: das „Haus des Lehrers“ von Hermann Henselmann am Alexanderplatz.
Weitere Bauten Henselmannns sind das „Haus des Lehrers“ (unweit des Alexanderplatzes), erbaut zwischen 1961 und 1964 sowie des Fernsehturms („Turm der Signale“), bei dessen Planung er beteiligt war; in Leipzig baute er zwischen 1968 und 1972 das ikonische Hochhaus für die Universität (heute City-Hochhaus) und in Jena den heute als Jentower bekannten Turm (1969) .
Das „Haus des Lehrers“ ist ein Stahlskelettbau mit „Vorhangfassade“ aus Glas/Aluminium im „Internationalen Stil“ der Nachkriegsmoderne, vergleichbar mit Gebäuden, die Mies van der Rohe zur selben Zeit in Chicago oder New York errichtete. Ein Charakteristikum des Bauwerkes ist ein sich über zwei Etagen erstreckendes und das ganze Gebäude umlaufendes Mosaik („unser Leben“) von Walter Womacka mit Szenen aus dem Leben in der DDR.
Die Bebauung der Karl-Marx-Allee im Bereich zwischen Alexanderplatz und Strausberger Platz erfolgte später (etwa 1961 – 1964) und nicht mehr im selben Stil: die Baukosten der „Arbeiterpaläste“, ausgestattet mit Zentralheizung, Parkettfußböden, Gegensprechanlage und großzügigen Wohnungszuschnitten waren zu hoch, die aufwändige klassizistische Gestaltung der Fassaden mit Reliefs, Skulpurenschmuck, Erkern, Friesen, Säulen und einer Verkleidung mit Meißner Kacheln zu teuer.
In diesem Bereich der Magistrale entstanden schlichtere Wohnblocks als Plattenbauten mit großen Freiräumen und Grünflächen zwischen der Bebauung. Markante Einzelbauten in diesem Bereich sind das Café Moskau, das Kino International und das ehemalige Hotel Berolina, das 1996-1998 durch ein Verwaltungshochhaus für die Stadtverwaltung (Rathaus Mitte) ersetzt wurde, sowie zweigeschossige Verkaufspavillons, von denen die Mokka-Milch-Eisbar wohl der bekannteste ist.
Bilder oben: mit dem „Haus des Lehrers“ fand der Architekt Hermann Henselmann zu Beginn der 1960er Jahre Anschluss an die „Internationale Moderne“: das Gebäude wurde als eine Begegnungsstätte für Pädagogen erbaut, mit einer großen Pädagogischen Bibliothek, Veranstaltungs- und Lesesälen, einem Café und einem Restaurant. Letztes Bild: das Kino „Kosmos“ befindet sich in der Nähe des Frankfurter Tors; das Groß- und Premierenkino wurde von Josef Kaiser und Heinz Aust erbaut und 1962 eröffnet.
Das West-Berliner Hansa-Viertel
Etwa zur selben Zeit wie die Ost-Berliner Stalin-Allee (Karl-Marx-Allee) entstand im Westen das Hansa-Viertel, welches im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Interbau 1957 geplant und realisiert wurde; die IBA hatte sich das Motto „Die Stadt von Morgen“ gegeben; mit Bauten beteiligt waren namhafte Architekten wie Alvar Aalto, Walter Gropius oder Oscar Niemeyer. Die „Wohneinheit“ von Le Corbusier im Stadtteil Charlottenburg wurde ebenfalls zur Interbau geschaffen.
Dieter-J. Mehlhorn schreibt in seinem Buch „Stadtbaugeschichte Deutschlands“ (Dietrich Reimer Verlag, Berlin, 2012) zum Hansa-Viertel: „Ganz anders (als die Stalin-Allee; Erg. des Website-Autors) war dagegen die Gestaltung des Hansaviertels, ab 1953 geplant und 1956 bis 1959 realisiert (…). Im Gegensatz zur Stalinallee wird hier von Anfang an das Prinzip der Auflockerung verfolgt. Durch eine umfassende Bodenordnung waren die Voraussetzungen für die Bebauung mit mit unterschiedlich hohen Gebäuden in freier Anordnung nach dem Prinzip der Stadtlandschaft geschaffen worden. (…) An seine Stelle (des Gebietes um den Hansaplatz; Erg. durch den Websiteautor) trat eine parkähnlich angelegte Siedlung mit unterschiedlich hohen Gebäuden als Punkthäuser, Scheiben und Flachbauten, ergänzt um ein Einkaufszentrum, zwei Kirchen und die Akademie der Künste.“
Zum Bild: im Hansa-Viertel entstanden im Rahmen der Interbau 1957 zwei Kirchen; hier die Pfarrkirche St. Ansgar, die von Willy Kreuer geplant und gebaut wurde. Der Glockenturm steht separat vom Kirchenschiff; zum Gebäudekomplex gehört auch eine Sakristei und ein Gemeindesaal.
