Stuttgart Hochschulen
Stuttgart ist als Landeshauptstadt auch Universitätsstadt und verfügt über renommierte Forschungsinstitute und eine reiche Hochschullandschaft aus Universitäten, Technischer Hochschule, Kunstakademie usw. Einige davon werden hier ausführlicher beschrieben:
Hochschulbau nach dem Zweiten Weltkrieg – die Kollegiengebäude K1 und K2 auf dem Campus Stadtmitte (1954-63)
Nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere in den 1960er und 70er Jahren, nahmen die Studierendenzahlen in der ganzen Bundesrepublik dramatisch zu, was auch einen entsprechenden Ausbau der Bildungsbauten erforderte; in Baden-Württemberg versiebenfachte sich die Zahl der Studierenden etwa im Zeitraum von 1950 bis 1990. Maßgeblich an der Planung des Ausbaus der Hochschulenrichtungen in Baden-Württemberg beteiligt war Horst Linde, der Leiter der Staatlichen Hochbauverwaltung; eine seiner entscheidenden organisatorischen Maßnahmen war die Etablierung von Universitätsbauämtern an den Hochschulstandorten. In Stuttgart wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst die zerstörte Technische Hochschule wieder aufgebaut und dann ausgebaut. Es war aber bald klar, dass der Innenstadtcampus am Stadtgarten die nötigen Erweiterungen nicht aufnehmen konnte.
Bereits 1955 wurde daher die zukunftsweisende Entscheidung getroffen, in der Stadtmitte nur die Fakultäten für Architektur und die Geisteswissenschaften sowie die Uni-Verwaltung zu belassen, die Natur- und Ingenieurwissenschaften, sowie die Mathematik (und später die Informatik) sollten auf einem neuen Campus in Stuttgart-Vaihingen (Pfaffenwald) angesiedelt werden. Damit konnte auch der Stadtgarten als innerstädtischer Park weitgehend erhalten bleiben.
Im Lauf der Zeit ließen sich auf dem Vaihinger Campus auch weitere Hochschuleinrichtungen (etwa das Höchstleistungsrechenzentrum) und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen (z. B. Fraunhofer-Institut, DLR) nieder.

Die Kollegiengebäude K1 und K2
Rolf Gutbier (Erbauer des Geschäftshauses Speiser oder des Daimler-Hochhauses im Neckarpark und damals Professor an der Architekturfakultät der Uni Stuttgart) initiierte den Bau der Kollegiengebäude K1 und K1; das erste Hochhaus wurde zwischen 1954 und 1960 errichtet, geplant von Rolf Gutbier, Günter Siegel und Curt Wilhelm und gebaut von Heinle+Wischer.
Zunächst war nur ein Gebäude vorgesehen, aber der wachsende Raumbedarf erforderte den Bau eines zweiten Gebäudes (K2), des „Zwillings“ zum ersten (1960-63). Der Bau der Tiefenhörsäle schloss sich in den Jahren 1965 bis 1968 an.
Zum Bild: Fassadendetail am Kollegiengebäude K1.
Die beiden, die Stadtsilhouette im Zentrum bestimmenden Kollegiengebäude sind je 55 Meter hoch, 60 Meter lang und 25 Meter breit. Die Stahlbetonskelettbauten haben Treppenhäuser an den Enden der Schmalseiten und einen Aufzugskern in der Mitte mit mehreren Aufzügen. Im Inneren gibt es viel Sichtbeton, die Böden bestehen aus einem Terrazzo-Belag oder sind gefliest.
Die Stockwerksaufteilung in den beiden Split-Level-Gebäuden ist raffiniert gelöst: auf jeweils zwei (höhere) Stockwerke mit Arbeitsräumen im Norden kommen drei (niedrigere) Etagen mit Institutsbüros im Süden. Die höhenversetzten Flure werden durch Quertreppen erschlossen.
Zum Bild: die Treppen, die von einem höheren Stockwerk mit Aufzug-Halt zu dem darüber- und darunterliegenden Stockwerk auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite führen.

