Stuttgart Weissenhofsiedlung

Die Werkbundausstellung „Die Wohnung“ 1927 – Bau der Stuttgarter Weißenhofsiedlung

Auf der Website www.internationale-bauausstellungen.de kann man zum Bau der Stuttgarter Weißenhofsiedlung das Folgende lesen: „Die Stuttgarter Weißenhofsiedlung ist eines der bedeutendsten Zeugnisse des Neuen Bauens. Als Bauausstellung mit dem Titel „Die Wohnung“ präsentierte sie 1927 erstmals national und international die vom Deutschen Werkbund postulierten und geförderten neuen Formen des Wohnens. An der Ausstellung beteiligten sich 17 Architekten aus verschiedenen Ländern. Dazu gehörten Le Corbusier, Gropius und Scharoun. Damals waren sie nur in Kreisen der internationalen Avantgarde bekannt – heute zählen sie zu den bedeutendsten Meistern der modernen Architektur. Unter der künstlerischen Leitung von Ludwig Mies van der Rohe schufen sie ein mustergültiges Wohnprogramm für den modernen Großstadtmenschen. Es entstanden 21 Musterhäuser.

Zum Bild: das von Hans Scharoun entworfene Wohnhaus.

Die Bauausstellung Weißenhofsiedlung zeigte die damals aktuelle Entwicklung der Architektur und des Wohnungsbaus. Ein formaler Zusammenhang wurde durch die grundsätzlich ähnlichen Architekturauffassungen der mitwirkenden Architekten und die Vorgabe der „revolutionären“ Flachdächer erreicht. Schmuck- und ornamentlos repräsentierte die kubische Architektur der Weißenhofsiedlung die Baukunst der Moderne. (…)“

Bild oben: Info-Tafel in der Stuttgarter Weißenhof-Siedlung. Dargestellt ist die Lage der heute noch existierenden Gebäude (schwarz), der zerstörten und nicht wieder aufgebauten Gebäude (schraffiert) sowie das Weißenhof-Museum im Le Corbusier-Haus. Den Gebäuden sind die Architekten zugeordnet.

Vor, während und nach dieser Internationalen Bauausstellung (IBA) stritten sich Architekten, Bauherren und die interessierte Öffentlichkeit um das „richtige“ Bauen, wobei der ideologische Streit zwischen der eher traditionellen (z. B. Schmitthenner, Bonatz, Heinz Wetzel und andere Architekten der „Stuttgarter Schule“) und der „modernen“ Baugesinnung (vertreten durch Le Corbusier, Mies van der Rohe, Oud, Scharoun u.a.) ausgetragen wurde.

Vorausgegangen war der Werkbundausstellung eine Bauausstellung auf dem Gelände des abgerissenen alten Bahnhofs an der Bolzstraße im Sommer 1924; bei dieser Veranstaltung und der Ausstellung „Die Form“ im Kronprinzenpalais reifte wohl die Idee für die Werkbundausstellung zur Frage „Wie wohnen?“ vom 23. Juli bis 31. Oktober 1927. Im Buch „Stuttgart und das Bauhaus“ von Anja Krämer und Inge Bäuerle (Belser, 2019) schreiben die Autorinnen: “ Das Problem der Neuen Wohnung ist im Grunde ein geistiges Problem und der Kampf um die Neue Wohnung nur ein Glied in dem großen Kampf um neue Lebensformen“ (…)

Blick über die Mauer in den Vorhof eines der Reihenhäuser von J.J.Oud.

Bonatz und Schmitthenner als Vertreter der „Stuttgarter Schule“ waren nicht eingeladen, einen Beitrag zu liefern und traten danach aus dem Werkbund aus; teilgenommen haben dagegen die der Idee des „Neuen Bauens“ anhängenden Architekten Pieter Oud und Mart Stam (Rotterdam), Le Corbusier und sein Cousin Pierre Jeanneret (Paris), Victor Bourgeois (Brüssel), Josef Frank (Wien) sowie Peter Behrens, Hans Poelzig, Max und Bruno Taut, Theodor Ludwig Hildesheimer, Walter Gropius, Adolf Rading, Hans Scharoun, Adolf Gustav Schneck und Richard Döcker. Alle 21 Musterhäuser waren mit einem Flachdach ausgestattet; die Gebäude zogen sich parallel zu den die Höhenlinien nachfahrenden Straßen dahin.

Während der NS-Herrschaft wurde die Siedlung als „Schandfleck Stuttgarts“ gebrandmarkt; die Stadt verkaufte das Gelände dem Reich; ein Abriss war geplant. Dazu kam es dann aber nicht; Le Corbusiers Einfamilienhaus wurde im Zweiten Weltkrieg zur Flugabwehr-Stellung und das Gebäude von Mies van der Rohe wurde als Kinderseuchenkrankenhaus genutzt.

Bei Bombenangriffen 1944 wurden zehn der Häuser zerstört; die erhaltenen Gebäude wurden nach dem Krieg ohne Rücksicht auf ihre architekturhistorische Bedeutung umgebaut und als dringend benötigter Wohnraum genutzt.

