Tallinn

Bilder oben: die mittelalterliche Altstadt von Tallinn mit der Olai-Kirche und das Barockschloss Kadriorg (Katharinental).

Die estnische Hauptstadt Tallinn

Estland ist der nordöstlichste der drei baltischen Staaten (Litauen, Lettland, Estland). Tallinn ist die Hauptstadt der Republik Estland und hat etwa 430 Tausend Einwohner; etwas mehr als die Hälfte der Einwohner der Stadt hat Estnisch als Muttersprache, etwa 45 % Russisch. Amtssprache ist Estnisch; die Bewohner sind aber in der Regel mehrsprachig (Estnisch, Russisch, Englisch, Finnisch,…). Estnisch gehört zu den finn-ugrischen Sprachen.

Die Esten gelten als technologie-affin; insbesondere im Bereich der Digitalisierung sind sie weltweit in der Spitzengruppe; weite Teile der öffentlichen Verwaltung (eGovernment) sind digitalisiert, selbst Wahlen wurden schon online durchgeführt und fast alle Bankgeschäfte werden so abgewickelt. In Tallinn gibt es ein kostenloses öffentliches WLAN; die Videokonferenz-Software Skype wurde in Estland programmiert.

Tallinn als Hauptstadt der Republik ist auch Sitz der staatlichen Gewalten: hier residieren Präsident, Regierung und Parlament. (Nur die Judikative mit dem estnischen Staatsgerichtshof hat ihren höchsten Sitz in der zweitgrößten estnischen Stadt Tartu). Von den ca. 1,3 Millionen Einwohnern Estlands lebt mehr als ein Viertel in der Hauptstadt Tallinn.

Tallinns über 700-jährige Geschichte ist geprägt von verschiedenen Herrschaften: es herrschten Dänen, Deutsche, Schweden und Russen; besonders im 20. Jahrhundert wechselte die Herrschaft in rascher Folge.

Die Ursprünge der Stadt gehen auf eine estnische Verteidigungsanlage auf dem heutigen Domberg im 11. Jahrhundert zurück; dass der Standort gut gewählt ist, kann man auch heute noch nachvollziehen, wenn man etwa von der Patkuli-Plattform über die historischen Altstadt hinweg auf die Tallinner Buch und damit weit hinaus auf die Ostsee blicken kann.

Ab Mitte des 13. Jahrhunderts war Tallinn Mitglied der Hanse; dies war eine Organisation von Fernhandels-Kaufleuten und einer stets wachsenden Zahl von Mitgliedsstädten; ausgehend v.a. von Lübeck bauten die Kaufleute Handelsniederlassungen im Nord- und auch im Ostseeraum auf. Stützpunkte im Bereich der Ostsee waren eben Tallinn sowie Narva und darüber erreichbar die russische Stadt Nowgorod. Die Handelsstützpunkte wurden von den Kaufleuten gemeinsam angefahren und unterhalten und ermöglichten so einen sowohl sicheren als auch bequemen Warenaustausch. So fuhren deutsche Kaufleute über Tallinn ins russische Nowgorod, wodurch die estnische Stadt Mitte des 14. Jahrhunderts zu einem der wichtigsten Handelsstandorte an der Ostsee aufstieg. Ausgetauscht wurden Waren aller Art, etwa Getreide, Textilien, Heringe, Wein, orientalische Gewürze, russische Pelze, Wachs und auch Salz. Viele Kontorhäuser aus der Hansezeit zeugen noch heute in der Altstadt Tallins von dieser Periode.

Die mittelalterliche Stadtbefestigung (Stadtmauer und Wehrtürme) wurde ab 1265 erbaut; der heutige Zustand geht auf den Ausbauzustand des 14. Jahrhunderts zurück. Auf ihrem Höhepunkt war die Stadtmauer zweieinhalb Kilometer lag, bis zu 16 Metern hoch und 3 Meter dick; drei Viertel der Stadtmauer und etliche der ursprünglich 46 Türme sind heute noch erhalten.

Von 1561 bis 1710 kam die Stadt unter schwedische, danach unter russische Herrschaft; Alexander III. führte ab 1881 Russisch als Amtssprache ein.

Bilder oben: Straßenszenen aus Tallinn: Spiegelung des Gebäudes der Nationaloper in der Glasfassade eines Einkaufszentrums und Wohnturm an der Tatari Straße.

1918 wurde die unabhängige Republik Estland ausgerufen mit Tallinn als deren Hauptstadt; 1940 kam das Land unter russische Herrschaft, 1941 unter deutsche; russische Bombardements 1944 zerstörten Teile der Stadt; danach stand sie unter sowjetischer Herrschaft und Estland wurde Teil der UdSSR.

Die „Singende Revolution“ von 1988 und die Bildung der baltischen Menschenkette von Tallinn bis Vilnius 1989 waren Schritte hin zur estnischen Unabhängigkeit von 1991; Musik und Gesang gehören in Estland zur Volkstradition. Das Sänger-Festival, das alle fünf Jahre abgehalten wird, gehört mittlerweile auch zum Kulturerbe der UNESCO. Die Sänger-Bühne im Nordosten der Stadt, direkt am Ostseeufer, bietet bis zu 30 000 Sängern auf der Bühne und 100 000 Zuhörern/innen auf dem Rasen Platz. 1988 versammelte sich dort ein Viertel der estnischen Bevölkerung; es wurden patriotische Lieder gesungen und Politiker erhoben in ihren Reden den Ruf nach Unabhängigkeit.

