Stuttgart

Die Baden-Württembergische Landeshauptstadt Stuttgart – die „meist unterschätzte Metropole“

Bilder oben: Landeshauptstadt Stuttgart: der Schlossplatz mit Musikpavillon, Neuem Schloss und Springbrunnenanlagen; Cafébesucher/innen vor dem Königsbau; im Hintergrund die Königstraße, das Alte Schloss und die Türme der Stiftskirche; der Schlossplatz in der Adventszeit und mit Riesenrad. Der Stuttgarter Schlossplatz zählt zu den größten Platzanlagen deutscher Städte.

Stadtbaugeschichte Stuttgarts

Nachfolgend wird die (Stadtbau-)Geschichte der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt dargestellt – von den Anfängen bis zum 2. Weltkrieg. Mit den nachfolgenden Links kommt man zu speziellen Themen.

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Bild oben: Stuttgart-Schriftzug mit Stuttgarter „Rössle“ an einem Gebäude der Arbeitsagentur im Nordbahnhofviertel; die Gestaltung des Doppel-T als Säulenportikus mit Dreiecksgiebel verweist auf das Renommée als Architektur-Stadt.

Stuttgart – ein Stadtportrait

Als „meist unterschätzte Metropole“ in Deutschland wird Stuttgart gelegentlich bezeichnet. Jedenfalls ist es die größte Stadt im Bundesland Baden-Württemberg und sie steht bundesweit bei der Einwohnerzahl, die immer so etwas um 600 Tausend schwankt, auf dem 6. Platz. Im Ballungsraum Region Stuttgart wohnen fast drei Millionen Menschen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Region gründet auf der Präsenz vieler zum Teil weltweit bedeutender Unternehmen wie Daimler-Benz, Bosch oder Porsche und vieler mittelständischer Unternehmen.

Stuttgart ist Sitz des Landtags und der Landesregierung sowie anderer Landeseinrichtungen. Kulturell kann die Stadt mit der Oper, dem Ballett, etlichen Theatern und Konzerthäusern punkten, aber auch mit bedeutenden Bibliotheken (Württembergische Landesbibliothek, Unversitätsbibliothek, Stadtbibliothek), und einer ganzen Reihe von Museen (Staatsgalerie, Kunstmuseum, Linden-Museum, Porsche-Museum, Mercedes-Benz-Museum, Naturkunde-Museum, etc.). Stuttgart ist auch Universitäts- und Hochschulstadt; hier sind die Universität Stuttgart, die Uni Hohenheim, die Kunstakademie, die Hochschule der Medien, die Musikhochschule oder die Technische Hochschule ansässig.

Bekannt ist Stuttgart weltweit durch die Architekten und Bauingenieure, die hier gebaut, gelehrt und gelebt haben und noch lehren und wirken (Frei Otto, Jörg Schlaich, Rolf Gutbrod, Günther Behnisch, Fritz Leonhardt, Hans Kammerer, Walter Belz, Peter Faller, Arno Lederer, Werner Sobek, Roland Ostertag,…). Und dementsprechend gibt es in der Landeshauptstadt eine ganze Reihe bedeutender Bauten, die es zum Teil sogar in die UNESCO-Weltkulturerbeliste geschafft haben; zu den bekanntesten zählen wohl der Fernsehturm, die Liederhalle, der Tagblatt-Turm und die Weißenhofsiedlung.

Zum Bild: auf dem Campus Vaihingen der Universität Stuttgart steht das Gebäude des Institutes für Leichte Flächentragwerke (IL), das von Frei Otto 1966 gestaltet wurde. Die Einrichtung heißt heute Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren (ILEK). Das Gebäude des IL war sozusagen ein Prototyp für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Montreal 1967 und für das Dach des Olympiastadions 1972 in München.

Bild oben: Wappentiere des Landes Baden-Württemberg (Hirsch und Löwe) vor dem Riesenrad, das in 2021 im Innenhof des Neuen Schloss aufgebaut war.

Stadt(bau)geschichte Stuttgarts

Für die Abfassung der Texte wurden u.a. folgende Print-Quellen verwendet:

  • Antero Markelin, Rainer Müller: „Stadtbaugeschichte Stuttgart“, Karl Krämer Verlag Stuttgart/Zürich, 1991
  • „Plan – Zeit – Räume“ (100 Jahre kommunale Stadtplanung und Stadterneuerung Stuttgart), Karl Krämer Verlag, Stuttgart, 2014
  • Cord Beintmann: „Reclams Städteführer / Stuttgart, Architektur und Kunst“, Philipp Reclam jun. Verlag, Ditzingen, 2021

Zum Bild: an der Glasfassade des Kunstmuseums am Stuttgarter Schlossplatz ist der Name der Stadt in verschiedenen Sprachen/Schriften dargestellt, zusammen mit der Silhouette bekannter Gebäude.

 

Weitere Literatur zu Architektur und Stadtbaugeschichte Stuttgarts:

  • Christiane Fülscher, Klaus Jan Philipp: „Stuttgart, Architecture Guide“, avedition GmbH, Stuttgart, 2017
  • Valérie Hammerbacher, Anja Krämer: „Stuttgart, Architektur des 20. und 21. Jahrhunderts“, G. Braun Telefonbuchverlage GmbH & Co. KG, Karlsruhe, 2013
  • Christina Simon, Thomas Hafner (Hrsg.): „WohnOrte, 50 Wohnquartiere in Stuttgart von 1890 bis 2002“, Karl Krämer Verlag, Stuttgart, 2002
  • Gert Kähler: „Architektour, Bauen in Stuttgart seit 1900“, Verlag Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden, 1991
  • Gilbert Lupfer: „Architektur der fünfziger Jahre in Stuttgart“, Silberburg-Verlag Titus Häussermann, Tübingen und Stuttgart 1997
  • Uta Lambrette / Brigit Schmolke: „Architekturführer Stuttgart“, DOM publishers, Berlin 2019.

Bilder oben: die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart liegt in einem „Kessel“, eingebettet zwischen bewaldeten Hängen – 1 – Blick von der Aussichtsplattform des Fernsehturmes nach Nordosten, – 2 – Blick von der Birkenwaldstraße zur Innenstadt (im Hintergrund der Fernmeldeturm auf dem Frauenkopf und der Stuttgarter Fernsehturm) und – 3 – Blick von der Hohenheimer Straße in den Stuttgarter Süden und Westen, – 4 – Blick vom Eugensplatz auf das Stadtzentrum mit Rathausturm, Stiftskirche und Altem Schloss, – 5 – Blick vom Turm der Musikhochschule in Richtung Bohnenviertel.

Bilder oben: Stuttgart ist eine grüne Stadt mit vielen Parks (zum Beispiel dem Killesbergpark, dem Stadtpark, dem Rosensteinpark oder dem Weißenburgpark mit Teehaus); die Höhen sind bewaldet und Weinberge reichen bis in die Stadtmitte; im direkten Umfeld gibt es idyllische Naherholungsgebiete, etwa den Wildpark oder die Bärenseen mit dem Bärenschlössle – siehe Bilder unten.

Bäderstadt Stuttgart

Aufgrund des hohen Mineralwasseraufkommens sind in Stuttgart auch etliche Mineralbäder angesiedelt (SoleBad Bad-Cannstatt, das Leuze, Mineralbad Berg). Stuttgart hat in Deutschland das höchste Mineralwasseraufkommen aller Städte; europaweit liegt nur noch Budapest vorn. 

Bilder oben: der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert von Nikolaus von Thouret errichtete klassizistische Kursaal im Kurpark Bad Cannstatt; das moderne Gebäude des Sole-Bades wurde 1994 fertiggestellt.

Stadt(bau)geschichte Stuttgarts – die Anfänge

Stuttgart liegt mit seiner Kernstadt in Nachbarschaft des Neckartals, welches dieser im Lauf der Zeit in das Keuperbergland eingeschnitten hat. Das Stadtzentrum liegt in einer Senke, die nahezu auf allen Seiten von Anhöhen umgeben ist; man spricht vom Stuttgarter „Kessel“. Im Norden schließen sich Bereiche mit fruchtbaren und landwirtschaftlich genutzten Böden an, im Süden liegt die Hochfläche der Fildern; dort wird das bekannte Filderkraut angebaut; auch der Stuttgarter Flughafen und die Stuttgarter Messe sind hier angesiedelt. Zwischen dem tiefsten Punkt im Stadtzentrum und den höchsten Erhebungen der umliegenden Höhen besteht ein beachtlicher Höhenunterschied von ca. 350 Metern, mehr als in jeder anderen Großstadt in Deutschland.

Zum Bild: Blick vom Weißenburgpark auf den Stuttgarter Süden.

Bilder oben: um die manchmal beträchtlichen Höhenunterschiede zu bewältigen, muss man in der Regel Treppenstufen steigen. Die Treppen für Fußgänger heißen in Stuttgart „Staffeln“, oder im schwäbischen Diminutiv auch „Stäffele“. Ursprünglich waren es Erschließungstreppen für die Stuttgarter Weinberge in Hanglage.

Die Topografie ist also sehr bergig, was insbesondere Radfahrer zu spüren bekommen. Auch die verkehrliche Zugänglichkeit der Stadt ist dadurch eingeschränkt. Kommt man nicht über die Täler von Neckar oder Nesenbach in die Stadt, muss man sich auf serpentinenartig sich nach unten schlängelnde Straßen einstellen (z. B. Alte und Neue Weinsteige, Karl-Kloß-Straße, usw.). In neuerer Zeit sorgen Tunnels für eine bessere Zugänglichkeit des Stadtzentrums (z. B. Heslacher Tunnel).

Das heutige Stadtgebiet war ursprünglich eine eher sumpfige Senke, umgeben von bewaldeten Hängen; vermutlich aufgrund des dadurch gegebenen guten Wildbestandes errichteten die Landesherren hier ihre Residenz. Große Bereiche des Stadtgebiets, die sich nicht für den Ackerbau eigneten, sind auch heute noch bewaldet oder es wurden an den Hängen Weinberge angelegt; etwa 30 % der Fläche sind Wald, etwa 40 % sind Landschafts- und Naturschutzgebiete. Die Landeshauptstadt zählt auch heute noch zu den großen Weinbaugemeinden Deutschlands.

Die Weinberge reichen oft bis direkt an die Bebauung heran; hier an Industriegebäude in Stuttgart-Feuerbach.

Eine erste Besiedlung des heutigen Stadtgebietes geschah wohl um 100 n. C. durch die Römer, welche nach Norden vorrückten und die im Bereich des heutigen Stadtteils Bad Cannstatt Kastelle und andere Militäranlagen errichteten. Mitte des 3. Jahrhunderts drängten dann aber die Alemannen von Norden her nach Überschreitung des Limes die Römer zurück; um 500 n. C. entstanden Siedlungen der Franken.

Um 950 legte Herzog Liudolf von Schwaben im Nesenbachtal ein Gestüt an, genannt „Stuotgarte“ (Stuten-Garten), wobei die Neckar-Talaue als Weidefläche für die Pferde diente. Die Pferdezucht hatte aber keine sportlichen Ziele, sondern beruhte auf militärischen Überlegungen: die Heere der damaligen Zeit waren – wenn sie beritten waren – viel beweglicher einsetzbar. Die historischen Quellen sind sich uneins, ob die Geschichte vom Pferdegestüt wirklich zutreffend ist; auf jeden Fall aber wäre es eine schöne Gründungslegende für die Stadt, deren Stadtwappen das „Stuttgarter Rössle“ ziert.

Pferdehof bei Schloss Solitude.

Um das Gestüt entstand in der Folge eine größere Siedlung, welche Markgraf Hermann von Baden im 13. Jahrhundert zu einer befestigten Stadt ausbauen ließ mit herrschaftlichen Bauten wie der Kanzlei, dem Alten Schloss und dem Neuen Bau (dem Marstall; hier befindet sich heute die Stuttgarter Markthalle). Die Befestigung bestand aus einer Stadtmauer mit Wehrgang und einem vorgelagerten Graben. Über drei Stadttore konnte man in die Stadt gelangen. Viele heutigen Straßen folgen noch dem Verlauf der früheren Stadtmauer, auf welcher bei Stadterweiterungen später auch Häuser gebaut werden durften. Anfang des 14. Jahrhunderts kam es zu einer teilweisen Schleifung der Stadtmauern; bei der Neubefestigung entstand der „Große Graben“, der den Verlauf der heutigen Hauptgeschäftsstraße, der Königstraße vorgibt.

1316 wurde Stuttgart zum Hauptsitz der Württemberger unter Graf Eberhard I. In diese Zeit fällt auch der Bau der Stiftskirche (siehe „Stuttgart Kirchen„) mit einem Chor im Stil der Frühgotik (um 1350) und einem Langhaus mit Turm an der Westseite (Bau zwischen 1430 und 1530).

Die Stuttgarter Stiftskirche.

Das Alte Schloss

Ursprung des heutigen Alten Schlosses ist eine Burg, welche unter Graf Eberhard I. im 14. Jahrhundert anstelle einer vorhergehenden Wasserburg errichtet wurde. Das Alte Schloss hat eine sehr wechselvolle Baugeschichte; im 16. Jahrhundert (von 1553-1563) wurde die ursprüngliche mittelalterliche Burg (unter Herzog Christoph) zum Renaissanceschloss aus- und umgebaut. Dabei wurde auch die Dürnitz um zwei obere Stockwerke erweitert und die Reittreppe angelegt. Heute zeigt sich der mächtige Bau als Vierflügelanlage mit einer Schlosskirche, einem großen Innenhof, welcher auf drei Seiten von einem beeindruckenden dreigeschossigen Arkadengang umschlossen ist und drei mächtigen Türmen im Westen, Süden und Osten sowie einem Erker zur Markthalle hin. Näheres unter Stuttgart Schloesser.

Zum Bild: Blick auf das Alte Schloss vom Karlsplatz her.

Mit der Verlegung der Residenz von Stuttgart nach Ludwigsburg durch Herzog Eberhard Ludwig (1718) und dem dortigen Bau des Barockschlosses (ab 1704) verlor das Alte Schloss an Bedeutung.

Nach Rückverlegung der Residenz nach Stuttgart (1733) ließ Herzog Carl Eugen neben dem Alten ab 1746 das Neue Schloss erbauen, das aber erst Anfang des 19. Jahrhunderts völlig fertiggestellt wurde und in dessen Bauverlauf die Residenz zum wiederholten Mal nach Ludwigsburg umzog. Nach Fertigstellung des Neuen Schlosses diente das Alte Schloss der Unterbringung von höfischen Ämtern und deren Bediensteten.

Zum Bild: Springbrunnen auf dem Schlossplatz und Neues Schloss bei Nach. Näheres zum Gebäude (und viele Bilder) unter Stuttgart Schloesser.

Fortsetzung Stadtbaugeschichte Stuttgarts

Durch das Bevölkerungswachstum genügte im 14. Jahrhundert die Fläche innerhalb der Stadtmauern nicht mehr und es wurden Vorstädte außerhalb errichtet (z. B. die Leonhardsvorstadt mit der Leonhardskirche); die Hauptstätter Straße wurde dabei sehr breit angelegt und als Marktstraße genutzt mit festen Verkaufs- und Handelsgeschäften auf beiden Straßenseiten. Den Stadterweiterungen wurde meist ein rechteckiges Straßenraster zugrundegelegt. Zwischen Mitte des 15. und Mitte des 16. Jahrhunderts entstand unter Einbeziehung der Vorstädte eine neuer Befestigungsring, der noch Freiflächen für weitere Stadterweiterungen sowie für die landwirtschaftliche Nutzung zur Versorgung der städtischen Bevölkerung beinhaltete. Im 16. Jahrhundert wurde die Stadt im Bereich der „Oberen Vorstadt“ mit der Hospitalkirche als deren Mittelpunkt erweitert.