Bilder oben: die von Willy Kreuer errichtete Kirche St. Ansgar; Baudetails.
Bild oben: Wohnhaus im Berliner Hansa-Viertel.
Bilder oben: Punkthochhäuser im Hansa-Viertel entlang der Bartning-Allee.
Bilder oben: die Punkthochhäuser entlang der Bartning-Allee; die Akademie der Künste wurde erst 1960 von Werner Düttmann errichtet, nicht mehr im Rahmen der Interbau 1957.
Bilder oben: mit seiner konkaven Fassade und den farblichen Akzenten war das Wohngebäude von Walter Gropius ein Publikums-Liebling während der Internationalen Bauausstellung Interbau 1957 in Berlin.
Bilder oben: Wohngebäude von Egon Eiermann im Berliner Hansa-Viertel.
Bilder oben: auch Oscar Niemeyer beteiligte sich mit einem Zeilenhochhaus an der Berliner Internationalen Bauausstellung 1957; wie die „Wohnmaschinen“ (Unité d’Habitations) von Le Corbusier ruht auch der Wohnkomplex auf Stelzen und ist so vom Boden abgehoben. Separat vom Wohnblock steht ein Aufzugsturm mit dreieckigem Grundriss, der aber nur zwei Etagen des siebenstöckigen Hauses bedient. Die nach Westen weisenden Wohnräume haben alle einen sich über die ganze Wohnungsbreite erstreckende Loggien.
Die „Wohneinheit“ von Le Corbusier, 1956-58
Das Gebäude sollte ebenfalls zur Bauausstellung Interbau von 1957 fertiggestellt werden. Vollendet wurde der Bau aber erst 1958. Wegen der monumentalen Größe des Projektes kam die Anlage auch nicht im Hansa-Viertel unter, sondern wurde in Charlottenburg-Wilmersdorf in der Nähe des Olympiastadions errichtet.
Zitat aus Reclams Städteführer „Architektur und Kunst Berlin“:
„Unité d’habitation, Typ Berlin“ lautet die sachliche Bezeichnung des vergleichsweise riesigen Wohnspeichers. Le Corbusier (d. i. Charles-Édouard Jeanneret, 1887-1965), einer der einflussreichsten Architekten des 20 Jahrhunderts, entwarf für die Interbau 1957 seine „Unité d’habitation“, (…). In 17 Etagen und insgesamt 575 Wohnungen finden etwa 1600 Bewohner Platz. (…)
Die Unité d’Habitation in Marseille wurde früher gebaut; sie entstand zwischen 1947 und 1952 in der Phase des Wiederaufbaus der Stadt nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. Mit diesem Wohngebäude der Moderne verfolgte le Corbusier auch soziale Ziele: durch das Vorhandensein aller nötigen Infrastruktur einer Stadt in einem einzigen Gebäude sollte das Gemeinschaftsleben gestärkt werden; in der „Wohnmaschine“ in Marseille wurden in zwei Etagen Läden für den täglichen Bedarf eingerichtet, im Haus gab es eine Wäscherei, eine Grundschule, einen Kindergarten und auf dem Flachdach standen zur gemeinschaftlichen Nutzung eine Sporthalle, Spielmöglichkeiten für die Kinder und ein Swimmingpool zur Verfügung. Die mit dem Bau verbundenen Absichten Le Corbusiers blieben in Marseille keine Utopie, sondern sind weitgehend in Erfüllung gegangen; manche Bewohner sind vom Ersteinzug bis heute in dem Haus geblieben.