Bereits 2004 wurde die Republik Estland Mitglied der Europäischen Union. Die Altstadt Tallinns wurde 1997 in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen (Begründung: „… außergewöhnlich vollständiges und gut erhaltenes Beispiel einer mittelalterlichen nordeuropäischen Handelsstadt…“) und mit der Ausrufung zur „Europäischen Kulturhauptstadt“ 2011 rückte die estnische Hauptstadt auch tiefer ins Bewusstsein der übrigen Europäer.

Das architektonische und kulturelle Erbe in Tallinn wurde überwiegend gut restauriert und gepflegt. Seit Erlangen der Unabhängigkeit und nach Beitritt in die EU nahm die Bautätigkeit in der estnischen Hauptstadt zu; Shopping-Malls entstanden, Hochhausbauten für Hotels (Radisson Blu) oder Unternehmen (z. B. Oracle) wurden errichtet und frühere Industrieareale umgewidmet (Rotermann-Quartier).

Konversion und Zubau im früheren Fabrikviertel: Gebäude Roseni 7 im Rotermann-Quartier.

Städtepartnerschaft Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) und Tallinn (Estland)

Schon seit den 1970er Jahren bestanden gute Kontakte zwischen den beiden Städten; in 1993 wurde ein förmliches Städtepartnerschaftsabkommen unterzeichnet. Auf der Website der Stadt Schwerin kann man zu ihrer Partnerstadt Tallinn Folgendes lesen:

„Die alte Hansestadt Tallinn liegt an der Südküste des Finnischen Meerbusens und ist nicht nur für die über 400.000 Einwohner ein „lebendiges Freilichtmuseum“ der Hanse-Geschichte. Auch die schöne, gotisch geprägte Altstadt lädt zum Entdecken und Bummeln ein. Im Jahr 1997 wurde die Altstadt in das UNESCO Welterbe aufgenommen.“

Kurze Geschichte der Stadt [Tallinn]

Schon vor tausend Jahren gab es eine Ansiedlung von Menschen auf dem heutigen Gebiet der Stadt Tallinn. Im Wandel der Zeit hat Tallinn verschiedene Namen getragen: Lindanisa oder Reval.

Im Mittelalter entstanden auf dem Gebiet der heutigen Altstadt zwei unterschiedliche Siedlungen: die Unterstadt und der Domberg. Der Domberg war von Anfang an Sitz der Ritterschaft und das politische Machtzentrum des Landes. Die Unterstadt dagegen war eine selbständige Hansestadt. Offiziell wurden diese beiden ältesten Teile von Tallinn erst im Jahr 1889 endgültig zusammengelegt.

Tallinns Glanzstück ist sein mittelalterlicher Stadtkern. Die alten Gebäude und Kopfsteingassen aus dem 11. bis 15. Jahrhundert haben die Zeiten nahezu unbeschadet überstanden. Dies ist sowohl der weit erhaltenen Befestigungsmauer, die einen soliden Schutz bot, als auch der Tatsache, dass die Verwendung brennbarer Baumaterialien innerhalb der Mauern verboten war, zu verdanken. Wenn Touristen heute durch die Gassen der Altstadt wandeln, erblicken sie die gleichen Kirchen, Plätze, Türme und spitzgiebligen Häuserreihen, wie Ihre Vorläufer einst im Mittelalter. Da Tallinn vor diesem Hintergrund die besterhaltene mittelalterliche Stadt Nordeuropas ist, wurde die Altstadt in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen.“

Architekturstile in Tallinn

Wie jede ältere Stadt zeigt auch die estnische Hauptstadt Gebäude in verschiedenen Baustilen, je nach deren Alter: die Stadtbefestigung mit ihren Türmen, die noch in großen Teilen erhalten ist, stammen aus dem Mittelalter, ebenso manche Kirchen. Das Rathaus mit seinem filigranen Turm stammt aus der Zeit der Spätgotik ebenso viele Wohnhäuser, die Olaikirche oder das Haus der Großen Gilde. Das Schloss Kadriorg hingegen stammt aus der Zeit des Barock.

Die Nationaloper Estonia in Tallinn

Während in der lettischen Hauptstadt Riga ganze Straßenzüge im Jugendstil (Art Nouveau) errichtet wurden, gibt es in Tallinn nur wenige Bauten, die diese mit Beginn des 20. Jahrhundert aufkommenden Stil aufweisen; prominentester Vertreter ist die Nationaloper Estonia.

Auf der Website visittallinn.ee kann man dazu lesen: „Das Gebäude im neoklassizistischen bzw. Art Nouveau-Stil, das von den finnischen Architekten Armas Lindgren und Wivi Lönn entworfen wurde, war das größte Gebäude in Tallinn, als es 1913 eröffnet wurde. Die staatliche Konzertagentur Eesti Kontsert hat hier ihren Hauptsitz.“

Die Nationaloper Estonia in Tallinn kombiniert Opernsaal (vorn) und Konzertsaal (hinten)

Bilder oben: die in Tallinn agierenden Theater- und Musikensembles erhielten 1913 eine Spielstätte im Zentrum der Stadt; das riesige Gebäude beherbergt einen Opern- und einen Konzertsaal. der Gebäudekomplex wurde im Zweiten Weltkrieg durch die Rote Armee stark zerstört; der Wiederaufbau nach dem Krieg orientierte sich am ursprünglichen Erscheinungsbild.

Von der Terrasse des gegenüber gelegenen Einkaufszentrums Solaris hat man einen guten Überblick über die Gebäudedimensionen der Nationaloper.

Bilder oben: das Estnische Dramatheater spielt in einem Haus, das ursprünglich der deutschen Minderheit in Estland als Theatergebäude diente. Es wurde 1910 im Jugendstil errichtet und liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der Nationaloper.