Zum Bild: die Hospitalkirche.

Kriege und Seuchen bremsten ein rasches Wachstum der Stadt; die Bevölkerung wuchs vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gerade mal um etwa 10 Tausend Einwohner auf dann 20 Tausend. Recht verheerend wirkte sich dabei der 30-jährige Krieg auf Stuttgart aus; der Hof floh nach Straßburg, die Stadt wurde geplündert und zerstört und die Bevölkerung war auch noch Seuchen (der Pest) ausgesetzt so dass sich die Einwohnerzahl halbierte.

Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts wurde insbesondere die Residenz ausgebaut; das (Alte) Schloss wurde erweitert, hinzu kamen das (alte und das neue) Lusthaus und der Lustgarten.

Der heutige Schillerplatz war damals der Schlossplatz, begrenzt von der herzoglichen Kanzlei (später: Alte Kanzlei), dem später weiter ausgebauten Prinzenbau, dem Fruchtkasten und der Stiftskirche. Zu dieser Zeit diente der Platz nicht als Marktplatz sondern allein der höfischen Repräsentation.

Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurden alle genannten Gebäude um den Schillerplatz wieder rekonstruiert.

Zum Bild: das Schiller-Denkmal (vom dänischen Künstler Bertel Thorvaldsen) steht seit 1839 auf dem Schillerplatz; im Hintergrund der Prinzenbau, links der Fruchtkasten.

Die Alte Kanzlei

Die Kanzlei war für die im Alten Schloss residierenden Herzöge Sitz der staatlichen Verwaltung. Das Gebäude besteht aus drei Teilen, welche in zeitlichem Abstand erbaut wurde; der sich zum Alten Schloss hin orientierende Baublock entstand zwischen 1544 und 1546 und ersetzte das früher hier befindliche Kanzleigebäude. Etliche jahre später wurde dieser Gebäudeteil um ein Stockwerk erhöht und bis zum Prinzenbau hin verlängert, welcher sich im rechten Winkel dazu erstreckt. Anfang des 18. Jahrhundert wurde dann noch der „Kanzleibogen“ eingefügt, durch den das Gebäude mit dem Prinzenbau direkt verbunden wurde. Durch einen Bogengang in diesem Eckgebäude gelangt man ohne Umweg von der Königstraße zum Schillerplatz.

Zum Bild: der Schillerplatz wird eingerahmt von Stiftskirche, Fruchtkasten (links), Prinzenbau (hinten) und Alter Kanzlei  (rechts).

Auffallend an der Alten Kanzlei sind die beiden Rundtürme mit Kegeldach, in welchen die Treppen zu den oberen Stockwerken untergebracht sind. Die beiden Portale zum Schillerplatz hin sind (nach Angleichungsmaßnahmen) ähnlich aufgebaut: eine Rundbogentür wird von einer Ädikula eingerahmt; die Inschrift über dem neueren (wenn man davor steht linken) Portal gibt Auskunft über die Baugeschichte des Gebäudes.

An der Nordostecke der Alten Kanzlei befindet sich die Merkursäule; ursprünglich war dies der Wasserturm, der die Wasserspiele / Brunnen vor dem Neuen Schloss speiste. Bis 1862 befand sich an der Stelle der Merkur-Figur der Wasserspeicher.

1838 wurde unter König Wilhelm I. ein neues Kanzleigebäude in der Königstraße errichtet, welches dann „Neue Kanzlei“ genannt wurde und dem bisherigen Kanzleigebäude das Zusatzadjektiv „Alt“ einbrachte.

Im Zweiten Weltkrieg wurde auch die Alte Kanzlei stark beschädigt; der Wiederaufbau geschah zwischen 1951 und 1952; im Erdgeschoss des Hauses sind heute ein Restaurant und die Hof-Apotheke untergebracht, in den oberem Stockwerken hat das Justizministerium Büroräume.

 

Zum Bild: der „Kanzlei-Bogen“ verbindet Alte Kanzlei und Prinzenbau; eine Passage stellt für Fußgänger die Verbindung zwischen Königstraße und Schillerplatz her.

Bilder oben: die Alte Kanzlei begrenzt eine Seite des Schillerplatzes, auf dem ein Standbild des Dichters steht; das Kanzleigebäude schließt sich direkt an den Prinzenbau an.

Bilder oben: die beiden Hauptportale zum Schillerplatz hin.

Bilder oben: die Merkursäule: der frühere Wasserturm (zum Betrieb der Brunnen/Wasserspiele auf dem Schlossplatz) ist seit 1862 von einer Merkurfigur gekrönt.

Bilder oben: der „Kanzleibogen“ verbindet das Kanzleigebäude mit dem Prinzenbau; ein Rundbogengang ermöglicht eine direkte Verbindung von Königstraße und Schillerplatz für Fußgänger.

Der Prinzenbau

wurde ursprünglich vom Renaissance-Baumeister Heinrich Schickhardt zwischen 1604 und 1607 errichtet und diente zunächst den Herzögen vor allem als Gästehaus und der Unterbringung von Familienmitgliedern. Ende des 17. Jahrhunderts baute Matthias Weiß das Gebäude im klassizistischen Stil um, Anfang des 18. Jahrhunderts wurde das Gebäude mit dem „Kanzleibogen“ mit der Alten Kanzlei verbunden.

Auch der Prinzenbau wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und zwischen 1947 und 1951 von Paul Schmitthenner wieder aufgebaut. Heute ist das Gebäude Sitz des Baden-Württembergischen Justizministeriums.

Bilder oben: der Prinzenbau am Schillerplatz zwischen Fruchtkasten (links) und Alter Kanzlei (rechts).

Bilder oben: die zurückhaltend gestaltete, mit Pilastern gegliederte Sandsteinfassade des Prinzenbaus; stark betont ist die (ursprüngliche-Mittel-)Achse mit dem Eingangsportal: korinthische Doppelsäulen flankieren den Eingang, der von einem Sprenggiebel mit Wappen gekrönt ist; darüber befindet sich ein auf Konsolen ruhender Balkon.

Der Fruchtkasten

Dieses Gebäude entstand Ende des 16. Jahrhundert zunächst als herrschaftliche Kelter und wurde später (17. Jahrhundert) zum Kornspeicher umgebaut. Aus dieser Funktion ergibt sich auch die Bezeichnung des Bauwerks. Der Erbauer des benachbarten Prinzenbaus, Heinrich Schickhardt, passte die Fassade des Fruchtkastens 1596 dessen Renaissance-Stil an. Auf dem Giebel thront noch heute eine Bacchus-Skulptur (Bacchus ist der Gott des Weines) als Verweis auf die Funktion des Gebäudes als Kelter; die Ladeluken am Gebäude stammen aus der Zeit, als hier Getreide eingelagert wurde. Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde das Äußere des Gebäudes zwischen 1954 und 1956 weitgehend rekonstruiert, das Innere aber modern gestaltet – hier ist seit 1993 das Musikinstrumenten-Museum („Haus der Musik im Fruchtkasten“) untergebracht.

Bilder oben: das Gebäudeensemble um den Schillerplatz mit Stiftskirche, Fruchtkasten, Prinzenbau und Alter Kanzlei wurde nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend entsprechend der historischen Gestalt wieder aufgebaut.

Bilder oben: der ehemalige Stuttgarter Getreidespeicher, der „Fruchtkasten“ steht in unmittelbarer Nachbarschaft zur Stiftskirche.

Bilder oben: Rückseite des Fruchtkastens; hier wurde neben der Stiftskirche 1972  von Kammerer+Belz ein Erweiterungsbau der Commerzbank platziert; in der Glas-Aluminium-Fassade spiegeln sich Fruchtkasten und Stiftskirche.

Bilder oben: Eingangsbereich zum Musikinstrumenten-Museum.

Bilder oben: der Stuttgarter „Fruchtkasten“; erstes Bild: Fassade zum Schillerplatz und zur Stiftskirche hin; weitere Bilder: die Gebäuderückseite (mit Spiegelung im Erweiterungsbau der Commerzbank).

Residenzwechsel von Stuttgart nach Ludwigsburg (und zurück)

Im 18. Jahrhundert wurden Schlossbauten und barocke Gartenanlagen nach dem Vorbild von Versailles vor allem auch weit außerhalb des Stadtgebietes errichtet, so etwa das Schloss in Ludwigsburg und der Rokoko-Bau von Schloss Solitude. Der Ursprung der riesigen Ludwigsburger Schlossanlage lag zunächst in einem Jadgschloss, welches sich Herzog Eberhard Ludwig Anfang des 18. Jahrhunderts bauen ließ; ein 30-jähriger weiterer Ausbau führt schließlich zu der heute bestehenden vierflügeligen Anlage mit Schlosspark (welcher heute Bestandteil des „Blühenden Barock“ ist). Gleichzeitig wurde auch die Planstadt Ludwigsburg selbst gebaut, die ihren Namen Herzog Eberhard Ludwig zu verdanken hat; die heutige Anlage des Stadtgrundrisses mit Marktplatz, den zwei gegenüberliegenden Kirchen und dem Rathaus geht auf diese Planungen zurück, ebenso die einheitliche Gestaltung der Bürgerhäuser bezüglich ihrer Kubatur, Traufhöhe und Ausrichtung.

Der Sitz der Residenz wechselte im 18. Jahrhundert zweimal von Stuttgart nach Ludwigsburg und wieder zurück mit jeweils starken Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Städte.

Das Ludwigsburger Schloss mit den umgebenden Garten- und Parkanlagen des "Blühenden Barock"; im Hintergrund Schloss Favorite.

Geschichte des ifa (Institut für Auslandsbeziehungen)

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts baute Herzog Eberhard Ludwig auch sein Militär aus; damit verbunden waren Bauten zur Unterbringung der Garde und seiner Pferde (Kaserne und Marstall). 1720 wurde ein als Kaserne geplantes Gebäude am heutigen Charlottenplatz in Stuttgart fertiggestellt; als Architekten und Baumeister haben P. J. Jehnisch und Johann Ulrich Heim gewirkt. Wegen des Umzugs der Residenz nach Ludwigsburg wurde das Gebäude dann aber dem ursprünglich gedachten Zweck entfremdet und als Waisenhaus genutzt. Hier entstand auch eine Schule für die Heimkinder.

Nach Umzug der Schule wurde das Gebäude zwischen 1922 und 1924 von Paul Schmitthenner umgebaut und 1925 zog das Deutsche Auslands-Institut ein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das teilweise beschädigte Gebäude wieder aufgebaut; es ist auch heute noch Sitz des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa); im Gebäudekomplex sind auch Gastronomie und Läden untergebracht. Der große Innenhof wird ebenfalls gastronomisch genutzt.

Info-Tafeln zur Baugeschichte am Gebäude.

Bild oben: das ifa-Gebäude am Charlottenplatz (mit dem Charlottenplatz-Hochhaus); Blick vom Riesenrad, das im Herbst 2021 im Ehrenhof des Neuen Schlosses aufgestellt war. Das Gebäude hat einen trapezförmigen Grundriss; auffallend ist das Walmdach mit den Dacherkern.

Bilder oben: das ifa-Gebäude befindet sich in Nachbarschaft zum Karlsplatz und zum neu errichteten Dorotheen-Quartier.

Bilder oben: das ifa-Gebäude, der Innenhof und Gebäudedetails.

Bilder oben: der große Innenhof wird gastronomisch genutzt und ist eine Ruhe-Oase an der stark befahreren Straßenkreuzung des Charlottenplatzes.

Schlösser in und um Stuttgart

Der Bau des Neuen Schlosses wurde von Herzog Carl Eugen in Auftrag gegeben und 1764 erfolgte der erste Spatenstich; fertiggestellt wurde die Anlage aber erst unter Herzog Friedrich II., ganze 60 Jahre später. Herzog Carl Eugen soll die Stadt Stuttgart selbst nicht sehr geschätzt haben; daher ließ er in der näheren Umgebung eine ganze Reihe weiterer Schlösser errichten: Schloss Solitude bei Gerlingen ab 1763, Schloss Monrepos (auf Ludwigsburger Gemarkung bei Eglosheim, erbaut zwischen 1760 und 1765) sowie das Schloss Hohenheim mit Landschaftsgarten (1785-93). Von Schloss Solitude ließ er bis zum Schloss in Ludwigsburg eine schnurgerade, 13 km lange Allee ziehen (die Solitude-Allee), deren Verlauf noch heute gut zu sehen ist. Sie stellte die Basisstrecke für die Landvermessung in Württemberg dar.

Näheres zu den Stuttgarter Schlössern mit vielen Bildern unter Stuttgart Schloesser.

Zu den Bildern: das Seeschloss Monrepos bei Ludwigsburg.

In der landesgeschichtlichen Ausstellung im Württembergischen Landesmuseum wird Herzog Carl Eugen als „schwäbischer Sonnenkönig“ bezeichnet und als einer der bedeutendsten Herrscher des Landes: „Seine engagierte Kultur- und Bildungspolitik kommt dem Land noch heute zugute. So gehen die Staatliche Akademie der Künste, die Württembergische Landesbibliothek und die Ludwigsburger Porzellanmanufaktur auf seine Gründungen zurück“, heißt es dort auf einer Informationstafel.

Fortsetzung Stadtbaugeschichte Stuttgarts

Auf der dem Schlosshof abgewandten Seite des Neuen Schlosses ließ Herzog Carl Eugen eine Schule errichten, die Hohe Carls-Schule, welche vor allem der Militärausbildung dienen sollte; sie wurde 1773 zur Akademie und 1781 zur Universität. Das wie das Neue Schloss im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Gebäude wurde nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut sondern abgerissen. Hier befindet sich heute der (deshalb so genannte) Akademiegarten.

Auf dem benachbarten Brachland wurde zwischen 1959 und 1961 nach einem Entwurf von Horst Linde (von der Staatlichen Bauverwaltung Bau und Vermögen Baden-Württemberg) das Haus des Landtags als Sitz des Baden-Württembergischen Landtags erbaut.

Ab etwa 1800 wurden auch die letzten verbliebenen Stadtbefestigungsanlagen geschleift und die Stadt konnte sich damit in alle Richtungen ausbreiten, besonders nach Süden und nach Norden.

Der 1811 von Nikolaus Friedrich von Thouret geschaffene Brunnen im Akademiegarten.

Regierungszeit von König Wilhelm I. (1816-64) und die Grabkapelle auf dem Württemberg

Zitat von der Website www.grabkapelle-rotenberg.de:

„Wilhelm I. (1781–1864) übernahm 1816 die Herrschaft in Württemberg, als das Land von Missernten und Hungersnot heimgesucht wurde. Als König leitete er gemeinsam mit seiner Ehefrau Katharina umfassende Reformen ein, die die wirtschaftliche Situation Württembergs verbesserten.

Während seiner 48 Jahre dauernden Regierungszeit wandelte sich Württemberg von einem Agrarstaat zu einem Verfassungsstaat mit einer gemeinsamen Identität und einer durchorganisierten Verwaltung. Die 1819 verabschiedete liberale Verfassung war noch von Königin Katharina mit ausgearbeitet worden. Außenpolitisch versuchte Wilhelm durch wechselnde Bündnisse mit den Großmächten Preußen und Österreich ein Gleichgewicht der Länder in Deutschland zu erreichen und Württemberg eine aktivere und bedeutendere Rolle in Europa zu sichern.“ 

Die Grabkapelle

König Wilhelm I. von Württemberg, dem auf dem Schlossplatz in Stuttgart ein Denkmal gesetzt ist (die Jubiläumssäule wurde 1841-46 zum 25-jährigen Thronjubiläum des Königs errichtet), war zwischen 1816 und 1819 mit der russischen Zarentochter Katharina Pawlowa (Königin Katharina von Württemberg) verheiratet, als diese Anfang 1819 überraschend im Alter von nur 30 Jahren an einer Infektion verstarb.

