Marseille

Bild oben: Blick von der Kathedrale Notre Dame de la Garde auf den alten und den neuen Hafen von Marseille.

Marseille Stadtentwicklungsgeschichte

Nach aktueller Schätzung hat Marseille ca. 870 Tausend Einwohner und ist damit nach Paris die zweitgrößte Stadt Frankreichs. Seit ihrer Gründung ist Marseille vor allem eine Hafenstadt am Mittelmeer mit allen damit verbundenen Vorzügen und Nachteilen. Marseille ist eine Stadt der Ankunft und eine Stadt des Abschieds; wenn man weit genug in die Geschichte zurückgreift, kommt man zu der Einschätzung, dass sie vor allem eine Stadt der Einwanderer ist. Sie ist aber auch eine Stadt des Transits, der Flucht und der Emigration (besonders während des Zweiten Weltkriegs).

Bezüglich ihrer Entstehung wird oft eine Legende kolportiert; als gesichert angenommen werden darf aber wohl, dass griechische seefahrende Händler aus Kleinasien (heute Anatolien), genauer: aus der Stadt Phokäa (heute Foca) hier schon im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung eine Siedlung (mit dem Namen Massalia) angelegt haben. Der Ort war gut gewählt, denn an der sonst teilweise recht zerklüfteten und unzugänglichen Felsküste bildet das Terrain hier einen natürlichen geschützten Hafen; landeinwärts war die neu angelegte Siedlung durch einen Ring aus Bergen abgeschirmt.

Nach längerer Selbständigkeit trotz römischer Herrschaft im Umland eroberten 49 v. C. die Truppen von Julius Cäsar die Stadt, wodurch der griechische Einfluss dem römischen wich. Die Römer bauten den Hafen und die Befestigungsanlagen der Stadt aus. Nach dem Untergang des römischen Weltreiches stand die Stadt unter wechselnder Herrschaft der West- und Ostgoten sowie der Franken; die wechselvolle Stadtgeschichte kannte Zeiten der Zerstörung und des Wiederaufbaus.

Zu den ältesten Gebäuden der Stadt gehört die Abtei St. Victor, die bereits im 5. Jahrhundert gegründet wurde; in der heutigen Bausubstanz findet man noch romanische Elemente.

Ab 1481 ist Marseille Bestandteil Frankreichs. Die Pest wurde vermutlich über die Hafenstadt Marseille nach Europa eingeschleppt; die letzte Epidemie brach 1720/21 aus.

Bilder oben: die Abtei St. Victor wurde im 5. Jahrhundert gegründet und war im Mittelalter auch Sitz des Bischofs von Marseille. Die Anlage hat eine wechselvolle Geschichte von Zerstörung, Raub und Wiederaufbau hinter sich und besteht daher aus Gebäudeteilen unterschiedlicher Entstehungszeit und unterschiedlichen Baustils, etwa ist die Kirche gekennzeichnet durch romanische und gotische Elemente.

Chateau d’If – eine Befestigungsanlage auf der  Insel Île d’If

Anfang des 16. Jahrhunderts, zwischen 1524 und 1531, wurde auf der dem Hafen Marseilles vorgelagerten Insel Île d’If eine Festung zur Verteidigung der Stadt errichtet. Bereits Ende des Jahrhunderts und bis in das 19. Jahrhundert hinein wurden Teile der Gebäude auch als Gefängnis, insbesondere für eher politische Häftlinge, genutzt. Im Roman „Der Graf von Monte Christo“ von Alexandre Dumas spielt ein Teil der Handlung auf der Insel und in der Festungsanlage, wodurch das Chateau d’If große internationale Bekanntheit erlangte.

Bilder oben: das Chateau d’f auf der Insel Insel Île d’If; Blick von der Basilika Notre Dame de la Garde aus.

Bilder oben: das Chateau d’f auf der Insel Insel Île d’If vom Wasser aus gesehen.

Bild oben: das Fort Saint-Jean vom Palais du Pharo bzw. dem Parc Émile Duclaux aus gesehen; links im Bild das MuCEM und (dahinter) die Kathedrale La Major.