Im Berliner Tagesspiegel kann man auf dessen Website zur Unité Folgendes lesen:
„Ein Haus, das seinen Mietern nicht nur Wohnungen, sondern auch die Dinge des täglichen Bedarfs bieten wollte – das war 1958 noch eine Sensation. „Wir hatten hier alles, es war eine Stadt für sich“, sagt Renate Schulz, die bis heute im Corbusier-Haus an der Charlottenburger Flatow-Allee nahe dem Olympiastadion lebt. Die 75-Jährige gehörte zu den ersten Bewohnern des zur „Interbau“ entstandenen Hauses des berühmten französischen Architekten Le Corbusier. Es bot eine Ladenzeile mit Post, Bäckerei, Drogerie, Fleischer, Nähstube und weiteren Geschäften. Neben jeder Wohnungstür gab es sogar eine Brötchenklappe, in die der Bäcker frische Brötchen legen sollte „Aber das passierte nur einmal zur Eröffnung“, erinnert sich die 75-Jährige.“
Da in Berlin die in Marseille und Nantes angewandten grundlegenden Vorstellungen Le Corbusiers nicht vollständig umgesetzt wurden (Läden im Erdgeschoss zwischen den Stützen, statt im 7./8. Stockwerk; kein Ausbau des Daches, andere Stockwerkshöhe,…), hat er sich nach Fertigstellung eher von seinem Werk distanziert.
Bilder oben: Le Corbusier’s „Wohneinheit“ für Berlin; Gesamtansicht und Baudetails (Eingangsbereich, Pilotis und der Modulor).
Wohnsiedlung Gropiusstadt (1962-1975)
Der Neuköllner Ortsteil Gropiusstadt hat heute etwa 40 Tausend Einwohner.
Um der akuten Wohnungsnot in West-Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg zu begegnen, wurden in den 1950er Jahren Trabantensiedlungen außerhalb des Zentrums geplant. Im Bereich Britz, Buckow und Rudow sollte die Großwohnsiedlung BBR (nach den Initialen der Stadtteile) südlich von Neukölln entstehen. Nordwestlich der Gropiusstadt befindet sich die von Bruno Taut und Martin Wagner zwischen 1954 und 1960 errichtete Hufeisensiedlung
1959/60 beauftragte der Senat von West-Berlin den zu dieser Zeit bereits in den USA tätigen Architekten Walter Gropius mit seinem Architekturbüro TAC (The Architects Collaborative) mit der Planung einer „aufgelockerten Stadt“.
Dann kam 1961 allerdings der Bau der Berliner Mauer dazwischen; da nun Baugelände sehr knapp war, rückte man von einer Planung mit relativ niedrigen Bauten ab. Die Verdichtung war bei der Umsetzung der Pläne in den Jahren 1962 bis 1975 ungleich höher als ursprünglich vorgesehen. Unter anderem entstand das von Gropius, dem Büro TAC und dem Architekten Alexander Civjanovic geplante Hochhaus Ideal (1966-69), das mit 31 Stockwerken (und einer Höhe von 89 Metern) zum höchsten Wohnhaus von ganz Berlin avancierte. Die städtebauliche Gesamtplanung entsprach nun in keinster Weise mehr den ursprünglichen Plänen von Gropius, der sich daher in der Folgezeit auch stark von dem Projekt abwendete.
Walter Gropius starb 1969; damit konnte er die Fertigstellung der Siedlung nicht mehr erleben. Im Nachhinein erhielt sie aber (1972) offiziell die Bezeichnung Gropiusstadt. Von Gropius bzw. seinem Architekturbüro TAC stammt außer dem Ideal-Hochhaus das Gropiushaus, ein halbkreisförmiges, 18-geschossiges Hochhaus sowie die Walter-Gropius-Schule, eine aus mehreren Pavillons bestehende Anlage und die erste Gesamtschule Deutschlands.
Die Großsiedlung hat im Laufe der Zeit Höhen und Tiefen durchlebt; Mitte der 1980er Jahre hatte die Gropiusstadt keinen guten Ruf und es gab erste Leerstände. Durch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden und Umgestaltungen an den Freiflächen konnte die Situation verbessert werden. Nach Aufhebung der Belegungsbindung in den 2000er Jahren kam es zu einer stärkeren sozialen Durchmischung und mit der Siedlung ging es wieder aufwärts. In neuerer Zeit baut die Wohnungsbaugesellschaft degewo (ursprünglich: Deutsche Gesellschaft zur Förderung des Wohnungsbaus) neue Wohnhochhäuser.
Bilder oben: Zeilenbauten in der Gropiusstadt; starke farbliche Akzente an den Balkonbrüstungen sorgen für ein freundliches Erscheinungsbild.