In ihrer kurzen Amtszeit widmete sie sich intensiv der öffentlichen Wohltätigkeit und stieß die Einrichtung einer ganzen Reihe von Institutionen an, die bis heute erhalten und z. T. auch nach ihr benannt sind: so das Katharinenstift (heute ein Gymnasium), das Katharinenhospital (heute die größte Klinik in der Landeshauptstadt) oder die Württembergische Landessparkasse.

Aus Liebe und Dankbarkeit ließ König Wilhelm I. für seine jung verstorbene Gattin eine Grabkapelle als Mausoleum auf dem 410 Meter hohen Württemberg, einem Hügel im Stadtteil Rotenberg, errichten. Dazu wurden zunächst die noch vorhandenen Reste der Burg Wirtemberg, dem Stammsitz des Hauses Württemberg abgetragen. Ausführender Architekt war Hofbaumeister Giovanni Battista Salucci, der auch das Schloss Rosenstein und das Wilhelmspalais, das heutige StadtPalais (welches das Stadtmuseum beherbergt) erbaute. Die Bauarbeiten dauerten von 1820 bis 1824.

Zum Bild: Widmung des Königs an einer Außenwand der Kapelle.

Bild oben: Blick vom Stuttgarter Fernsehturm auf den Württemberg und die darauf errichtete Grabkapelle für Königin Katharina von Württemberg.

Die Bauform der Kapelle orientiert sich an der Villa Rotonda von Andrea Palladio: der kuppelgekrönte klassizistische Zentralbau zeigt in drei Himmelsrichtungen jeweils einen Portikus mit ionischen Säulen und im Osten eine Apsis. Über dem Haupteingang ließ König Wilhelm den Satz anbringen: „Die Liebe höret nimmer auf.“ Von der großen Freitreppe vor dem Haupteingang hat man einen schönen Ausblick auf das Neckartal und die Stadt; die Lage auf dem Hügel und die umgebenden Weinberge geben dem Mausoleum eine ganz besondere Atmosphäre. Auf der Website der Landeshauptstadt Stuttgart (www.stuttgart.de/tourismus) wird die Grabkapelle als „das romantischste Bauwerk“ der Stadt bezeichnet, welches Einheimische oft das „Schwäbische Taj Mahal“ nennen würden.

Im Inneren zeigt sich die Kapelle im Stil einer russisch-orthodoxen Kirche mit korinthischen Säulen und Pilastern; die Kuppel mit ihrer Kassettierung erinnert an das Pantheon in Rom. In der Mitte der kreisrunden gefliesten Bodenfläche befindet sich ein reich verziertes gusseisernes Gitter, durch welches man in die Gruft im Untergeschoss schauen kann, in der sich neben dem Sarkophag für Königin Katharina und König Wilhelm auch die letzte Ruhestätte der gemeinsamen Tochter Marie befindet.

Neben der Kapelle und etwas tiefer am Hang befindet sich das ebenfalls von Salucci entworfene Priesterhaus; es wurde 2017 zum Besucherhaus für die vielbesuchte Grabkapelle umgebaut.

Bilder oben: die klassizistische Grabkapelle auf dem Württemberg.

Bilder oben: die Widmung von König Wilhelm I. und das Priesterhaus, das seit 2018 zum Besucherhaus umgebaut ist.

Bild oben: Blick in die kassettierte Kuppel von innen.

Bilder oben: Innenraum der Grabkapelle.

Bilder oben: korinthische Säulen im Innenraum und Kuppel.

Bilder oben: Blick in die Kuppel und das schmiedeeiserne Gitter im Fußboden, das den Blick in die darunterliegende Gruft erlaubt.

Entstehung der Königstraße

Wo heute die Königstraße, die Stuttgarter Hauptgeschäftsstraße und Fußgängerzone verläuft, befand sich von der alten Stadtbefestigung zwischen der heutigen Bolzstraße und dem heutigen Wilhelmsbau ein Graben (der Große Graben), der ab Mitte des 15. Jahrhunderts dann zugeschüttet und als Straße genutzt wurde. Unter König Friedrich I. von Württemberg wurde die Straße auf dem „Großen Graben“ zu der Magistrale der Stadt (und ab 1806 als Königstraße benannt). Sie führt am Neuen Schloss vorbei und an ihr entstanden Bauten wie der Marstall (an der unteren Königstraße, beim heutigen Hauptbahnhof) sowie die Eberhardskirche.

Im Westen wurde die Stadt erweitert um die Friedrichstadt und den Friedrichsplatz, um die Tübinger Vorstadt, das Gerberviertel und den Wilhelmsplatz.

1793 starb Herzog Carl Eugen; unter den Königen Friedrich I. und Wilhelm I. erlebte die Stadt eine Weiterentwicklung in baulicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Nach Abschluss des Baus des Neuen Schlosses entwarf der herzogliche Hofbaumeister Nikolaus Friedrich Thouret einen bis zum Neckar reichenden (Schloss-)Park, der aber nicht nur dem Hofe vorbehalten, sondern allen Bürgern zugänglich war.

Hier entstand während der Regentschaft von Wilhelm I. unter Leitung von Hofbaumeister Giovanni Salucci zwischen 1824 und 1829 auch das im klassizistischen Stil geplante Schloss Rosenstein, welches heute vom Staatlichen Museum für Naturkunde genutzt wird. Auch die nach König Wilhelm I. benannte Wilhelma entstand in dieser Zeit (1842-53), zunächst als botanischer Garten sowie die Villa Berg. Die Wilhelma wurde in den 1950er Jahren vom rein botanischen Garten zum zoologisch-botanischen Garten ausgebaut.

Die Stuttgarter Königstraße (Blick vom Turm des Hauptbahnhofs aus, Aufnahme: März /2006)

Bild oben: Blick auf die Königstraße von oben (Aussichtsplattform auf dem Bahnhofsturm).

Bilder oben: die platanenbestandene Königstraße zu verschiedenen Jahreszeiten.

Bilder oben: Außenterrasse des Cafés im Kunstmuseum am Schlossplatz mit Blick auf die Königstraße und (zweites Bild:) die Königstraße mit dem Mobile von Alexander Calder („Crinkly avec disque rouge“, 1979 aufgestellt), mit Blick auf den Schlossplatz, den Bahnhofsturm, den Königin-Olga-Bau und das Kunstgebäude.

Bilder oben: verschiedene Geschäftsgebäude an der Stuttgarter Königstraße.

Bilder oben: die Stadtbahn-Haltestelle „Rotebühlplatz“ hat auch einen Anschluss an die (obere) Königstraße.

Neue Kanzlei an der Königstraße

Die Neue Kanzlei an der Königstraße wurde in den Jahren 1833 bis 1838 nach Plänen von Gottlob Georg Barth und Adam Friedrich Groß unter König Wilhelm I. als königliches Verwaltungsgebäude errichtet. Das klassizistische Gebäude nimmt einen ganz Block ein und umschließt einen Innenhof.

Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus zwischen 1946 und 1950 wieder aufgebaut. Heute ist in dem landeseigenen Gebäude das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport untergebracht, das Erdgeschoss wird gewerblich genutzt.

 

Zum Bild: Eingangsbereich und Info-Tafel am Gebäude.

Bilder oben: die klassizistische „Neue Kanzlei“ beherbergt heute nicht mehr königliche Ämter, sondern das Baden-Württembergische Kultusministerium. Zur Königstraße hin zeigt der Eingangsbereich einen Portikus mit dorischen Säulen.

Das Wilhelmspalais; jetzt „StadtPalais – Museum für Stuttgart“

Ein weiteres Gebäude, das während der Regentschaft von König Wilhelm I. erbaut wurde, war das Wilhelms-Palais (heute Stadt Palais); Architekt war ebenfalls Giovanni Salucci. Das klassizistische Gebäude entstand zwischen 1836 und 1840 als Wohnstätte für die beiden Töchter des Königs. Es bildete das Pendant zum Prinzenbau, der ihm auf der Achse zwischen Altem und Neuem Schloss (der Planie) an der Königstraße gegenüberlag. (Der kriegsbedingt beschädigte Prinzenbau wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen).

Das Wilhelms-Palais wurde von 1887 bis zur Revolution von 1918 von König Wilhelm II. bewohnt. Danach kam es in städtischen Besitz und wurde während der NS-Zeit u.a. als Museum genutzt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude stark beschädigt und zwischen 1961 und 1965 von Wilhelm Tiedje mit modernem Innenausbau wieder aufgebaut. Hier war dann bis zur Eröffnung des Neubaus am Mailänder Platz im Herbst 2011 die Stuttgarter Stadtbibliothek untergebracht. Das Architekturbüro Lederer Ragnarsdóttir Oei baute das Gebäude in den Jahren 2014 bis 2018 dann zum Stuttgarter Stadtmuseum um („StadtPalais – Museum für Stuttgart“).

Informationstafel am Gebäude.

Bilder oben: Blick über das Neue Schloss und den Charlottenplatz hinweg auf das Stadt-Palais; letztes Bild: auf dem Bopser ragt hinter dem Stadt-Palais der Fernsehturm auf.

Bilder oben: Stadt-Front des Gebäudes mit Auffahrt und Säulenportikus im Mittelrisalit mit Balkon. Im Sommer gibt es um das Stadt-Palais herum eine künstlerische Installation namens „Stuttgart am Meer“ mit Spielmöglichkeiten für Kinder im kühlen Nass.

Bilder oben: rückwärtige Fassade des Gebäudes – Blick von der Urbanstraße. Portikus und Balkon im Obergeschoss folgen der klassischen Säulenordnung: dorische Säulen im Erdgeschoss, ionische im Obergeschoss.

Bilder oben: das Stadt-Palais spiegelt sich in einem benachbarten Geschäfts-/Bürogebäude.

Bilder oben: nach mehrjährigen Bauarbeiten wurde im Frühjahr 2024 die neue, 80 Meter breite Freitreppe vor dem Stadt-Palais eröffnet; sie reicht bis an das Niveau der vorbeiführenden „Stadtautobahn“, der Bundesstraße 14, heran und setzt sich in Richtung Erweiterungsbau der Landesbibliothek fort. Auch der Vorplatz mit der Auffahrt wurde neu gestaltet.

Bilder oben: auffälligstes Detail auf dem Platz ist das „Kombibauwerk“, eine Betonsäule mit Vordach: das Architekturbüro Leonhardt, Andrä und Partner hat eine Sichtbetonskulptur aus hellem Beton geschaffen. Das Bauwerk dient einerseits als Lüftungsschacht für die Stadtbahnhaltestelle Charlottenplatz und andererseits Bushaltestelle und Witterungsschutz. Auf den Turmseiten macht das Stadt-Palais Werbung für Ausstellungen.

Bilder oben: Blick in Richtung Charlottenplatz und (zweites Bild) in Richtung Staatsarchiv und Erweiterungsbau der Landesbibliothek.

Bilder oben: Auffahrt zum Gebäude und Portikus.

Bilder oben: immer in den Sommerferien mutiert der Platz vor dem Stadtpalais zum (temporären) Strand; „Stuttgart am Meer“ nennt sich das Sommerfestival, das zur Abkühlung im heißen Stuttgarter Kessel lädt und für Urlaubs-Feeling sorgt.

Bilder oben: das Stuttgarter Architekturbüro LRO (Lederer Ragnarsdóttir Oei) hat das Palais von der Stadtbibliothek zum Stadtmuseum umgebaut; Blick vom Obergeschoss in die Urbanstraße; weitere Bilder: Atrium, Flure, Treppen, Ausstellungsbereich.

Generalbebauungsplan zur Stadterweiterung

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts (1827 / 1832) gab es einen ersten Generalbebauungsplan für eine geplante Erweiterung der Stadt besonders nach Osten und nach Norden mit der Olga-Straße und der Neuen Weinsteige und einer rasterförmigen Anordnung der Straßen. Von den um 1840 entstandenen zwei großen Kasernenanlagen (Rotebühlkaserne und Reiterkaserne) ist erstere als Rotebühlbau bis heute erhalten. 

Königsbau und Schlossplatz

Der Stuttgarter Königsbau an der Königstraße bildet am Nordende des Schlossplatzes ein bauliches Gegenstück zum Neuen Schloss. Der Bau des klassizistischen Gebäudes wurde von König Wilhelm I. beauftragt und von Johann Michael Knapp und Christian Friedrich Leins geplant und zwischen 1856 und 1860 umgesetzt.

Das Gebäude beherbergte Boutiken, ein Café, ein Restaurant sowie Räumlichkeiten für Veranstaltungen, für Konzerte oder Bälle. Die Ladengeschäfte waren (und sind auch heute noch) beidseits einer sich durch das Haus ziehenden glasüberdachten Passage angeordnet, die Veranstaltungsräume befanden sich im Obergeschoss.

Zum Schlossplatz hin beeindruckt die 135 Meter breite Fassade mit einer Kolonnade aus 26 ionischen Säulen und und zwei Risaliten mit korinthischen Säulen und Dreiecksgiebeln im Stil eines antiken Tempels. Die Ost- und Westseite des relativ schmalen Gebäudes endet ebenfalls mit einem Portikus mit ionischen Säulen.

Blick von einer Gondel des Riesenrades (das im Herbst 2021 im Ehrenhof des Schlosses stand) auf den Schlossplatz und den Königsbau.

Bild oben: Springbrunnen auf dem Schlossplatz und Königsbau bei Nacht.

Bilder oben: die „gute Stube“ der Stadt: der Stuttgarter Schlossplatz mit Springbrunnenanlagen.

Im Zweiten Weltkrieg wurde auch dieses Gebäude stark beschädigt: das Gebäude brannte aus und ein Teil der Kolonnade stürzte ein. Beim Wiederaufbau in den Jahren 1958/59 wurde das Äußere des Gebäudes weitgehend wieder hergestellt, im Inneren wurden aber moderne Einbauten vorgenommen.

Seit 2006 schließt sich an der Nordseite des Königsbaus die von Hascher und Jehle errichtete Einkaufs-Mall „Königsbau-Passagen“ an mit einem vierteltonnenförmig sich wölbenden Glasdach, welches den historischen Königsbau in nicht unbedingt vorteilhafter Weise überragt.

 

Zum Bild: Visualisierung des Bauprojektes auf einer Bautafel während der Bauarbeiten. 

Bilder oben: Blick von oben (von einer Gondel des Riesenrades, das im Ehrenhof aufgebaut war) aus Richtung des Neuen Schlosses auf den Schlossplatz und den Königsbau.

Bilder oben: Brunnenanlage auf dem Schlossplatz.

Bilder oben: Blick vom Schlossplatz auf den Königsbau; Flaneure auf der Königsstraße vor der Säulenkolonnade und Blick auf das Gebäude (mit Shopping-Mall „Königsbau-Passagen“) vom Eugensplatz aus.

Bilder oben: Säulenkolonnade an der Gebäudefront und Querpassage im Gebäude.

Bilder oben: Blick auf die Schmalseite des Gebäudes vom Kunstmuseum aus; letztes Bild: Sicht auf den Königsbau durch eine Craquelé-Scheibe des Kunstmuseums.