Bild oben: durch die Split-Level-Bauweise hat die Nordseite der Zwillingsbauten (im Bild rechts) 10 und die Südseite (im Bild links) 15 Stockwerke.
Bilder oben: die Zwillingshochhäuser der Kollegiengebäude der Universität am Stadtgarten.
Bilder oben: weitgehend ähnlich aufgebaut sind die beiden Kollegiengebäude; die Treppenhäuser an den Schmalseiten befinden sich hinter einem teilverglasten Einschnitt in der Fassade.
Bilder oben: die Fassade des Kollegiengebäudes K2; Blick vom Katharinenhospital.
Bilder oben: die Kollegiengebäude spiegeln sich in der Fassade eines benachbarten Bürohauses; letztes Bild: Spiegelbild des K2 in der Fassade des K1.
Bilder oben: die Schmalseiten der Gebäude mit den Treppenhäusern und Kollegiengebäude K1 am Abend.
Bilder oben: Eingangsbereich des K2. Durch den nicht mittigen Eingang gelangt man in das große, sich über zwei Etagen erstreckende Atrium des Gebäudes.
Bilder oben: Schmalseiten der Kollegiengebäude.
Bilder oben: Foyer des Kollegiengebäudes K2; hier geht es zu den Aufzugsanlagen und (eine Etage tiefer) zu den Tiefenhörsälen M17.01 und M17.02. Letzte Bilder: Eingangsbereich/Windfang – ganz charakteristisch sind die gewinkelten Handgriffe zum Öffnen der Türen; sie finden sich überall an den Gebäuden im Campus Stadtmitte.
Bilder oben: Abgang vom Erdgeschossniveau zu den Tiefenhörsälen im Kollegiengebäude K2; vor den Hörsälen M17.01 und dem kleineren M17.02 befindet sich eine ausgedehnte Lobby, in der Veranstaltungen stattfinden können; eine vorgestellte Seitenwand ist mit LED-Strahlern raffiniert hinterleuchtet.
Bilder oben: einer der Tiefenhörsäle.
Bilder oben: Blick vom Kollegiengebäude K1 auf das Gebäude der zentralen Univerwaltung (dieses Gebäude ist ein verbliebener Flügel eines größeren Gebäudes der ehemaligen Polytechnischen Hochschule), auf den Stadtgarten mit der Universitätsbibliothek (dahinter das Linden-Museum), auf die Gebäude der Technischen Hochschule und das Max-Kade-Hochhaus.
Bilder oben: in diesem Gebäudetrakt (Kepler 7) ist heute die Universitätsverwaltung (Rektorat) untergebracht.
Bilder oben: im Foyer des Kollegiengebäudes K1 sind im Juli immer die Arbeiten der Absolventen der Fakultät für Architektur und Stadtplanung ausgestellt.
Die Universitätsbibliothek im Stadtgarten (1958-61)
Etwa zeitgleich zum Bau der Kollegiengebäude der Universität bauten Hans Volkart, Klaus-Jürgen Zabel und Ulrich Klauss die Universitätsbibliothek; das Gebäude wurde 2018 unter Denkmalschutz gestellt. In einer Schrift der Unibibliothek (Stuttgart, 2020) zur Erklärung des Hauses als Kulturdenkmal „Funktional.Flexibel.Transparent – Kulturdenkmal 60 Jahre nach Grundsteinlegung“ kann man über die Unibibliothek das Folgende lesen:
„Geplant und gebaut von 1958 bis 1961 steht sie beispielhaft für die Architektur der deutschen Nachkriegsmoderne. US-amerikanische Vorbilder und Bibliotheksbauten der schweizerischen Moderne prägten Gestaltung und Planung des Architekten Hans Volkart. (…) Entstanden ist ein funktionales, nach den Prinzipen der Transparenz und Flexibilität gestaltetes Gebäude, das sich bis heute trotz der Nutzungversänderungen als zukunftsfähig erwiesen hat. Der nur 12 Meter hohe Flachdachbau fügt sich organisch in die Parklandschaft des Stadtgartens und seiner umliegenden Gebäude ein. Über dem niedrigen, mit Waschbetonplatten verzierten Sockelgeschoss, das Verwaltung, Werkstätten und das Eingangsfoyer beherbergt, erhebt sich der zweigeschossige verglaste Lesesaal. Seine Außenfassade wird von einer Reihe Betonrundpfeiler und auskragenden Sonnenschutzblenden gegliedert. In Kombination mit der waagrechten Attikazone aus Aluminiumwellblech spielt das Gebäude so auf antike Tempelbauten an und erhält repräsentativen Charakter.“
Im Inneren des Gebäudes wurde Wert darauf gelegt, dass die Bibliotheksnutzer/innen einen möglichst freien Zugang zu den Büchern haben sollten, was durch eine Aufhebung der Trennung von Büchermagazin und Lesesaal erreicht wurde.