Bilder oben: beim Bau der einzelnen Gebäude sind unterschiedliche Baugesellschaften / Träger tätig geworden.
Bilder oben: entlang der Lipschitzallee sind unterschiedliche Bauhöhen realisiert worden, bis hin zu eingeschossigen Bungalows.
Die Gropiusstadt ist über eine U-Bahn-Linie und Buslinien gut an den Öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen. In zentraler Lage gibt es ein so genanntes Gemeinschaftshaus für Kultur-Veranstaltungen. Das ursprüngliche Ladenzentrum wurde zu den heutigen Gropius-Passagen weiterentwickelt; sie gehören zu den ganz großen Einkaufszentren von Berlin.
Bilder oben: Gemeinschaftseinrichtungen in der Gropiusstadt: die Energiezentrale, ein gesundheitszentrum und die Kirche St. Dominicus.
Das Gemeinschaftshaus
Bilder oben: direkt an der U-Bahn-Haltestelle Lipschitzallee befindet sich das zentrale Gemeinschaftshaus der Gropiusstadt, in dem alle möglichen (kulturellen) Veranstaltungen stattfinden können. Das Haus wird sehr intensiv genutzt und fördert das Gemeinschaftsgefühl in der Siedlung.
Das Wohnhochhaus Ideal
Zum Leben im Ideal Hochhaus kann man auf www.bauwelt.de vom Autorenteam Brigitte Schultz, Sandra Bartoli, Mathias Heyden und Jörg Stollmann („Vorbild Gropiusstadt? – Drei Analysen“) u.a. das Folgende lesen:
„Die AnG untersuchte die fünf höchsten Wohnhäuser der Gropiusstadt. Zahlreiche Besuche im Ideal-Hochhaus – mit 91 Meter bis heute das höchste Wohnhaus Berlins und eines der höchsten Deutschlands – ergaben Unerwartetes. Entgegen dem Klischee lebt man hier nicht anonym. Die Bewohner der 228 Ein- bis Vierzimmer-Wohnungen kennen sich persönlich. Im Eingangsfoyer ergaben sich viele Gespräche, im Anschluss wurde unser Team stolz durch Wohnungen und die Einrichtungen für alle Mieter geführt: zwei Gästewohnungen, eine Sauna, ein Gemeinschaftsraum im 30. Stock, dazu Ladenlokale und ein Waschhaus. Berichte über Aktivitäten wie eine Tauschbörse zeugen von einer funktionierenden Nachbarschaft, die durch die genossenschaftliche Miteingentümerschaft und entsprechende lebenslange Wohn- und Mitbestimmungsrechte noch gestützt wird.“
Bilder oben: das Hochhaus Ideal ist ein komplexer Baukörper mit etwa U-förmigem Grundriss.
Bilder oben: die Wohnungen haben Balkone oder Loggien und im Süden kragt ein zweistöckiger Bau über die Fassade hinaus.
Bilder oben: die U-Form des Gebäudes bildet quasi einen Innenhof im Norden; farblich akzentuierte Balkonbrüstungen lockern die Gleichförmigkeit auf.
Bilder oben: im Erdgeschoss gibt es einige Ladengeschäfte; die Zugänge zum Gebäude sind mit überdachten Gehwegen verbunden.
Das Gropiushaus
Zum Gropiushaus schreibt Olaf Pfeifer in seiner Diplomarbeit „Die Gropiusstadt; Neuinterpretation von Großsiedlungen der 60er Jahre am Beispiel der Gropiusstadt in Berlin“ von 1998 das Folgende:
„Dieser Rundbau wird schließlich 1972, drei Jahre nach Gropius‘ Tod, als einer der letzten Bauten unter dem Namen ‚Gropiushaus‘ auf etwa 1/8 der ursprünglich vorgesehenen Fläche von TAC und der Gehag-Planungsabteilung in Großtafelbauweise errichtet. Sein Radius hat sich halbiert, die Grundrißfigur ist nur noch ein Halbkreis mit segmentweiser Mittelgangerschließung, dafür liegt seine Höhe inzwischen bei 18 Geschossen (ursprünglich: 8, später 14 Geschosse). Nur einer von fünf publizierten Wohnungsgrundrissen (…) ist beidseitig orientiert. Seine Errichtung am Kopf des Vogelwäldchens bedurfte der Gründung einer eigenen Baugesellschaft, der ‘Gropiushaus – Dr. Peters KG’.“
Bilder oben: das Gropiushaus sollte ursprünglich einen vollen Kreis bilden; schließlich beließ man es bei einem Halbkreis; so erinnert das Gebäude an die Hufeisensiedlung von Bruno Taut.