Bilder oben: ionische Säulen an der Frontseite und den Schmalseiten des Gebäudes.

Bilder oben: die Risalite mit Dreiecksgiebel und korinthischen Säulenkapitellen.

Bild oben: Königsbau; Gesamtansicht vom Schlossplatz aus.

Bild oben: Königsbau mit Säulenkolonnade bei Nacht.

Die Eisenbahn kommt nach Stuttgart

Die Residenzstadt Stuttgart sollte Mitte des 19. Jahrhunderts auch ein Eisenbahnknotenpunkt werden: 1846 wurde an der Schloss-Straße, der heutigen Bolzstraße, ein repräsentatives Bahnhofsgebäude mit einer über fünf große Rundbogenportale erreichbaren Empfangshalle fertiggestellt; hier endete die nördlich des Schlossplatzes geführte Bahntrasse in unmittelbarer Nachbarschaft zum Neuen Schloss und zum Königsbau inmitten des Stadtzentrums. Schon zwanzig Jahre später war eine Erweiterung des Bahnhofs notwendig; der Entwurf für das Bahnhofsgebäude stammte von Karl Etzel; die Empfangshalle, die zwischen 1864 und 1967 erbaut wurde, ging auf Georg Morlok und Adolf Wolff zurück. Beim Schlagen der Schneise in die bestehende Bebauung und nach Inbetriebnahme des Bahnverkehrs wurden bisherige Bürgerhäuser durch Hotels (z. B. das Hotel Marquardt), Banken und Geschäftshäuser ersetzt. Später entstand hier auch das Gebäude der Hauptpost. Durch die beengte Lage im Talkessel und die Ausrichtung als Kopfbahnhof war eine nötige Erweiterung der Bahnanlagen in der Folgezeit äußerst schwierig bzw. unmöglich.

Der Bahnhof blieb bis zur Eröffnung des neuen Bahnhofsgebäudes von Paul Bonatz 1922 in Betrieb. An seiner Stelle wurde später der expressionistische UFA-Palast gebaut, ein Großkino mit 1300 Sitzplätzen; von der 100 Meter breiten Fassade der Empfangshalle blieben dabei drei der fünf Rundbogenportale erhalten. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg 1944 bei einem Bombenangriff stark zerstört. Nach dem Krieg wurde das Gebäude wieder aufgebaut und als Veranstaltungsgebäude und Kino „Metropol“ betrieben.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Stuttgart auch erstmals der Fußgängerverkehr vom Verkehr der Fuhrwerke getrennt, indem leicht erhöhte Trottoirs (Bürgersteige) angelegt wurden mit einem Bordstein zum Schutz der Fußgänger (trotter, frz.: laufen, traben, flanieren).

Bilder oben: an der heutigen Ecke Lautenschlager Straße / Bolzstraße befand sich bis zur Mitte der 1920er Jahre der alte Stuttgarter Bahnhof; nach Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs (1922) wurde an der Stelle der UFA-Filmpalast gebaut; vom Eingangsgebäude des Bahnhofs verblieben noch drei der ursprünglich fünf Rundbogen. Nach dem Krieg wieder aufgebaut war das Haus Veranstaltungsgebäude und Kino unter wechselndem Namen („Metropol“, „Palast-Kino“).

Bilder oben: ein Kinobetreiber hat das seit 2020 leerstehende Gebäude aufwändig saniert und in Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt weitgehend den UFA-Kino-Ursprungszustand von 1926 wieder hergestellt (Wiedereröffnung als „Metropol“-Kino im Oktober 2024).

Beginnende Industrialisierung und Bevölkerungszuwachs

Ab etwa 1850 setzte auch in Württemberg die Industrialisierung ein; mit dem Einzug der Dampfmaschine in die Fabriken und einer zunehmenden Massenproduktion wurden die Verkehrswege zum Antransport der Rohstoffe und dem Abtransport der erzeugten Güter immer wichtiger. Dazu wurden die Wasserstraßen und die Häfen ebenso ausgebaut wie die Straßen und die Schienenwege.

Zur Unterstützung des wirtschaftlichen Wachstums investierte die Stadt auch in das Bildungswesen; 1829 wurde die Gewerbeschule gegründet, die sich 1976 zum Polytechnikum weiterentwickelte und aus der später die Universität hervorging.

Baugesetzgebung – Flächennutzungsplan, Bebauungsplan, Ortsstatut

Verbunden mit diesen Umbrüchen ist ein starkes städtisches Wachstum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: so stieg die Einwohnerzahl zwischen 1800 mit 21 Tausend Menschen über 61 Tausend in 1860 auf 177 Tausend um 1900. Das ist innerhalb eines Jahrhunderts nahezu eine Verzehnfachung.

Damit verbunden war der Bau vieler neuer Wohngebäude, auch mit mehreren (5-6) Stockwerken und eine Bebauung der Talhänge des Stuttgarter Kessels (z. B. Karlshöhe) mit einer Erschließung durch serpentinenartig verlaufende Straßen und umfangreichen Treppenanlagen („Stäffele“) für den Fußgängerverkehr. 1874 gibt es zur Koordinierung erste Flächennutzungs- und Bebauungspläne mit einem Ortsbaustatut (das auch Brandschutzvorschriften beinhaltet), was die starke Bautätigkeit kanalisieren und regulieren sollte. So wurde etwa die maximale Bauhöhe in Beziehung zur Straßenbreite gesetzt und eine Mindestgeschosszahl eingeführt. Auch wurden an die architektonische Qualität und (Fassaden-)Gestaltung von Gebäuden, die an zu „Hauptstraßen“ erklärten Straßen errichtet werden, Mindestanforderungen formuliert. Das hat zu dem noch heute sichtbaren sehr ausgeprägten dekorativen Fassadenschmuck der „Grunderzeit“-Häuser geführt, mit Erkern, Fensterverdachungen, Gesimsen, Konsolen, Friesen, Säulen, Lisenen und Pilastern oder der Bossierung der Erdgeschosse. Die Anordnung der Gebäude im Straßenraster sollte bevorzugt als Blockrandbebauung geschehen mit einem seitlichen Mindestabstand von 2,70 Metern (damit der Spritzenwagen der Feuerwehr durchpasste).

Die Innenhöfe der randbebauten Blöcke wurden oft gewerblich genutzt, was sich zum Teil bis heute erhalten hat und für die hohe urbane Qualität etwa im Stuttgarter Westen sorgt, mit einer gemischten Nutzung für Wohnen, Handel, Gewerbe, Gastronomie und Bildungseinrichtungen.

Bild oben: typische Blockrandbebauung in Stuttgart im Stil der Neogotik/Neorenaissance mit begrünten Innenhöfen und „Küchen-Balkonen“ zum Innenhof hin (Historismus, Stitzenburgstraße). Im Hintergrund das „Schwabenbräu“-Hochhaus am Charlottenplatz und das Neue Schloss (Blick von der Wernhalde).

Stark ausgebaut wurde der nur relativ moderate Höhenunterschiede aufweisende Stuttgarter Westen mit der Johannesstraße als Hauptachse; die alleegesäumte Straße mit besonders aufwändigen Gebäudefassaden endet an der Johanneskirche (Feuerseekirche).

Auch der Süden wurde ausgebaut und an den Hängen errichtete sich allerorten das industrielle Großbürgertum luxuriöse Villen, zum Teil mit eigenem Park: so etwa geschehen bei der Villa Bosch (auf der Gänsheide) und der Villa Gemmingen (auf der Karlshöhe).

Die Bosch-Villa auf der Stuttgarter Gänsheide (1909-1911)

Der Firmengründer Robert Bosch ließ sich auf der Stuttgarter Gänsheide an der Heidehofstraße zwischen 1910 und 1911 von den Architekten Carl Heim und Jacob Früh als Wohnsitz eine Villa errichten. Es entstand ein viergeschossiges Gebäude im Stil der italienischen Neo-Renaissance inmitten eines weitläufigen Parks mit Gewächshäusern und Obstbäumen.

Bilder oben: das historische Eingangsportal am Park mit der Bosch-Villa an der Stuttgarter Heidehofstraße.

Bilder oben: die im Stil der italienischen Neo-Renaissance erbaute Bosch-Villa.

Bilder oben: Baudetail und Gartenanlagen.

Neubau für die Bosch-Stiftung („Haus Heidehof“), 2004

Ab 1983 kam die 1964 gegründete Bosch-Stiftung mit Büroräumen in der Bosch-Villa unter. Da die Räumlichkeiten bald nicht mehr ausreichten, wurde zwischen 2000 und 2004 von Architekt Peter Kulka ein Neubau für die Robert-Bosch-Stiftung im Parkgelände errichtet. Kulka setzte sich bei dem ausgeschriebenen Wettbewerb gegen namhafte Konkurrenten durch: auch Tadao Ando, von Gerkan, Marg und Partner, Kauffmann Theilig & Partner, Richard Meier und Richard Rogers gaben Beiträge ab.

Der Architekt schreibt auf seiner Website zu dem Gebäude das Folgende: „In engem Bezug zur spätklassizistischen Villa des Firmengründers Robert Bosch entstand hundert Jahre später in dessen Obstgarten ein neues Haus für die Weiterbildung der Manager des weltweit tätigen Unternehmens. Zusätzlich wurden für die Stiftung, die in der Villa untergebracht ist, Erweiterungsflächen geschaffen. Eingebettet in die abfallende Topographie des Geländes, gliedert sich der Neubau in drei Ebenen, die um die Haupttreppe als Fixpunkt rotieren. Durch Drehung des Obergeschosses zum Sockel tritt der skulpturale Baukörper mit der Villa und dem Neckartal in einen Dialog. Einem Sandwich vergleichbar, schichten sich die Geschosse im Wechsel Masse – Transparenz – Masse. Die Stiftung befindet sich in der Sockelebene des Neubaus. Die Räume orientieren sich zum Garten und zum Atrium mit dem Wasserbecken. Das darüber liegende «Plateau» dient der Erschließung und Kommunikation. Vom Empfangsbereich aus führt eine in der Achse des Atriums gelegene Treppe in einem sanften Anstieg in die Kopfebene mit den Schulungs- und Konferenzräumen, die über dem Garten zu schweben scheint. (…)“

Bilder oben: das von Peter Kulka entworfene Gebäude für die Bosch-Stiftung.

Bilder oben: im Wasserbecken im Innenhof des Gebäudes spiegelt sich die Bosch-Villa.

Industriegründungen, Aufbau des Personennahverkehrs und Eingemeindungen

Es entstanden auch viele Industriebetriebe in den Sparten Textil/Papierherstellung, in der Elektro- und Kfz-Industrie, im Maschinenbau sowie der Chemie- und Lebensmittelindustrie; die Ansiedlung geschah bevorzugt in der Peripherie, in Münster, Feuerbach, Zuffenhausen, Untertürkheim oder Kornwestheim – in Orten, die ab 1900 zunehmend auch eingemeindet wurden. Um den Verkehr zwischen den Industriestandorten und den Wohnungen der Arbeiter/innen und Angestellten zu bewältigen, wurde der öffentliche Nahverkehr entwickelt: 1889 wurde die Stuttgarter Straßenbahngesellschaft SSB gegründet, ab 1884 verkehrte die erste Pferdebahn, ab 1896 wurde sie elektrifiziert. In diese Zeit fällt auch die Einrichtung der Zahnradbahn („Zacke“) zwischen dem Marienplatz im Kessel und der Höhe in Degerloch. Mit dem Anschluss an das Straßenbahnnetz wurden die Umlandgemeinden auch oft eingemeindet, so etwa Degerloch, Möhringen, Hohenheim, Vaihingen, Wangen usw. Der Stuttgarter Westen wurde durch den Schwabtunnel mit Heslach verbunden. 

Blick von der Grabkapelle auf dem Württemberg ins Neckartal mit Kraftwerken, dem Stadion und den Industrieanlagen von Mercedes Benz in Untertürkheim.

Das Bosch-Areal, 1913, 2001

Die Ursprünge des heutigen Bosch-Konzerns liegen im Stuttgarter Westen: 1886 gründete Robert Bosch in der Rotebühlstraße 75B seine „Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik“. Der große technologische und wirtschaftliche Wurf gelang ihm mit der Erfindung des Magnetzünders, einer Anordnung aus einem Unterbrecher, einer Batterie und einer Zündspule, welche im Benzinmotor den Zündfunken zum Zünden des Treibstoff-Luft-Gemisches bereitstellt.

Rasch wuchs seine Firma und neue Produktionsstätten wurden ab 1901 in einem Areal zwischen Breitscheidstraße, Seidenstraße und Forststraße errichtet und zwar in Eisenbeton-Bauweise, ein Novum für Stuttgart der damaligen Zeit.

Einige der zwischen 1909 und 1913 so errichteten Fabrikationsgebäude wurden im 2. Weltkrieg beschädigt oder gar zerstört und nach dem Krieg zum Teil in vereinfachter Form wieder aufgebaut. Bis 1964 wurden die Gebäude von der Firma Bosch genutzt, dann gingen sie durch Kauf in Landesbesitz über. Hier wurden bis 1994 verschiedene Behörden und Einrichtungen der Stuttgarter Universität untergebracht, auch das Regierungspräsidium Stuttgart war hier angesiedelt.

Nach einigen Jahren des Leerstandes wurde eine Konzeption zur Umnutzung, Erweiterung und zum Umbau der Gebäulichkeiten erarbeitet, unter weitgehendem Erhalt des Gebäudebestandes. Planende Architekten waren Prof. Ostertag + Vornholt; die Bauarbeiten dauerten von 1998 bis 2001.

Bereits 1990 wurde das komplette Gebäudeensemble unter Denkmalschutz gestellt.

 

Bild oben: Teile der Fassade sind mit glasierten Klinkersteinen belegt.

Eröffnung des neuen, multifunktional genutzten Gebäudekomplexes war im Juli 2001; jetzt gab es hier Wohnungen, Gewerbebetriebe, Gastronomie, ein Fitnessstudio und auch das Stuttgarter Literaturhaus (mit Buchladen) bekam hier ein Domizil. Im Untergeschoss sind mehrere Supermärkte/Lebensmitteldiscounter untergekommen. Am Rand der Fläche hat sich ein Großkino angesiedelt.

Das von Prof. Ostertag + Vornholt neu errichtete westliche Eckgebäude des Bosch-Areals kann als bauliches Zitat von Erich Mendelsohns Kaufhaus Schocken aus den 1920er Jahren betrachtet werden, welches in den 1960ern trotz großen Widerstandes in der interessierten Öffentlichkeit und in Architektenkreisen abgerissen wurde.

Bild oben: Blick von der Liederhalle (rechts im Bild) auf das Bosch-Areal.

Bilder oben: das Bosch-Areal am Berliner Platz; das westliche Eckgebäude schließt zur Seidenstraße hin mit einem gläsernen Treppenturm. An der Ostseite des Areals wurde ein CinemaxX-Kino neu errichtet.

Bilder oben: Gebäudedetails; zum Teil tragen die Fassaden Art Déco-Ornamente.

Bilder oben: Blick vom Berliner Platz auf das Bosch-Areal; letztes Bild: Klinker-Fassadean einem Bestandsgebäude.

Bild oben: der verglaste, runde Treppenturm an der Westecke des Bosch-Areals.

Bilder oben: das Eckgebäude wurde vom Büro von Prof. Ostertag + Vornholt dem ehemaligen Kaufhaus Schocken von Erich Mendelsohn nachempfunden, welches in den 1920er Jahren in Stuttgart entstand und in den 1960ern abgerissen wurde.