Bilder oben: das Fort Saint-Jean wurde im 17. Jahrhundert unter Ludwig XIV. am Eingang zum Vieux Port erbaut. Bei der Errichtung des neuen Museums (MuCEM) 2013 wurde das Fort über Fußgängerstege mit dem Museum verbunden und in den Besuchsparcour einbezogen.

Stadtentwicklung Marseilles im 17. bis 19. Jahrhundert

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (ab 1660) wurde die Stadt unter Jean-Babtiste Colbert, der unter König Ludwig XIV. Finanziminster war, erweitert; dabei wurden die Boulevards Cours Belsunce und Cours Saint-Louis angelegt. Auch die Canebière genannte Straße, welche zum Vieux Port führt, wurde im 17. Jahrhundert geschaffen. Der Bau des Fort Saint-Jean fällt ebenfalls in diese Zeit.

Über die Rolle Marseilles im Rahmen der Französischen Revolution und zum Charakter der Bürger von Marseille schreibt Wikipedia (Artikel „Marseille“):

„Die Bevölkerung von Marseille war seit jeher stolz und unabhängig und im ganzen Land dafür bekannt, sich gerne gegen die Obrigkeit und den König aufzulehnen. So schickte die Stadt im Jahr 1792 fünf Hundert freiwillige Kämpfer, um die neue Regierung während der Französischen Revolution zu unterstützen. Das von den Kämpfern aus Marseille in den Straßen von Paris gesungene Lied wurde als die Marseillaise bekannt. Am 14. Juli 1795 wurde die Marseillaise zur französischen Nationalhymne erklärt.“

Durch die kolonialen Aktivitäten Frankreichs in Nordafrika und Indochina (Vietnam, Laos, Kambodscha) gewann der Hafen von Marseille wachsende Bedeutung als Drehscheibe für Menschen und Waren (welche durch die Eröffnung des Suezkanals 1867 nochmals gesteigert wurde). Jetzt wurde der Vieux Port auch zu klein und so wurde nördlich davon der Hafen La Joliette angelegt (Inbetriebnahme 1853). Der neue Hafen war vor allem ein Industriehafen, in dem besonders Rohstoffe umgeschlagen wurden, welche die sich ebenfalls in Hafennähe ansiedelnde Industrie verarbeitete (Seifenindustrie, Stahlwerke, Ziegeleien, …).

Jetzt versuchten große Banken und Finanziers Einfluss auf die Stadtentwicklung zu nehmen; mit Unterstützung durch Georges-Eugène Baron Haussmann entwarfen sie 1858 einen Plan für eine umfassende Neugestaltung der Altstadt um den Vieux Port; dem dazu notwendigen großflächigen Abriss widersetzten sich aber Stadtrat und Bewohner.

Letztlich wurde mit der Rue de la République (1862-1864) nach Pariser Vorbild nur ein einziger Prachtboulevard als Schneise in die bisherige Bebauung geschlagen; sie verbindet den neuen Hafen La Joliette mit dem Vieux Port.

Unter Napoleon III. wurden außerdem etliche repräsentative Bauten in der Stadt errichtet, so die im neoromanisch-byzantinischen Stil von Léon Vaudoyer gestaltete Kathedrale de la Major am Hafen (1852 – 1896), 1861 wurde das Gebäude für die Präfektur erbaut, 1862 das Palais Longschamp durch Espérandieu.

Auch der Bau der Börse im neoklasszistischen Stil durch Pascal Coste fällt in diese Zeit. Ab 1858 wurde auch am Palast Palais du Pharo gebaut, den Napoleon III. für seine Frau errichten ließ. Die Basilika Notre Dame de la Garde, die mit ihrer vergoldeten Madonnenfigur über der Stadt thront, wurde im romano-byzantinischen Stil 1864 von Pinchaud erbaut.

Gebäude entlang der Rue de la République.

Bilder oben: ein Boulevard à la Haussmann: Rue de la République im klassizistischen Stil.

Bilder oben: Wohngebäude  an der Rue de la République mit aufwändig gestalteten Fassaden; Gliederung durch Pilaster, Balkone mit (floral) dekorierten Konsolen, Fenster mit Dreiecksgiebel- oder Segmentgiebel-Verdachung und Gesimsen.