Bilder oben: im nach Süden hin ausgerichteten Innenhof des halbkreisförmigen Wohnblocks ist im Laufe der Jahrzehnte ein kleines Wäldchen herangewachsen. Die Wohnungen haben zum Innenhof hin Balkone, die in unterschiedlicher Weise gruppiert sind.
Bilder oben: die Außenfassade des halbkreisförmigen Baus nach Norden hin wirkt ein bisschen festungsartig. Die ursprüngliche Milchbar vor dem Haus steht auf der Tiefgarage und beherbergt heute einen Jugendclub.
Bilder oben: das Gebäude wurde 1972, drei Jahre nach Gropius‘ Tod nach ihm benannt. Letztes Bild: Durchgang durch den Gebäudering vom Innenhof aus.
Zum Gropiushaus schreibt Olaf Pfeifer in seiner Diplomarbeit „Die Gropiusstadt; Neuinterpretation von Großsiedlungen der 60er Jahre am Beispiel der Gropiusstadt in Berlin“ von 1998 das Folgende:
„Dieser Rundbau wird schließlich 1972, drei Jahre nach Gropius‘ Tod, als einer der letzten Bauten unter dem Namen ‚Gropiushaus‘ auf etwa 1/8 der ursprünglich vorgesehenen Fläche von TAC und der Gehag-Planungsabteilung in Großtafelbauweise errichtet. Sein Radius hat sich halbiert, die Grundrißfigur ist nur noch ein Halbkreis mit segmentweiser Mittelgangerschließung, dafür liegt seine Höhe inzwischen bei 18 Geschossen (ursprünglich: 8, später 14 Geschosse). Nur einer von fünf publizierten Wohnungsgrundrissen (…) ist beidseitig orientiert. Seine Errichtung am Kopf des Vogelwäldchens bedurfte der Gründung einer eigenen Baugesellschaft, der ‘Gropiushaus – Dr. Peters KG’.“
Die Walter-Gropius-Schule (WGS), 1968
Im Stadtteil Gropiusstadt entstand die erste Gesamtschule Deutschlands. Die Gebäude – drei zweistöckige Pavillons für die Grundschule und je ein dreistöckiger Pavillon für die Mittel- und die Oberstufe – sind mit einem Hauptgebäude, in dem sich die Schulverwaltung, Lehrerzimmer und Fachräume befinden, über verglaste Gänge verbunden.
Die architektonische Konzeption stammt von Walter Gropius. Ursprünglich hieß die Schule Gesamtschule-Britz-Buckow-Rudow (wie der Stadtteil, in dem sie liegt); 1968 konnte der Schulbetrieb in den neuen Gebäuden aufgenommen werden. Der Stadtteil wurde 1972 von Großwohnsiedlung Britz-Buckow-Rudow in Gropiusstadt umbenannt, die Gesamtschule in Walter-Gropius-Schule. Auf dem Schulgelände gibt es nicht nur Bäume und viel Grün, sondern auch Spielplätze, einen Sportplatz, eine Sporthalle und eine Bibliothek.
Auf der Website der Walter-Gropius-Schule kann man zu den Gebäuden das Folgende lesen: „Wer die Walter-Gropius-Schule betritt, wird den pädagogischen Geist von Walter Gropius schnell erkennen: großzügig gestaltete, lichtdurchflutete Klassenräume, welche alle Zugang zu einem mit Sitz- und Arbeitsmöglichkeiten versehenen zentralen Raum der jeweiligen Jahrgangsstufe haben. Hier leben und lernen die Kinder mit ihren Pädagoginnen und Pädagogen zusammen.“
Bilder oben: das Hauptgebäude, Sportplatz und Sporthalle.
Bilder oben: die Klassenzimmer-Pavillons befinden sich auf einem parkähnlichen Gelände.
Die evangelische Dreieinigkeitskirche in der Gropiusstadt
Am nördlichen Ende der Lipschitzallee / Einmündung Rudower Straße im Ortsteil Gropiusstadt im Berliner Bezirk Neukölln ragen die drei Spitzen der Dreifaltigkeitskirche auf, mit denen dann auch die religiöse Symbolik geklärt ist.