Bilder oben: Blick vom Treppenturm auf den Berliner Platz und die Liederhalle.

Der weitläufige Hof zwischen den Gebäuden wurde mit einer netzartigen Glasdachkonstruktion überspannt, die das Stuttgarter Büro von Schlaich Bergermann Partner (sbp) entworfen und realisiert hatte.

In dem Buch „Architekturführer Stuttgart“ von Uta Lambrette und Birgit Schmolke (DOM publishers, Berlin, 2019) kann man zum Bosch-Areal das Folgende lesen:“ Die einstige Werkstatt für Feinmechanik und Elektrotechnik, der Ursprung der Firma Bosch, wurde 1901 an diesem Ort in der Stuttgarter Innenstadt gegründet. Im Jahr 2001 war nach dreijähriger Bauzeit die Umwandlung des ehemaligen Verwaltungsgebäudes unter Erhaltung des Bestandes in ein modernes, urbanes Zentrum abgeschlossen. Das Areal soll in seinen Details bewusst auch heute noch an die ehemalige Industrienutzung erinnern, vereint aber mittlerweile Restaurants, Bars, Clubs, ein Fitnessstudio sowie Einkaufsmöglichkeiten und ein Kino auf dem Grundstück.

Ein vom Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich Bergermann Partner geplantes Glasdach verbindet diese Vielfältigkeit unter sich und schafft so einen dauerhaft nutzbaren Außenraum. (…)“

Und auf der Website des Büros Schlaich Bergermann Partner (sbp) steht zu der Dachkonstruktion das Folgende: „Die Innenhöfe des Bosch-Areals sind mit einem transparenten, filigranen Glasdach fließender Form vor Regen, Wind, Kälte und Hitze geschützt.
Für die Netztragwerke reichen Stahlprofile mit einem Querschnitt von nur 40 x 60 mm aus, um Spannweiten bis zu 26 m zu überbrücken. Die nötige Steifigkeit in der Fläche wird mit hochfesten, vorgespannten, nur 8 mm starken Doppelseilen erreicht, welche die verglasten Vierecksmaschen mit Seitenlängen von 1,25 m auskreuzen. Die im Grundriss schiefen und trapezförmigen Innenhöfe wurden mit einer Länge von ca. 71 m in Ost-West-Richtung und etwa 60 m in Nord-Süd-Richtung tonnenförmig überdacht.“

Bild oben: Blick vom überdachten Innenhof im Bosch-Areal zum benachbarnten CinemaxX-Kino.

Bilder oben: das netzartige Glasdach über weiten Teilen des Innenhofes stammt vom Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich Bergermann Partner (sbp).

Der Stuttgarter Schwabtunnel – erster Straßentunnel Deutschlands, 1896

Am Nordportal des Schwabtunnels prangt in Stein gemeißelt die Jahreszahl seiner Fertigstellung: 1896. Der 125 Meter lange, über 10 Meter breite und fast 7 Meter hohe Tunnel (zu den Enden hin weitet sich die Röhre auf, was auch den Blick optisch weitet) wurde in etwa dreijähriger Bauzeit zwischen dem Stuttgarter Westen und dem Stadtteil Heslach (damals: Karlsvorstandt) fertiggestellt; er durchsticht den die Stadtteile trennenden Hasenberg. Nach den Plänen des damaligen Stadtbaurats Karl Kölle war die Tunnelbreite für die Aufnahme des Fuß-, Fahrrad- und Fuhrwerkverkehrs dimensioniert; auch eine Straßenbahnspur (später sogar zwei im Gegenverkehr) führte durch das neue Verkehrsbauwerk. Benannt wurde der Tunnel nach dem Dichter Gustav Schwab, der sich um die Sammlung der „Sagen des klassischen Altertums“ verdient gemacht hat.

Die Tunnelportale am Süd- und Nordende wurden vom Bildhauer Theodor Bausch unter Verwendung verschiedenfarbiger Natursteine gestaltet. Dabei blicken auf Heslacher Seite vom Scheitelpunkt der Röhre zwei allegorische Figuren auf den Stadtteil hinunter: eine Handwerkerfigur und eine Muse; in manchen Beschreibungen wird auch von einer Stuttgardia-Figur gesprochen. An den Tunnelausgängen kann man über eine Treppeanlage von der einen zur anderen Straßenseite gelangen.

Bei Abschluss der Bauarbeiten war der Schwabtunnel der erste derartige Straßentunnel in Deutschland. gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die beiden Portale verschlossen und die Röhre als Luftschutzraum genutzt. Erst 1946 wurde der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt und der Tunnel wieder für den Verkehr geöffnet. Bis 1972 verkehrte die Straßenbahn durch den Tunnel; danach wurde das Bauwerk vor allem den Autoverkehr überlassen; auch eine Buslinie führt durch die Röhre.

Bilder oben: die Tunnelröhre, Ausblick nach Norden und nach Süden und Treppenanlagen an den beiden Tunnelenden.

Bilder oben: die Tunnelportale sind in Granit, gelbem Sandstein und rotem Buntsandstein gestaltet; ein Löwenkopf befindet sich jeweils am Abschlussstein des Bogens und auf Heslacher Seite hat Bildhauer Theodor Bausch eine allegorische Figurengruppe angebracht.

Arbeiter- und Werkssiedlungen, Sozialer Wohnungsbau durch die Stadt

Die vielen Arbeiter/innen der neuen Industriebetriebe benötigten auch Wohnraum; in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden für sie auch eigene Arbeiter- bzw. Werkssiedlungen, so etwa das „Postdörfle“ an der Heilbronner Straße. Diese Siedlung wurde zwischen 1868 und 1872 von Georg Morlok in steiler Hanglage an der Bahnhofstraße (heute: Heilbronner Straße) für Bedienstete von Post und Bahn erbaut: es entstanden etwa 200 Wohnungen und zwei größere Gebäude entlang der Heilbronner Straße, in denen Gemeinschaftseinrichtungen untergebracht waren: eine Wasch- und Badeanstalt, ein Laden sowie eine Kantine. Im Zweiten Weltkrieg wurde die dem Bahnhof benachbarte Siedlung fast vollständig zerstört, nur Teile der Gebäude mit den Gemeinschaftseinrichtungen blieben erhalten. Die Siedlung wurde nach dem Krieg in vereinfachter Form wieder aufgebaut, etliche Gebäude in neuerer Zeit durch moderne Wohngebäude ersetzt.

Zu den Bildern: Umbauarbeiten an den Gemeinschaftsgebäudes des „Postdörfle“ (2006/07).

Die Gemeinschaftsgebäude wurden in den Jahren zwischen 2004 und 2008 von Harald Schreiber und Christoph Mäckler zu einem Hotel umgebaut. Dabei blieb die Neorenaissance-Fassade zur Heilbronner Straße hin erhalten und wurde um die Giebel ergänzt. Zwischen den beiden Gebäuden befand sich ursprünglich eine Treppe zum Erschließungsweg der Siedlung. Diese Lücke wurde beim Umbau durch einen dreigiebligen Mittelbau geschlossen, welcher nun den Hoteleingangsbereich aufnimmt.

Bilder oben: die beiden Gebäude, welche ursprünglich Gemeinschaftseinrichtungen für die Post- und Eisenbahnersiedlung aufnahmen, wurde zum Hotel umgebaut.

Bilder oben: der frühere Aufgang zur Erschließungsstraße für das Postdörfle wurde beim Umbau zum Hotel als Standort für einen Verbindungsbau genutzt, der den Eingangsbereich aufnimmt.

Weitere „Arbeitersiedlungen“ 

Neu gegründete Vereine zum „Wohl der arbeitenden Klasse“ machten sich die Errichtung von Arbeitersiedlungen, oft mit standardisierten Typenhäusern und Nutzgärten im Blockinnenbereich, zur Aufgabe. Beispiele für solche Ansiedlungen sind die Wohnkolonie Ostheim (ab 1891) mit der Siedlung Ostenau um den zentralen Luisenplatz im Stuttgarter Osten, die Siedlung Westheim bei Botnang oder die Siedlung Südheim in Heslach.

1913 gründeten Daimler-Arbeiter die Gartenstadt Luginsland mit kleinen Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern um einen zentralen Platz – eine naturnahe und dörflich strukturierte Alternative zur städtisch dichten Wohnform. Andererseits wurde durch die Ausweitung und Verdichtung der städtischen Bebauung die Landwirtschaft zunehmend aus der Stadt verdrängt.

„Arbeitersiedlungen“ am Beispiel der Siedlung Ostheim und der Kolonie Ostenau, 1891-1903

Die äußerst dynamisch verlaufende Industrialisierung im 19. Jahrhundert führte auch in Stuttgart und dem mittleren Neckarraum zu einem starken Anwachsen der Bevölkerung; so wuchs die Stadt zwischen 1870 und 1905 von 90 Tausend auf 250 Tausend Einwohner. Das bedeutete auch einen hohen Bedarf an neuem und bezahlbarem Wohnraum. Der von Bankier und Sozialreformer Hofrat Eduard Pfeiffer 1866 gegründete „Verein für das Wohl der arbeitenden Klasse“ (heute „Bau- und Wohnungsverein“) versuchte genau hier Abhilfe zu schaffen. Der Verein sah es als seine Aufgabe an, für die Arbeiter erschwinglichen gesunden Wohnraum mit „viel Licht und Luft“ zu schaffen. Ein entsprechendes Projekt wurde mit dem als „Ostheim“ bezeichneten Stadtteil umgesetzt.

Auf der Website des Museumsvereins Stuttgart-Ost kann man zu der Entwicklung das Folgende lesen: „Nach einem Aufruf waren bald die erforderlichen Gelder gezeichnet, und so erwarb der Verein ein passendes Gelände an der östlichen Grenze des Stadtdirektionsbezirkes zwischen Berg und Gablenberg. Es sollten Häuser für zwei bis drei Familien entstehen mit einem Gartenanteil. Um Eintönigkeit zu vermeiden, sollte jedes Haus ein etwas anderes Aussehen haben. Die Achse der Siedlung bildete die Neuffenstraße, den Mittelpunkt der Teckplatz (jetzt Eduard-Pfeiffer-Platz). Diesen Bebauungsplan entwarf Regierungsbaumeister Friedrich Gebhardt, die einzelnen Häuser planten die Architekten Karl Heim und Karl Hengerer. Lange vor der Fertigstellung waren die Wohnungen bereits vergeben.“

Die Baumaßnahmen begannen 1891 und bereits ein Jahr später konnte das erste Haus bewohnt werden; 1903 wurden die Arbeiten insgesamt beendet. Die Architekten Heim und Hengerer bauten insgesamt 380 Häuser mit zusammen fast 1300 Wohnungen. Die Wohnungen wurden von Arbeitern, aber auch von Handwerkern, Beamte und Angestellten bezogen.

Bei Wikipedia kann man unter dem Eintrag Ostheim (Stuttgart) zu der Gestaltung der Wohngebäude das Folgende lesen:

„Heim und Hengerer entwarfen auf der Basis von nur vier Grundtypen zwei- bis dreigeschossige Einzel- und Doppelhäuser aus Backstein, die mit Naturstein oder Fachwerk verziert sind. Um die Siedlung möglichst abwechslungsreich zu gestalten, bekam jedes Haus durch unterschiedliche Dachformen sowie durch Türmchen, Erker und Balkone ein anderes Aussehen. Die Gebäude waren ursprünglich für jeweils zwei bis drei Familien geplant und hatten im hinteren Bereich einen Gartenanteil. In einigen Straßen gibt es auch kleine Vorgärten.“

Zur Infrastruktur der neuen Wohnsiedlung kann man auf der Website des Museumsvereins (s.o.) das Folgende lesen: „Für die Bedürfnisse der Einwohnerschaft und der zahlreichen Ausflügler aus Stuttgart eröffneten drei Gaststätten: der „Rechberg“ mit Biergarten, die „Teck“ und die „Ostheimer Bierhalle“ (…) mit Biergarten und Kegelbahn.

Handwerker ließen sich zwischen Ostend- und Achalmstraße nieder, wo, um den Lärm von der eigentlichen Siedlung fernzuhalten, in den Hinterhöfen Werkstätten entstanden. Am Ostendplatz eröffnete eine Drogerie, die bald einer Apotheke wich. Der Teckplatz mit dem „Jünglingsbrunnen“ (1913, Karl Donndorf) blieb zunächst der Mittelpunkt der Kolonie mit einem Wochenmarkt (…), dem Verwaltungssitz des Vereins, einer Poststelle, einem Polizeiposten und dem Ladengeschäft des Konsumvereins.“ (…)

Bilder oben: Gebäudevielfalt in der Siedlung Ostheim.

Bilder oben: die Gebäude unterscheiden sich alle in Details: in den Dachgauben, der Gestaltung von Balkonen und Fassaden. 

Bilder oben: Eckgebäude weise in der Regel nicht nur ein Stockwerk mehr auf als die Gebäude in den Zeilen, sondern beherbergen im Erdgeschoss oft auch ein Ladengeschäft oder einen Dienstleistungsbetrieb.

Bilder oben: an der Einmündung von Landhausstraße und Rotenbergstraße befindet sich diese herrschaftliche Gebäude auf dreieckigem Grundriss mit zwei Erkern.

Bilder oben: an der Schnittstelle Teckstraße/Neuffenstraße befindet sich der Jünglingsbrunnen von Bildhauer R. W. Schönfeld.

Bilder oben: die Allee-bestandene Rotenwaldstraße und Blick auf den Turm der Lukaskirche in Ostheim.

Zwischen 1897 und 1899 wurde auch eine Kirche für den neuen Stadtteil erbaut, die Lukaskirche, sowie eine Grundschule.

Zur weiteren städtebaulichen Entwicklung kann man auf der Website des Museumsvereins (s.o.) das Folgende lesen: „Die günstige Lage der neuen Siedlung erkannten auch private Investoren, und schon 1895 begann der Bau von Mietshäusern am Ostendplatz, in der Florian-, Stuifen- und Roßbergstraße. Als dann 1901 Gaisburg der Stadt Stuttgart beigetreten war, konnte die Kolonie bis zur Alfredstraße erweitert und die Landhausstraße bis zur Talstraße in die Bebauung einbezogen werden.“

Zum Bild: die im Stil der Neogotik erbaute Lukaskirche. Mit der großem Freitreppe vom dem Eingangsportal ist sie auch Treffpunkt im Quartier.

Die Kolonie Ostenau, 1914

(Fortsetzung Zitat:) „Als erste größere, geschlossene Siedlung errichtete der Verein 1911-13 die Siedlung „Ostenau“ im Dreieck Lehmgruben-, Abelsberg- und Landhausstraße. Hier sollten etwa 250 mittlere Beamte und Angestellte mit ihren Familien einziehen.“ (…)

Zur dieser Kolonie Ostenau kann man bei Wikipedia unter dem Eintrag Ostheim (Stuttgart) im Abschnitt „Kolonie Ostenau 1911-1914“ das Folgende lesen:

„Acht Jahre nach der Fertigstellung der Arbeitersiedlung Kolonie Ostheim begann der Stuttgarter „Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen“ mit dem Bau einer weiteren Wohnsiedlung. Diese Kolonie Ostenau entstand von 1911 bis 1914 am östlichen Ende der Kolonie Ostheim – sie war aber ausschließlich Angehörigen des Mittelstandes wie Angestellten, Beamten und Lehrern vorbehalten. Entsprechend wurde Ostenau von den Architekten Karl Hengerer und Julius Rieth noch aufwändiger gestaltet als ihre Schwestersiedlung Ostheim. Es entstanden bürgerlich-repräsentative Häuserzeilen mit insgesamt 261 Wohnungen, die Fassaden und Dächer wurden im Stil der Barockzeit gestaltet. Inmitten der Siedlung wurde, anders als die Gartenparzellen in Ostheim, ein großer mit Bäumen umstandene Gemeinschaftshof geschaffen – der Luisenplatz.