Le Corbusier-Haus – das Weißenhof-Museum

1956 wurden die erhaltenen Gebäude dann aber doch unter Denkmalschutz gestellt und in den Jahren 1981-87 sorgten umfangreiche Rekonstruktions- und Sanierungsmaßnahmen für eine Wiederherstellung der ursprünglichen Form; zu diesem Zeitpunkt war die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger im Besitz der Siedlung. 2002 erwarb die Stadt Stuttgart vom Bund das Le Corbusier-Doppelhaus und stellte in dreijähriger Bauzeit weitgehend den Originalzustand wieder her; 2006 eröffnete das Weißenhof-Museum in diesem Gebäude.

Zum Bild: Bautafel während der Bauarbeiten am Le-Corbusier-Haus (Aufnahme von 2006).

Seit 2016 steht dieses und das von Le Corbusier und seinem Cousin Pierre Jeanneret gebaute benachbarte Einfamilienhaus auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes.

Seit 2019 ist die gesamte Siedlung wieder im Besitz der Stadt bzw. der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG). Für die Internationale Bauausstellung 2027 (IBA’27) ist die Errichtung eines Empfangs- und Besucherzentrums geplant.

Bilder oben: das von Le Corbusier und Pierre Jeanneret erbaut Gebäude ist seit 2006 das Weißenhof-Museum.

Bilder oben: Baudetails.

Bilder oben: Dachterrasse des Weißenhof-Museums.

Bilder oben: das Weißenhof-Museum bei abendlicher Beleuchtung.

Bilder oben: das von Le Corbusier und seinem Cousin Pierre Jeanneret gebaute Einfamilienhaus.

Mehrfamilienhaus von Mies van der Rohe in der Weißenhofsiedlung

Bilder oben: Ludwig Mies van der Rohe war 1924 in den Deutschen Werkbund eingetreten; er war künstlerischer Leiter beim Aufbau der Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“ von 1927 auf dem Stuttgarter Weißenhof. Er leistete auch einen eigenen Gebäudebeitrag: einen langgestreckten Gebäuderiegel mit vier aneinandergereihten Mehrfamilienhäusern.

Bilder oben: Gebäudedetails; letzte Bilder: Rückseite des Gebäudes (Südseite) mit Balkonen und Dachterrassen.

„Terrassenhaus“ von Peter Behrens in der Weißenhofsiedlung

Bilder oben: auch Peter Behrens beteiligte sich am Bau von Musterwohnungen für die Werkbundausstellung 1927: er baute ein „Terrassenhaus“, d.h. die unterschiedlich hohen Baukörper sind so gegeneinander versetzt, dass das Flachdach des niedrigeren stets die Terrasse des höheren bildet. Die Erdgeschosswohnungen verfügen stets über einen eigenen Vorgarten. 

Auch das Terrassenhaus wurde im Zweiten Weltkrieg leicht beschädigt und nach dem Krieg umgebaut, etwa durch das Aufsetzen von Satteldächern. Erst bei der denkmalgerechten Sanierung der gesamten Anlage in den 1980er Jahren wurde der Ursprungszustand wieder hergestellt.

Reihenhaus von Mart Stam in der Weißenhofsiedlung

Bilder oben: der niederländische Architekt und Designer Mart Stam beteiligte sich mit einem Reihenhaus an der Bauausstellung auf dem Weißenhof. Die Fassade sollte seinem Willen nach eigentlich weiß gestrichen werden. Jetzt wird die blaue Farbe immer mal wieder neu aufgebracht (womit sich die unterschiedliche Tönung bei Aufnahmen in verschiedenen Jahren erklärt).

Reihenhäuser von J.J. Oud in der Weißenhofsiedlung

Bilder oben: die fünf Reihenhäuser von J.J. Oud (Jacobus Johannes Pieter Oud) sollten vor der Küche jeweils einen Schuhputzbalkon bekommen; Oud realisierte einen etwa 10 Quadratmeter großen Vorhof, der zwischen öffentlich (Straße) und privat (Küche) einen Übergang schafft.

Hans Scharouns Beitrag zur Weißenhofsiedlung

In der Schrift „Werkbundausstellung ‚Die Wohnung‘ Stuttgart 1927, Die Weißenhofsiedling“ (dva, 1993) von Karin Kirsch kann man in der Beschreibung des Hauses, das Hans Scharoun gebaut hat, das Folgende lesen:

„Scharoun baute eines der kleinsten Häuser der Weißenhofsiedlung und eines der interessantesten. Von außen erinnert es ein wenig an Schiffsaufbauten, von innen schließt es wirklich die Weite der Umgebung mit ein. (…) Wichtig in allen Entwicklungsphasen des Entwurfs waren immer die enge Verbindung von innen und außen und die klare räumliche Unterscheidung der Funktionen.“

Zur Farbigkeit des Gebäudes kann man in der o.g. Schrift das Folgende lesen: “ Wegen der Farbgebung fragte Scharoun bei Mies an, ob er wie die meisten andern Weiß als Grundfarbe wählen solle, und erhielt die Antwort, dass es jedem überlassen sei, einzelne Teile besonders farbig herauszuheben.“ (…)

Er gestaltete schließlich einige Wandflächen grau und die Untersicht der Terrassendecke leuchtet rot.

 

Zum Bild: an der Gartenmauer vor dem Gebäude ist eine Informationstafel angebracht.

Bilder oben: Hans Scharouns Beitrag zur Bauausstellung.

Bilder oben: hinter dem Einfamilienhaus von Scharaoun ragt das Turmhaus der Friedrich-Ebert-Wohnanlage auf.

Bilder oben: Gebäudedetails.

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