Das von der Form her ungewöhnliche sakrale Bauwerk entstand in den Jahren 1969 bis 1971 nach Plänen von Architekt Reinhold Barwich, der sich bei einem Wettbewerb durchgesetzt hatte. Die Kirche ist räumlich verbunden mit einer Kindertagessstätte und diakonischen Einrichtungen, welche zusammen das „Evangelische Dreieinigkeitszentrum“ bilden.
Barwich favorisierte von Beginn an einen Zentralbau für die neue Kirche. Herausgekommen ist eine ungewöhnliche und auffällige (Dach-)Konstruktion: von drei Spitzen an drei Ecken des sechseckigen Grundrisses ausgehend ist eine Seilnetzanordnung abgehängt. Für deren Gestaltung und Berechnung hatte sich der Architekt auch beim Spezialisten und Pionier für derartige Formen, Frei Otto, Hilfe und Tipps eingeholt. Die Dacheindeckung sollte zunächst in Kupfer geschehen, wurde aber (auch aus Kostengründen) schließlich in Bitumen-Schindeln ausgeführt.
Dort wo die drei Dachspitzen aufragen, befinden sich im Inneren einerseits Kanzel und Orgel, andererseits weitere Sitzplätze auf Emporen. Der tiefste Punkt des Hängedaches befindet sich exakt in Grundrissmitte; hier sorgt ein Oberlicht für weiteren Tageslichteinfall in den Innenraum. Das Gebäude steht seit 2008 unter Denkmalschutz.
Zum Bild: die ungewöhnliche Hängedach-Konstruktion des Kirchengebäudes.
Bilder oben: das „Evangelische Dreieinigkeitszentrum“ besteht aus der Dreieinigkeitskirche, einer Kindertagessstätte und diakonischen Einrichtungen.
Bilder oben: die Dreieinigkeitskirche in der Gropiusstadt im Berliner Bezirk Neukölln.
Auf der Website web.archive.org schreibt Architekt Reinhold Barwich zur Konstruktion und zum Bauablauf das Folgende:
„Die Bauarbeiten konnten endlich im April 1969 beginnen. Konstruktiv bildet der Kirchbau ein geschlossenes System, in dem jedes Glied alle anderen bedingt. Die drei schrägen Druckstäbe stemmen sich gegen die äußeren Schildwände, auf welche die großen Zugkräfte des Seilnetzes ansetzen. Die waagerechten Balken, die auf den Druckstäben liegen, tragen die Galerien und stabilisieren die Schildwände. Die mit den Rohbauarbeiten beauftragte Firma Ing. Bau delegierte ihren besten Polier auf die Baustelle. Herr Wolffert war eigentlich schon im Rentenalter, dies sollte sein letzter größerer Bau sein. Später gestand er mir, daß sie sich nicht vorstellen konnten, worauf das hinauslaufe, als sie die drei spitz zulaufenden Basispunkte betonierten. Aber je weiter das Gefüge wuchs, umso begeisterter arbeitete er sich ein, ja er hätte am liebsten auf der Baustelle übernachtet. Ich kann mich nur mit Rührung und Dankbarkeit daran erinnern.
Das Seilnetz war statisch noch eine gewagte Konstruktion. Auch der rechnerische Ansatz war mit konventionellen Mitteln schwer zu finden. Wir holten uns Rat von Frei Otto, der ähnliche Konstruktionen u.a. auf der Weltausstellung in Montreal gebaut hatte. Er machte uns Mut und gab uns auch die richtigen Tips für die Dimensionierung der Maschenweite des Netzes. Das konstruktiv schwierigste waren die Schnittpunkte und die Gelenkglieder auf den Ansatzrohren, welche am Giebelrand der Schildwände entlanglaufen. Es gab kritische Situationen, ich hatte schlaflose Nächte.