Die Kolonie Ostenau wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und Anfang der 1950er Jahre in veränderter Form und mit dichterer Bebauung wieder aufgebaut.“

Bild oben: Informationstafel an einem der Gebäude der Kolonie Ostenau.

Bilder oben: der zentrale Luisenhof in der Kolonie Ostenau.

Bild oben: im Bus der Stuttgarter Verkehrsbetriebe spiegelt sich das Eingangsgebäude zur Kolonie Ostenau.

Bilder oben: der Stadtteil ist über Buslinien und die Stadtbahn gut an den Öffentlichen Personennahverkehr angebunden.

Bilder oben: durch eine einheitliche Gestaltung der Fassaden, etwa die Rustizierung der Erdgeschosse, wird der Eindruck einer geschlossenen Siedlung erweckt.

Bilder oben: in der Kolonie Ostenau gibt es viele (zum Teil begrünte) Innenhöfe und Quartiersplätze.

Für die Bewohner des neuen Stadtteils war natürlich auch die Verkehrsanbindung an die Innenstadt ein wichtiger Aspekt; bereits 1901 wurde ihren Wünschen folgend eine elektrische Straßenbahnlinie in Betrieb genommen.

Im Zweiten Weltkrieg entstanden auch in Ostheim durch Bombardements Gebäudeschäden, so brannte etwa die Lukaskirche aus. Insgesamt kam der Stadtteil aber glimpflich davon und die Schäden wurden nach Kriegsende rasch wieder behoben. Nach der neuen Bezirksverfassung der Stadt Stuttgart von 1957 bildeten die Bereiche Berg, Gablenberg und Gaisburg zusammen mit Ostheim den Stadtteil Stuttgart-Ost.

Über die städtebauliche Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg kann man auf der Website des Museumsvereins (s.o.) das Folgende lesen: „Seine offene Stimmung, aber auch die Lage Ostheims mitten im Stadtbezirk und eine hervorragende Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, vor allem aber das Angebot an freien Flächen führten dazu, dass sich hier immer mehr Funktionen für den Gesamtstadtbezirk ansiedelten, zunächst etwa das Leo-Vetter-Bad (1962), die Turn- und Versammlungshalle sowie die Stadtteilbücherei Ost (heute Eduard-Pfeiffer-Bücherei, beide 1964). In ehemaligen Straßenbahngebäuden kamen 1973 die AWO-„Begegnungsstätte“ für ältere Menschen und das Jugendhaus Ostend hinzu. 1991 wurde die Polizeiwache nach Ostheim verlegt. Ab 1981 entstand das „Ostendzentrum“, dessen (vorläufigen) Abschluss das Ost-Rathaus (offiziell: Bürgerservicezentrum) bildet. Zahlreiche Kultureinrichtungen tummeln sich hier, etwa die Kleinkunstbühne „Laboratorium“ (seit 1972), Dein Theater (1984), das Puppentheater Tredeschin (1995), das Kulturwerk (1996) oder das Theater LaLune.“

Industrieansiedlungen in Ostenau

Zwischen 1900 und dem Beginn des ersten Weltkriegs siedelten sich am Rande der Wohnbebauung auch verschiedene Industriebetriebe an, u.a. auch die „Waldorf-Astoria-Cigarettenfabrik“. Für die Kinder seiner Arbeiter gründete deren Direktor Emil Molt an der Haußmannstraße eine Schule, deren Leitung er dem Anthroposophen Rudolf Steiner übertrug. So entstand in Stuttgart die allererste Waldorf-Schule.

Einige Gebäude dieser damals gegründeten Industriebetriebe haben die Zeiten und den Zweiten Weltkrieg überdauert, werden heute aber anderweitig genutzt, etwa für Wohnungen, für Agenturen, ein Hotel oder als Niederlassung eines Lebensmittel-Discounters. Dazu gehören die Gebäude Haußmannstraße 101 und 103. Über sie konnte man in den „Stuttgarter Nachrichten“ (vom 10. 8. 2016 „In alten Fabriken geht es heute kreativ zu“) das Folgende lesen:

„Die Haußmannstraße 101 ist eines dieser Häuser. Isco wurde im Jahr 1896 gegründet, 1906 wurde das von dem Architekten Philipp Jakob Manz entworfene Gebäude bezogen. Dort wurde Wäsche produziert. Doch die Besitzer waren Juden und gerieten in der Nazizeit unter Druck. Weit unter Wert musste man die Firma an das Familienunternehmen Ammann verkaufen. In der Kriegsproduktion wurden unter anderem Fallschirme hergestellt. Nach Kriegsende gaben die Ammanns das Unternehmen an die Erben der ursprünglichen Besitzer zurück und erwarben es erneut zu einem fairen Preis. Die Produktion lief dort bis etwa 1980 weiter.“

Und:

„Nur wenige Schritte entfernt in der Haußmannstraße 103 findet sich die ehemalige Spachtelgardinenfabrik L. Joseph & Co, die 1904 in das ebenfalls von Manz stammende Gebäude einzog. 1931 ging die Firma Konkurs, die hübschen Gardinen wurden in Krisenzeiten nicht mehr nachgefragt. Von 1931 an kam es zu einer Zwischennutzungen durch die Kühlerfabrik Längerer & Reich, bis 1962.“

Bild oben: in dem roten Backsteingebäude Haußmannstraße 101 wurde bis 1980 produziert; auch das helle Gebäude Haußmannstraße 103 beherbergte ursprünglich einen Industriebetrieb.

Das „Haus der Wirtschaft“, ehemals Landesgewerbemuseum

Das Gebäude für das Königlich Württembergische Landesgewerbemuseum wurde zwischen 1890 und 1896 nach den Plänen des dänischen Architekten Skjøld Neckelman errichtet, der einen 1887 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb für sich entschieden hatte. Ausgestellt wurden vor allem Industrieprodukte aus dem Aus- und dem Inland, die als Muster durch ihr Vorbild zur Förderung der Wirtschaft beitragen sollten. Im Haus war dann auch eine große Bibliothek untergebracht. Neckelman entwarf das prunkvolle Gebäude auf 5-eckigem Grundriss im Stil der italienischen Spätrenaissance mit Formen des französischen Barock; an vier der fünf Ecken platzierte er kreisrunde Pavillons, die von einer Kuppel bekrönt waren.

Das Gebäude war ein Eisenbeton-Bau mit einer eisernen Dachkonstruktion und einer Fassade aus Sandstein. Nach Fertigstellung war das Gebäude das zweitgrößte nach dem Neuen Schloss; es verfügte außer über die Ausstellungssäle auch über Säle, in denen größere Versammlungen abgehalten werden konnten.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus stark beschädigt und in den unmittelbaren Nachkriegsjahren provisorisch wieder instandgesetzt; hier zog das Wirtschaftsministerium ein, bevor dieses 1957 in den Neubau an der Theodor-Heuss-Straße umziehen konnte. Auch das Landesgewerbeamt hatte im Haus seinen Sitz, die Museumsfunktion wurde 1968 aufgegeben.

Um im Haus für das Ministerium geeignete Büroräume zu schaffen, wurde die ursprüngliche Innenraumaufteilung völlig geändert. 1985 beschloss die Landesregierung, das Gebäude zu einem „Haus der Wirtschaft“ für die überregionale Wirtschaftsförderung umzubauen. Der Umbau erfolgte 1986-1990 unter der Leitung der Landesentwicklungsgesellschaft Baden-Württemberg und dem Stuttgarter Architektenteam Fahr, Henning und Röper.

Ihre Leistung beim Umbau wird als „sinnvolle Verbindung von Tradition und Moderne“ gewürdigt. („Geschichte Haus der Wirtschaft“ im Netz unter Publikationen bei www.baden-wuerttemberg.de)

Jetziger Haupteingang des Gebäudes.

Zur Funktion des „Hauses der Wirtschafts“ kann man auf der Website www.hausderwirtschaft.de das Folgende lesen: „Als Scahufenster für die Wirtschaft, Forum für innovative Firmen und ausländische Wirtschaftspartner stellt das Haus der Wirtschaft Flächen und Veranstaltungsräume zur Verfügung, die Möglichkeiten für Ausstellungen, Kongresse und Tagungen bieten.“ 

Bilder oben: das Haus der Wirtschaft nimmt einen ganzen Block ein.

Bilder oben: das Gebäude trägt üppigen Fassadenschmuck: Doppelsäulen, Pilaster, Bauskulpturen, fein ausgearbeitete Friese, Akroterien auf den Dreiecksgiebeln…

Bilder oben: das nächtlich beleuchtete Gebäude.

Bilder oben: Eingangsbereich des Gebäudes, überdachter Innenhof mit Aufzug, Atrium.

Die Stuttgarter Markthalle

Anstelle der heutigen Markthalle befand sich bereits 1450 ein Gebäude, in dessen Erdgeschoss Läden untergebracht waren („Herrenhaus“); 1864 ließ König Wilhelm I. als Ersatz für das abgerissene Herrenhaus eine Halle nach Vorbild von „Les Halles“ in Paris errichten, ebenfalls eine Eisenkonstruktion mit Glasdach, die aber bald von ihren Kapazitäten her den gewachsenen Anforderungen nicht mehr genügte.

Für den Bau einer neuen Markthalle wurde 1910 ein Wettbewerb ausgeschrieben, den Martin Elsässer gewann. Sein Gebäude ist eine Mischung aus modernen Elementen im Inneren (Eisenbetonbinder stützen das weite Dach) und historisierenden sowie Jugendstil-Elementen außen: Erkertürme, ein Rundturm, ein Arkadengang mit Spitzbogen und Wandmalereien, Reliefs und Skulpturen  prägen das äußere Erscheinungsbild des mächtigen Bauwerkes.

Die zentrale Halle ist über 50 Meter lang, 23 Meter breit und 18 Meter hoch; mit den Spitzbogenarkaden an den beiden Längsseiten entsteht ein dreischiffiger Raum, der über ein Glasdach üppig Tageslicht erhält. Nach 4-jähriger Bauzeit ging die Halle 1914 in Betrieb.

Im Zweiten Weltkrieg wurde auch die Markthalle bei Bombenangriffen beschädigt; das Glasdach wurde bereits 1946 wieder geschlossen, die Halle insgesamt bis 1953 wieder hergestellt.

Zu Beginn der 1970er Jahre war ein Abriss der Halle im Gespräch, weil die Betriebskosten für die Kühlanlagen die Rentabilität der Einrichtung in Frage stellten. Den Anstrengungen des Landesdenkmalamtes ist es zu verdanken, dass die Halle wegen ihrer künstlerischen und technischen Qualitäten als „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“ eingestuft wurde und es nicht zu einer Beseitigung des Bauwerkes kam.

Informationstafel in der Markthalle mit den wichtigsten Daten zur Baugeschichte.

Das seit 1972 denkmalgeschützte Gebäude wurde Mitte der 1990er Jahre umfassend renoviert und auch das erste Obergeschoss für den Verkauf hergerichtet; weitere Reparaturen und Verbesserungen gab es 2003/04, 2009 und 2011. Heute ist die Markthalle ein kulinarischer Mittelpunkt, sie verströmt mit ihrer lichtdurchfluteten Halle südländisches Flair und stellt einen Toristenmagnet dar.

Bilder oben: Blick vom Sporerplatz auf die Südwestseite der Markthalle; im Hintergrund die Türme der Stiftskirche; aus einigem Abstand ist auch das ausgedehnte Glasdach des Gebäudes gut sichtbar.

Bilder oben: die Nordostseite des Gebäudes, Blick vom Stauffenbergplatz und der Dorotheenstraße aus; in direkter Nachbarschaft zur Markthalle befindet sich das Geschäftshaus „König von England“; dahinter ragen die Türme der Stiftskirche auf. Die Fassadengemälde stammen von F.H. Gref und W. Nida-Rümelin; dargestellt sind Motive, die sich mit dem Merktverkehr befassen, so etwa Bäuerinnen mit Körben, die Waren transportieren. Die Fassadengemälde wurden zum 100-sten Jahrtag der Fertigstellung der Markthalle in den Jahren 2014-16 umfassend restauriert.

Bilder oben: Gebäudedetails: der Arkadengang an der nordöstlichen Längsseite der Halle, Eingangsportal zur Halle und Eisenbetonbinder des Deckentragwerks.

Bilder oben: das Deckentragwerk und das Glasdach über der Halle.

Bilder oben: über 20 Stände mit allerlei kulinarischen Spezialitäten bieten den Besuchern/innen ein Erlebnis für Auge und Nase.

Die Börse Stuttgart im Carl-Eugen-Bau (1916)

Die Börse als Institution gibt es in Stuttgart seit 1861, als der „Stuttgarter Börsenverein“ gegründet wurde. In ihrer über 160-jährigen Geschichte zog die Börse mehrmals in andere Gebäude um; zwischen 1991 und 2002 war sie etwa im Stuttgarter Königsbau am Schlossplatz untergebracht.

Dann fand sie ihre jetzige Bleibe im Carl-Eugen-Bau in der Nähe des Hauses der Wirtschaft. Der Carl-Eugen-Bau wurde ursprünglich 1916 als Sitz der Dresdner Bak errichtet. In den Jahren 2000 bis 2002 wurden das historische Gebäude dann zusammen mit dem Nachbargebäude vom Büro ZSP Architekten Scheffler, Vorbeck & Partner zunächst vollständig entkernt und umgebaut, sowie um einen hauptsächlich aus Stahl und Glas bestehenden Neubau erweitert und aufgestockt.

In Gebäudemitte ist ein sechsgeschossiges Atrium mit Glasdach entstanden; in dessen Erdgeschoss ist der Börsensaal untergebracht, der durch ein Spiegelsystem Tageslicht bekommt.

Zum Bild: das Büro ZSP Architekten Scheffler, Vorbeck & Partner hat den historischen Baukörper um moderne An- und Aufbauten erweitert.

Bilder oben: der Carl-Eugen-Bau, in dem die Börse Stuttgart untergebracht ist (Ecke Börsenstraße / Huberstraße).

Bilder oben: Baudetails des historischen Gebäudes und der modernen Aufstockung mit der weit auskragenden Dachkonstruktion.

Bilder oben: Ansicht des Gebäudes an der Börsenstraße.

Bilder oben: der Carl-Eugen-Bau spiegelt sich in der Fassade des gegenüberliegenden Bankgebäudes.

Bilder oben: das Börsengebäude bei nächtlicher Beleuchtung.

Stuttgart Anfang des 20. Jahrhunderts

Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert gab es erste Maßnahmen zur Sanierung der dicht bebauten Stuttgarter Altstadt; dabei wurden alte Gebäude abgerissen und durch Neubauten an verbreiterten Straßen ersetzt. Wohngebäude in der Innenstadt wichen zunehmend auch den Funktionsgebäuden einer Großstadt, so beim Bau des Rathauses oder der Kaufhäuser Breuninger und Tietz. Im Kulturbereich entstanden die Oper in den Unteren Anlagen und das Schauspielhaus an der Kleinen Königsstraße neu, ebenso das Gebäude für die Kunstgewerbeschule am Weißenhof und das Kunstgebäude am Schlossplatz (heute: Kunstverein).

Auch die Verlagerung des Bahnhofs in der Regentschaft von König Wilhelm II. vom bisherigen Standort neben dem Königsbau zum heutigen Platz fällt in diese Zeit. Den Architekturwettbewerb gewannen Paul Bonatz und Friedrich Eugen Scholer; Baubeginn war 1914; 1922 wurde der alte Bahnhof stillgelegt und der neue in Betrieb genommen. Die Bauarbeiten am neuen Gebäude wurden aber erst 1928 abgeschlossen.

Blick in die Große Schalterhalle des Stuttgarter Hauptbahnhofs (Zugang von der Klettpassage aus / Zustand 2007); die Inschrift lautet: "Unter Wilhelm II. erbaut während des Krieges in den Jahre 1914-1917

Der (neue) Stuttgarter Hauptbahnhof

Der Stuttgarter Hauptbahnhof sollte den alten Bahnhof an der jetzigen Bolzstraße (neben dem Königsbau) ersetzen, weil an dessen Standort keine Erweiterung möglich war.

Die Entscheidung für die Verlegung des Bahnhofs wurde von König Wilhelm II. getroffen; aufgrund der geografischen / topografischen Gegebenheiten im Stuttgarter „Kessel“ kam für die Planer erneut nur ein Kopfbahnhof in Frage, dessen Hauptfront sich zur Innenstadt hin öffnen sollte. Beim 1910 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb für das Bahnhofsgebäude gingen 70 Entwürfe ein; das Rennen machte der Vorschlag von Bonatz & Scholer. Das Bauwerk sollte in zwei Abschnitten realisiert werden, wobei der erste schon einen funktionsfähigen Bahnhof umfassen sollte. Im Ausschreibungstext wurde eine asymmetrische Anlage gefordert: „Es ergibt sich eine zu der Gleishalle unsymmetrische Anlage des Empfangsgebäudes, mit der auch der Bebauungsplan des Vorlandes übereinstimmt“ (Zitat aus dem Ausstellungskatalog „Paul Bonatz 1877-1956“, Hrsg. Wolfgang Voigt, Roland May; Deutsches Architektur Museum / Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen 2011; Wasmuth Verlag).

Stuttgarter Hauptbahnhof (Zustand 2011); im Hintergrund das Gebäude der Bahndirektion, rechts das der Landesbank Baden-Württemberg.

Bis zum tatsächlichen Baubeginn 1914 wurde der Ursprungsentwurf noch mehrfach stark überarbeitet; die von Bonatz im Ausgangsentwurf vorgesehenen Formen der Baukörper wurden zu Quadern und Kuben stark vereinfacht. Auch der zentral platzierte, mächtige Uhrturm wurde nach Gutachten von Alexander Rüdell (Architekt und Beamter in der preußischen Eisenbahn-Bauverwaltung, Berlin), die Asymmetrie betonend, nach Südosten verschoben und befindet sich jetzt genau in der Achse durch die Königstraße, von der aus er überall zu sehen ist; die parallel verlaufende Lautenschlager Straße zeigt analog genau auf die Kleine Schalterhalle des Bahnhofsgebäudes.

Vom Architekturwettbewerb 2010 bis zur endgültigen Fertigstellung des Bahnhofs vergingen – bedingt durch den Ersten Weltkrieg – 18 Jahre. Die Architekturkritiker hoben in der Zeit nach der Fertigstellung hervor, dass es sich bei dem Gebäude um einen „ausgezeichneten Symbolbau für den modernen Verkehr“ handele  – und das „ohne die Hilfe des alten Athen“ – während etwa in den Nachbarländern noch der Historismus das Aussehen der dort gebauten Bahnhöfe bestimme (nachzulesen im o.g. Ausstellungskatalog).

Der Stuttgarter Hauptbahnhof im Sommer 2010, vor dem Abriss der Seitenflügel.

(Zitat aus o.g. Katalog:) „Errichtet an einem flachen Hang und über stark asymmetrischem Grundriss wurden die nunmehr kubischen Baumassen unterschiedlicher Dimensionen und Proportionen mit Ausnahme der Kopfbahnsteighalle flach gedeckt und korrespondieren aufs Engste mit dem umgebenden Stadtorganismus.“ (Was kein Wunder ist, denn Bonatz hat  auch an der Planung der gegenüber dem Hauptbahnhof befindlichen Gebäude, dem Hindenburgbau und dem Zeppelinbau mitgewirkt).

Die Fassade gliedert sich in die beiden markanten Kuben der Großen Schalterhalle für den Fernverkehr rechts und der deutlich kleineren Kleinen Schalterhalle für den Nahverkehr links. Dazwischen verläuft eine Kolonnade aus 26 Pfeilern, darüber ein mit kleinen Fenstern versehenes Attikageschoss, das als breit gelagertes Band die beiden großen Eingangstore verbindet.

1922 konnte die erste Ausbaustufe des Bahnhofs dem Verkehr übergeben werden, während am Portal der Kleinen Schalterhalle und am Nordportal noch weitergearbeitet wurde. Auch die sich beidseitig der Geleise hinziehenden Seitenflügel im Norden und Süden wurden von Bonatz erst nach Inbetriebnahme entworfen und hinzugefügt.

Zum Bild: Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs (Zustand 2008) vor dem Abriss ab 2010.

Bild oben: Hauptfassade des Stuttgarter Hauptbahnhofs zum Arnulf-Klett-Platz hin (Zustand im Sommer 2002).

Nach anfänglicher Kritik an der Abkehr von historistischen Formen wurde das Bahnhofsgebäude in Fachkreisen und von der Öffentlichkeit überwiegend positiv aufgenommen; gelobt wurde vor allem die Funktionalität der Anlage, die zusätzlich aber auch Monumentalität verkörpere.

Im Zweiten Weltkrieg  wurde auch der Hauptbahnhof stark beschädigt; auf der Website   http://www.hauptbahnhof-stuttgart.eu/ kann man dazu das Folgende lesen: „Im Zweiten Weltkrieg erleidet das Bahnhofsgebäude den Verlust sämtlicher Dächer, Teile der Fassade und der Innenwände werden in Mitleidenschaft gezogen. Die Struktur des Bauwerks jedoch bleibt weitgehend erhalten und kann nach dem Krieg zwar nur allmählich aber mit wenigen Ausnahmen ohne große Veränderungen wieder instand gesetzt werden. Auffallende Veränderungen sind beispielsweise die offenen Dachstühle in der Kopfbahnsteighalle und der Großen Schalterhalle oder im Turm das Schließen der kreisrunden Öffnungen sowie das Einziehen von Zwischendecken.“

Die Querhalle des Stuttgarter Hauptbahnhofs (Zustand Anfang 2017)

Bilder oben: das monumentale Gebäude des Stuttgarter Hauptbahnhofs (ursprünglicher Zustand) mit dem Uhrturm, der Großen und der Kleinen Schalterhalle an der Hauptfront zum Arnulf-Klett-Platz hin und dem Nord- und Südflügel.

Bilder oben: das Gleisfeld umfasst 16 Geleise, wobei die niedrigen Nummern dem Nah-, die höheren dem Fernverkehr zugeordnet sind. Im Hintergrund die sogenannten „Eisenbahnhochhäuser“.

Bilder oben: der Stuttgarter Hauptbahnhof vor dem Abriss der Seitenflügel ab 2010 im Rahmen des Projektes „Stuttgart 21“.

Bilder oben: alle Baukörper des Stuttgarter Hauptbahnhofs sind mit bossierten Quadern aus Kalkstein verkleidet, was dem Gebäude je nach Wetter, Beleuchtung und Betrachtungswinkel immer wieder ein anderes Erscheinungsbild vermittelt.

Bilder oben: die Querhalle des Hauptbahnhofs im Jahr 2010 bzw. (letztes Bild) zu Jahresbeginn von 2017 mit weihnachtlicher Dekoration.

Bilder oben: in der Pfeilerkolonnade an der Hauptfront des Bahnhofsgebäudes zum Arnulf-Klett-Platz hin gab es vor den Bauarbeiten zu Stuttgarter 21 ein gastronomisches Angebot (Aufnahmen von 2007).

Bilder oben: Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof; auch die SNCF verkehrt mit dem TGV ab Stuttgart nach Paris.

Seit 2010 laufen Bauarbeiten an einem Durchgangsbahnhof mit Zuführung durch Dutzende Kilometer von Tunneln im Stuttgarter Untergrund. Trotz Denkmalschutz und erbittertem Bürger-Widerstand wurden die Seitenflügel des Bonatz-Baus abgerissen und an Stelle der bisherigen Gleisenden wurde/wird eine unterirdische Bahnhofshalle errichtet (Architekt: Christoph Ingenhoven).

Bilder oben: Teilnehmer einer Demonstration gegen das Projekt „Stuttgart 21“ vor dem Nordportal des Stuttgarter Hauptbahnhofs und die Baustelle des neuen Tiefbahnhofs (Zustand 2021/2022).

Am neuen Bahnhofsvorplatz entstanden gegenüber dem Hauptbahnhof in den 1920er Jahren der Zeppelinbau (der ebenfalls von Bonatz geplant und gebaut wurde – heute Steigenberger Hotel Graf Zeppelin) sowie der Hindenburgbau. An der unteren Königsstraße wurde in dieser Zeit das Gebäude des ehemaligen Marstalls durch einen Ladenkomplex ersetzt. Der Bahnhofsvorplatz wurde zum neuen Verkehrsknotenpunkt in der Stuttgarter Innenstadt und das sich bisher am Ende der Königsstraße befindliche Königstor wurde abgerissen. 

Der Hindenburg-Bau

Paul Bonatz, der Planer und Erbauer des Hauptbahnhofs, hatte auch für dessen „Gegenüber“, den nach dem damaligen Reichspräsidenten benannten Bau einen Plan angefertigt. Gebaut wurde das langgestreckte Pendant zum Hauptbahnhofsgebäude dann zwischen 1926 und 1928 von Paul Schmohl und Georg Staehelin, Albert Eitel und Richard Bielenberg.

Das in Stahlbeton gefertigte Gebäude zeigt an der mit Muschelkalk verkleideten Fassade zum Bahnhof hin hohe, sich über drei Stockwerke erstreckende Arkadenbögen; die beiden oberen Stockwerke waren gestaffelt nach hinten gesetzt.

Der Wiederaufbau nach Kriegszerstörungen erfolgte 1948, wobei die Stufung der Dachgeschosse aufgegeben wurde. Von der Bauhöhe her ist der Hindenburgbau dem benachbarten Haus des Graf Zeppelin-Hotels angeglichen.

Bilder oben: der Hindenburg-Bau befindet sich am Arnulf-Klett-Platz gegenüber dem Hauptbahnhof.

Bilder oben: der Zeppelin-Bau (Hotel Graf Zeppelin); das von Paul Bonatz und Friedrich Eugen Scholer geplante Gebäude wurde 1931 fertiggestellt. Für die Fußgänger öffnet sich das Gebäude zur Schillerstraße hin mit einer Pfeilerkolonnade.

Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Baden-Württemberg

Die Deutsche Bundesbank hat ihren Hauptsitz in Frankfurt, aber mehrere Filialen in den Bundesländern. Die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Baden-Württemberg befindet sich an der Marstallstraße und wurde ursprünglich von der Deutschen Reichsbank 1920 errichtet.

Das dreigeschossige Gebäude wurde von den Regierungsbaumeistern Bulling und Herkommer geplant und gebaut. Die Fassade im Erdgeschoss ist mit Sandstein verkleidet, das Haus trägt ein Walmdach.

Eine Vorhalle mit drei Rundbogen markiert den Haupteingang an der Marstallstraße. Auf der Seite zum Schlossgarten hin wurde das Gebäude 1955 um einen Erweiterungsbau verlängert.

Zum Bild: Gebäudefront zum Schlossgarten hin; im Vordergrund der Eckensee.

Bilder oben: Das heute von der Deutschen Bundesbank genutzte Gebäude wurde ursprünglich für die Reichsbank gebaut. Im Erdgeschoss befand sich damals der Kassenraum.

Die (ehemalige) Oberpostdirektion

Durch den Umzug des Bahnhofs in den 1920er Jahren aus der Innenstadt heraus mehr zu deren Rand wurde eine große innerstädtische Fläche frei: hier entstanden (anstelle des bisherigen Bahnhofsgebäudes) der expressionistische UFA-Filmpalast, daneben der mächtige  Gebäudekomplex der Reichspostdirektion (Oberpostdirektion), einem gewaltigen, 11-stöckigen Verwaltungsgebäude, welches bei seiner Fertigstellung zu den ersten Hochhausbauten im modernen Stil des „Neuen Bauens“ gehörte (nach Kriegszerstörungen wurde es erst 1987 wieder hergestellt).

Cord Beintman schreibt im Reclam Städtereiseführer „Stuttgart, Architektur und Kunst“, (Reclam-Verlag, Ditzingen, 2021) zur Baugeschichte dieses von Max Luz und Georg Peters 1925-28 errichteten Gebäudes das Folgende:  (…) „Wie dieses (das Hahn&Kolb-Haus; eigene Erg.) und der Tagblatt-Turm war die Postbehörde in Stuttgart eines der ersten Hochhäuser und auch eines der ersten Eisenbetongebäude, aber im Krieg stark zerstört, dann wieder aufgebaut und in den 1980er Jahren teilweise abgerissen. Neubauten kopierten zum Teil den Originalbau; im 21. Jahrhundert wurden weitere Gebäudeteile ergänzt. Immer noch sehenswert ist der mächtige, zehngeschossige Hauptbau, der durch zwei schmale Vertikaleinschnitte gegliedert wird. Er besitzt mit seiner Kubatur und dem expressionistisch anmutenden durchbrochenen Steinband als Abschluss der Fassade noch die Ausstrahlung des ursprünglichen Bauwerks.“

Zum Bild: Durchgang zum Innenhof der Anlage.

Bilder oben: das Gebäude der ehemaligen Oberpostdirektion.

Der Mittnachtbau

ist benannt nach dem ersten Ministerpräsidenten des Königsreichs Württemberg, Hermann Freiherr von Mittnacht (ab 1876); er wurde in den Jahren 1926 bis 1928 im Stil des Neuen Bauens von Ludwig Eisenlohr und Oscar Pfennig an der Königstraße als Geschäfts- und Bürogebäude errichtet.

Das Haus wurde aus Stahlbeton gebaut mit einer Fassade aus Travertin; es nimmt einen ganzen Block zwischen König-, Büchsen-, Gymnasium- und Kronprinzenstraße ein und umschließt einen Innenhof. Der Baukörper an der Königstraße umfasst sieben Stockwerke, der turmartige Hochbau an der Büchsenstraße ist nochmal drei Etagen höher; der Trakt entlang der Kronprinzenstraße ist etwas niedriger. Die unteren beiden Geschosse sind höher als die oberen und beherbergen Geschäfte, das Dachgeschoss ist etwas zurückgesetzt. Ursprünglich war hier ein Café mit einer Dachterrasse untergebracht, heute gibt es das nicht mehr. Der Mittnachtbau wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und bis 1953 wieder aufgebaut. Das Gebäude ist heute Sitz des Landes-Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

Mittnachtbau, Ecke Königstraße / Büchsenstraße

Bilder oben: der Mittnachtbau.

Die Siedlung Wallmer in Untertürkheim 1925/26, 1930

Die Siedlung Wallmer wurde von einer Gruppe Architekten des BDA (Bund Deutscher Architekten) Baden-Württemberg unter der Leitung von Richard Döcker geplant und gebaut.