Auch die ausführende Firma Steffens und Nölle hat an diesem Netz kräftig Lehrgeld gezahlt, das rentierte sich aber für sie gleich darauf beim Bau des Olympiadaches in München. Fast genauso problematisch war die Frage der Dachhaut. Ein Kupferdach, was ich im Sinn hatte, wurde aus Kostengründen abgelehnt. Nach vielem Abwägen kam ich auf die grünen Awa-Dachschindeln. Sie waren in Europa noch ganz unüblich, wurden in den USA jedoch schon lange und erfolgreich verwendet. Aber die Dachdecker hatten damit zu arbeiten nicht gelernt und scheuten das Risiko. Ich hatte auch hierbei Glück, denn der Meister der Firma heiratete und machte eine Hochzeitsreise nach Amerika. Als er zurückkehrte, brannte er darauf, mit diesem Material zu arbeiten.
Nicht zu überschätzenden Anteil am Gelingen des Baues haben Herr Architekt Hardy Treger, der die Bauleitung übernommen hatte und Herr Dipl.-Ing. Schmitz, welcher die statische Berechnung erstellte. Doch ohne die Bereitschaft der Gemeinde, als Bauherrschaft den riskanten Weg mitzugehen, wäre diese Kirche bestimmt nicht gebaut worden.“
Sanierung, Neubau, Blockrandergänzungen
Bilder oben: renovierte /sanierte Wohnhäuser und Gebäude-Umnutzung in Friedrichshain.
Bilder oben: postmoderne Blockrandbebauung an der Schützenstraße vom italienischen Architekten Aldo Rossi. Das „Quartier Schützenstraße“ wurde zwischen 1994 und 1998 erbaut. Dabei wurden auch Fassaden von Bestandsbauten integriert.
Bilder oben: das „Quartier Schützenstraße“ verströmt eine fröhliche Farbigkeit; die Fassade eines der Gebäude ist eine (verkürzte) Kopie von Michelangelos Palazzo Farnese in Rom.
Sanierung in äußeren Stadtbezirken
Die Existenz des Dorfes Marzahn ist seit Beginn des 14. Jahrhunderts dokumentiert; 1979 erhielt die neue Großwohnsiedlung den Namen des Dorfes Marzahn. Der Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf ist seit den 1990er Jahren Gegenstand eines „Stadtumbaus“.
Die Siedlung Marzahn-Hellersdorf wurde zwischen 1977 und 1989 in industriellem Wohnungsbau für 200 Tausend Bewohner/innen errichtet. Die Wohnhochhäuser umschließen das denkmalgeschützte Dorf Alt-Marzahn. Seit der deutschen Wiedervereinigung wurde der Bezirk in das Städtebauförderungsprogramm des Bundes „Wachstum und nachhaltige Entwicklung“ aufgenommen. Auf der Website des Projektpartners Weeber+Partner – Institut für Stadtplanung und Sozialforschung kann man dazu Folgendes lesen: „Seit Anfang 2020 beraten und unterstützen wir das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf und die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen bei der Umsetzung des Programms Stadtumbau bzw. – nach neuer Städtebauförderungsstruktur – ‚Wachstum und nachhaltige Erneuerung‘.
Mit einer Fläche von fast 1.900 ha, mehr als 100.000 industriell gefertigten Wohnungen und fast 200.000 Einwohnern sind die beiden Großsiedlungen in Marzahn-Hellersdorf wohl das größte zusammenhängende Stadtumbaugebiet bundesweit. Seit Beginn des Programms Stadtumbau Ost 2002 wird es gefördert und mehr als 150 Mio. Euro Fördermittel sind seither geflossen, um die Siedlungen zu nachgefragten und zukunftsfähigen Stadtteilen in Berlin zu entwickeln. Daneben kamen weitere Mittel aus anderen Förderprogrammen zum Einsatz.
Dabei ging es in der bisherigen Förderung angesichts vielfältiger städtebaulicher, wirtschaftlicher, aber auch demografischer und sozialer Herausforderungen, um integrierte Strategien und das gemeinsame Handeln zahlreicher Akteure. Außerdem haben sich die Schwerpunkte für den Stadtumbauprozess im Verlaufe der zurückliegenden fast zwei Jahrzehnte immer wieder verändert und verschoben: vom Leerstand über sich verschärfende soziale Problemlagen bis hin zu Auswirkungen der wieder wachsenden Stadt mit Wohnungsengpässen, nicht ausreichenden Kapazitäten in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen, weiter zunehmenden Verdrängungsprozessen an die Peripherien der Stadt.“ (…)
Bilder oben: Die Wohnblöcke im Stadtteil Marzahn und die Gebäude im Dorfkern von Alt-Marzahn haben sich ebenfalls herausgeputzt…