Die Wohnsiedlung wurde in zwei Abschnitten realisiert, wobei der erstere (1925/26) im eher konservativen Stil der regionalen Bautradition („Heimatstil“) geplant wurde und der zweite etwas später (1930) im Sinne der sachlich-schlichten Funktionalität des Bauhauses. Die Wohnungen waren hauptsächlich für die vielen Arbeiter gedacht, die bei den großen Industriebetrieben in Untertürkheim beschäftigt waren.

Die Gebäude des ersten Bauabschnitts zeigen Satteldächer; von den Originalbauten sind nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg nur noch zwei Häuserzeilen erhalten. Architekten dieser Häuser wareb Friedrich Mössner und Alfred Daiber.

Der von Richard Döcker geplante zweite Bauabschnitt besteht aus  fünf parallelen Häuserzeilen, die (für eine durchgehend gute Besonnung) in einigem Abstand von einander am leicht ansteigenden Hang angeordnet sind. Die Balkone an der Südseite sind jeweils paarweise angeordnet, die Treppenhäuser springen risalitartig aus der Gebäudefront hervor. Die Zeilen enden mit höheren Kopfbauten, welche turmartig und mit Eeckbalkonen die Blöcke abschließen.

Zum Bild: Treppenhaus (zweiter Bauabschnitt).

Bilder oben: Häuserzeilen aus dem ersten bauabschnitt der Wallmer Siedlung; hier haben die Architekten im „Heimatstil“ gebaut.

Bilder oben: Häuserzeilen des zweiten Bauabschnittes mit typischen Stilelementen des „Neuen Bauens“; letzte Bilder: die turmartigen Kopfbauten.

Sozialer Wohnungsbau durch die Stadt Stuttgart

Nach dem Ersten Weltkrieg ging man zur Linderung der kriegsbedingten Wohnungsnot in Stuttgart neue Wege: die Stadt selbst wurde im Siedlungs- und auch im Sozialwohnungsbau aktiv, unterstützt von gemeinnützigen Baugenossenschaften. Auf diese Weise entstanden zwischen 1920 und 1932 über 5000 neue Wohnungen, so etwa der Friedrich-Ebert-Wohnhof in Nachbarschaft zur Weißenhofsiedlung.

Der Friedrich-Ebert-Wohnhof – eine genossenschaftliche Wohnanlage

Der Friedrich-Ebert-Wohnhof (Siedlung „Schönblick“) wurde in den Jahren 1927 bis 1929 von Karl Beer für den „Bau- und Heimstättenverein Stuttgart“ erbaut.

Der Wohnkomplex befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Weißenhofsiedlung, wurde auch etwa zeitlich mit dieser erbaut, gehört aber nicht zu den Mustergebäuden der Werkbundausstellung von 1927.

Das Café „Schönblick“ war bereits während der Werkbund-Ausstellung fertiggestellt und konnte von deren Besuchern/innen genutzt werden.

Das genossenschaftliche Bauprojekt sollte vor allem die Wohnungsnot der 1920er Jahre lindern helfen. Das nach dem ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Deutschen Reiches, Friedrich Ebert, benannte Projekt besteht aus drei Baukörpern: einem 3-flügeligen, 5-stöckigen Wohngebäude, das sich um einen Innenhof schließt, sowie einem 8 Geschosse hohen Wohnturm und einem 2-stöckigen Café-Restaurant-Gebäude, welches den Innenhof an der vierten Seite begrenzt; letztere tragen viele Elemente des „Neuen Bauens“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Schäden an den Gebäuden behoben und die ursprüngliche Gestalt weitgehend wieder hergestellt. Nach umfangreichen Renovierungsmaßnahmen in den Jahren 1995-97 zeigen die Gebäude jetzt wieder die ursprüngliche rote Farbe der Zwischenräume zwischen den Fenstern der Fensterbänder.

Zum Bild: das Café-Gebäude, der Wohnturm und das 5-geschossige Wohngebäude an der Hölzelstraße; dem Wohnhof direkt gegenüber liegen die Musterhäuser der Werkbundausstellung von Behrens und Scharoun.

Der Wohnturm des Friedrich-Ebert-Wohnhofs.

Bilder oben: Außenfassade zum Hölzelweg hin und Eingangsbereich an der Straße „Am Weißenhof“.

Bilder oben: Passage durch das Gebäude zum Innehof.

Bilder oben: der Gebäudekomplex zieht sich um einen nahezu quadratischen Innenhof. Drei Flügel bildet das 5-geschossige Wohngebäude, den vierten das (ehemalige) Café.

Bilder oben: der 8-geschossige Wohnturm des Friedrich-Ebert-Wohnhofes mit der markanten „Lichtraupe“ im Bereich des Treppenhauses.

Bilder oben: der Wohnturm des Friedrich-Ebert-Wohnhofes vom Innenhof der Anlage aus gesehen.

Bilder oben: die Räumlichkeiten des  ehemaligen Café- und Restaurantgebäudes wurden mittlerweile zu Wohnungen umgebaut.

Der Tagblatt-Turm

In den 1920er Jahren veränderte sich die Stuttgarter Innenstadt auch durch den Bau weiterer großvolumiger Bauten, vor allem für Banken und Handelshäuser, aber auch für Presse und Rundfunk.

So errichtete Ernst Otto Oßwald 1928 im Stil des „Neuen Bauens“ in Stahlbetonbauweise und mit einer Sichtbetonfassade den 18 Stockwerke (61 Meter) hohen „Tagblatt“-Turm; Erich Mendelsohn baute schräg gegenüber zwischen 1924 und 1928 das berühmte Kaufhaus Schocken.

Im Tagblatt-Turm waren Redaktion und Verlag des Stuttgarter „Neuen Tagblatts“ untergebracht (1945 zog die Stuttgarter Zeitung hier ein, bis sie dann 1978 ins Pressezentrum nach Möhringen umzog).

Der Turm war das erste Hochhaus in der Stadt und weltweit das erste mit einer Sichtbetonhülle. Nachts wurden durch Neonleuchten die Konturen des Turmes betont. Auch das benachbarte Kaufhaus Schocken setzte sich durch eine raffinierte Beleuchtung in Szene und gab Stuttgart einen nächtlich mondän-großstädtischen Charakter. Auch heute noch setzt der Turm in der Innenstadt ein markantes und sichtbares Zeichen.

Dabei wurde nach Auszug der Stuttgarter Zeitung zeitweise über einen Abriss nachgedacht; dann aber kaufte die Stadt Stuttgart das Gebäude und brachte darin Büros der Stadtverwaltung unter. Heute ist der Tagblatt-Turm auch Sitz des Figurentheaters FITZ und des Theaters tri-bühne.

Zum Bild: Blick von der Eberhardstraße und von der Nesenbachstraße auf den Tagblatt-Turm.

Bilder oben: der Tagblatt-Turm ragt mit seinen 61 Metern Höhe aus dem Häusermeer der Innenstadt heraus.

Bilder oben: eine Ikone des neu-sachlichen Bauens und ein Stuttgarter Wahrzeichen: der Tagblatt-Turm.

Das Stuttgarter Gewerkschaftshaus (Willi-Bleicher-Haus), 1931-33

Das Gewerkschaftshaus wurde ursprünglich 1930 von Richard Döcker (der auch den Friedrich-Ebert-Wohnhof baute und Bauleiter der Weißenhofsiedlung war) geplant und von Karl Beer zwischen 1931 und 1933 als „Volkshaus“ im Stil des Neuen Bauens für den Deutschen Gewerkschaftsbund errichtet. Gleich nach seiner Fertigstellung wurde das Gebäude aber von den Nationalsozialisten besetzt. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das beschädigte Gebäude von Albert Otto Linder wieder aufgebaut. Der Saalanbau, der zwischen 1954 und 1958 angefügt wurde, stammt wieder von Karl Beer. Das Gebäude wurde 2014 umfassend renoviert und dann in „Willi-Bleicher-Haus“ umbenannt (nach dem Widerstandskämpfer und Gewerkschaftsführer Willi Bleicher).

Bild oben: das Gewerkschaftshaus befindet sich an der Theodor-Heuss-Straße; das Gebäude der Volksbank Stuttgart wurde direkt angebaut.

Bild oben: das Gewerkschaftshaus (Willi-Bleicher-Haus); im Vordergrund eine Plastik von Otto Herbert Hajek.

Bilder oben: das Gewerkschaftshaus; über einen Gebäudedurchgang kommt man von der Theodor-Heuss-Straße zur Schloß-Straße.

Bilder oben: unverkennbar sind die Stilelemente des Neuen Bauens; der Mitte der 1950er Jahre angefügte Saalbau erhielt – typisch für die Zeit – ein weit auskragendes Flachdach.

Bilder oben: der Gebäudekomplex nimmt fast einen ganzen Baublock ein.

Bilder oben: das Gewerkschaftshaus am Abend.

Eingemeindungen – staatliche Förderung des Wohnungsbaus

Wegen der Weltwirtschaftskrise wurden Ende der 1920er Jahre keine weiteren Großprojekte mehr geplant; die Stadt wuchs jedoch durch Eingemeindungen mehrerer bisheriger Vororte, etwa Hofen, Münster, Uhlbach, Zuffenhausen und Rotenberg, 1933 folgten Feuerbach und Mühlhausen, etwas später Rohracker und Sillenbuch, 1942 die Fildergemeinden und Stammheim.

In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg förderte der Staat die Bildung von Wohneigentum mit dem Bau neuer Siedlungen, etwa in Hoffeld, Steinhaldenfeld, Wolfbusch oder Neuwirtshaus mit Einfamilienhäusern und Doppelhäusern mit Gartenanteilen und gemeinschaftlich genutzten öffentlichen Grünflächen. Auch die am Hang gelegene Siedlung „Am Vogelsang“ entsteht in dieser Zeit.

Zu einem Verkehrsknotenpunkt wurde Stuttgart in den 1930er Jahren durch die Anbindung an die neuen Autobahnen, den Ausbau des Neckars und den Bau eines Flughafens bei Echterdingen, der zunächst allerdings nur militärisch genutzt wurde.

Die Realisierung geplanter nationalsozialistischer Großprojekte im Baubereich (etwa die „Stadtkrone“ auf dem Pragsattel, das „Gauforum“ im Rosensteinpark, ein neues Rathausgebäude oder ein Rundfunkkomplex auf der Karlshöhe), die Sanierung der Altstadt unter Verringerung der Baudichte sowie die Schaffung neuer breiterer Straßen und Plätze wurden durch den Kriegsbeginn weitgehend verhindert.

Der Stuttgarter Killesberg-Park

Für die Reichsgartenschau von 1939 wurde von Landschaftsarchitekt Hermann Mattern aus einem nicht mehr benötigten Steinbruchgelände der Killesbergpark neu geschaffen mit repräsentativen Empfangsbauten am Haupteingang zum Gelände sowie großen Ausstellungshallen, welche die Grundlage für die späteren Messegebäude bildeten.

Näheres zum Killesbergpark, dem größten Stuttgarter Park, unter Stuttgart Parks.

Die Brenzkirche

Im Zuge der die Reichsgartenschau von 1939 vorbereitenden Bauarbeiten wurde auch die im Stil des „Neuen Bauens“ errichtete Brenzkirche im Sinne der jetzt herrschenden Weltanschauung „rückgebaut“: die Gebäuderundung wurde durch eine Ecke ersetzt und das Flachdach wurde zugunsten eines Satteldaches aufgegeben.

Näheres zur Brenzkirche unter Stuttgart-Kirchen.

Heute plant ein Verein, zwischen dem jetzt noch herrschenden Zustand und dem Stil bei der Errichtung der Kirche eine vermittelnde Form zu finden und den Bau für aktuelle Nutzungsbedürfnisse fit zu machen.

Sie dazu nebenstehendes Bild (Plakat im Vorraum der Kirche): Zustand des Gebäudes nach Fertigstellung, der umgebaute Zustand und eine Form, in welcher die Kirche zukünftig erscheinen könnte – ein teilweiser Rückbau zur ursprünglichen Form mit modernem Turm.

Zu den wenigen tatsächlich unter der nationalsozialistischen Herrschaft realisierten größeren Bauprojekten gehörte die Errichtung des Gebäudes für die technischen Werke der Stadt in der Lautenschlagerstraße und größere Kasernenanlagen etwa auf dem Burgholzhof sowie bei Vaihingen oder Möhringen.

Stuttgart im Zweiten Weltkrieg

Das Vorhandensein vieler großer und für die Rüstung wichtiger Industriebetriebe machte die Stadt Stuttgart gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zu einem prominenten Ziel alliierter Luftangriffe; besonders das Stadtzentrum wurde stark getroffen; insgesamt war etwa die Hälfte der Bausubstanz der Stadt am Kriegsende zerstört und die Einwohnerzahl von knapp einer halben Million vor dem Krieg auf etwa die Hälfte gesunken. Die Zerstörung der Wohnbebauung war im Stadtzentrum nahezu komplett; nach außen hin war der Grad der Betroffenheit abnehmend; Vororte wurden zum Teil kaum in Mitleidenschaft gezogen.

Ende April 1945 wurde die Stadt ohne weitere Kämpfe an die französischen Truppen übergeben und der Rechtsanwalt Arnulf Klett als erster Oberbürgermeister nach dem Krieg eingesetzt, der die Geschichte der Stadt und deren Wiederaufbau nach dem Krieg in den folgenden dreißig Jahren mitbestimmte. Nach ihm ist die (unterirdische) Einkaufspassage am Hauptbahnhof benannt.

Im Sommer 1945 übernahmen die Amerikaner von den Franzosen die Herrschaft über die Region und Stuttgart wurde Sitz der amerikanischen Militärregierung.

Trümmer-Räumung nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Stadtverwaltung Stuttgarts sah sich in den Nachkriegsjahren gewaltigen Aufgaben gegenüber: zunächst musste die städtische Bevölkerung mit den elementarsten Dingen für das Überleben versorgt werden, die Trümmer der zerbombten Gebäude waren zu beseitigen und für die zerstörten Wohnungen musste möglichst rasch Ersatz geschaffen werden. Unterkunft brauchten aber nicht nur die verbliebenen Bürger der Stadt, sondern auch die Tausenden von zurückkehrenden Evakuierten, von Kriegsheimkehrern sowie Flüchtlingen, Heimatvertriebenen und Heimkehrern aus der Kriegsgefangenschaft. Das führte dazu, dass schon drei Jahre nach Kriegsende die Stadt wieder die Vorkriegsbevölkerungszahl erreichte.

Die Trümmer der zerbombten Gebäude wurden zum Teil zur Wiederverwendung zwischengelagert und sortiert, zum anderen auch zur Baustoffgewinnung zerkleinert; große Trümmermengen wurden auch aus der Stadt gebracht und am Birkenkopf abgelagert; dadurch wuchs der Berg zu Beginn der 1950er Jahre um 40 Meter. Fassadenteile zerstörter Häuser kann man noch heute auf der Hügelspitze sehen, auf welcher eine Gedenkstätte eingerichtet wurde.

Der Trümmerberg auf dem Birkenkopf / Inschrift an der Gedenkstätte.

Bilder oben: Trümmer aus einer stark zerstörten Stadt; um 40 Meter erhöht hat sich dadurch der Birkenkopf: Friese, Konsolen, Säulen, Figuren, Reliefs… aus den Fassaden zerbombter Häuser sind zu einer Gedenkstätte arrangiert.

Bilder oben: Blick vom Birkenkopf zur Innenstadt und (zweites Bild) zum Frauenkopf (mit Fernmeldeturm) und zum Bopser (mit Fernsehturm).

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