In der Schrift „Denkmalpflege in Baden-Württemberg“, 4/2022 kann man im Aufsatz „Der Hochschulbau als Experimentierfeld moderner Architektur“ von Peter Huber zum Bau der Stuttgarter Universitätsbibliothek im Stadtgarten das Folgende lesen:
„Der flache kubische Baukörper mit Innenhof und zum Schlossgarten hin äußerst plastisch gerasterter Fassade war zu seiner Bauzeit ein extrem fortschrittlicher Bibliotheksbau. Anstatt der bis dahin in Deutschland üblichen Magazinbibliotheken mit hohem Magazinturm und kleinem Lesesaal (…) bevorzugten der Architekt Hans Volkhart und der Bibliotheksdirektor Manfred Koschlig eine große Freihandbibliothek nach angloamerikanischem Vorbild.
Ein großer Teil der Bücher war im großen Lesesaal vorhanden und frei zu entnehmen. Die nicht im Freibestand vorhandenen Bücher lagerten weitgehend im Untergeschoss des Gebäudes. Von der Ausleihstelle als Herzstück der Bibliothek wurden die Bücher über ein Rohrpostsystem im Magazin bestellt und landeten in kürzester Zeit über ein horizontales Förderbandsystem und vertikale Aufzüge an der Ausleihstelle. Die Bibliothek erhielt anders als die glatten Rasterfassaden der baulichen Vorbilder in den USA (Price-Gilbert Memorial-Library in Atlanta von 1953) eine stark gegliederte Fassade mit plastisch hervortretenden Stützen und Decken, die dem Gebäude einen monumentalen Eindruck verleihen und an einen antiken Tempel erinnern.“
Bilder oben: die Universitätsbibliothek im Stadtgarten. Um im Inneren bei der Raumaufteilung keine Rücksichten auf Stützen nehmen zu müssen, verlegten die Architekten die äußersten Stützen VOR die Fassade, was zu ihrem charakteristischen Erscheinungsbild wesentlich beiträgt.
Das „Hörsaal-Provisorium“
Die beiden Tiefenhörsäle, die vom Kollegiengebäude K2 aus zugänglich sind, wurden erst einige Zeit nach der Vollendung von K1 und K2 gebaut. Was also zu Beginn der 1960er Jahre fehlte, waren sofort verfügbare und ausreichend große Hörsäle. 1961 wurde daher die Entscheidung getroffen, gegenüber der Universitätsbibliothek im Stadtgarten einen Interimsbau zu errichten, der bis zur Fertigstellung fester Bauten als Provisorium dienen sollte. Und wie das mit Provisorien so ist: das Gebäude steht heute noch.


Bilder oben: Hörsaal-„Provisorium“ im Stadtgarten (verglaste Schmalseite mit Eingang zum Saal M 2.01. und Details des Dachtragwerks).
Das ähnlich einer Messehalle errichtete 22 x 60 Meter große Hörsaalprovisorium ist mit einer elaborierten Rohrkonstruktion als Dach versehen und umfasste einen großen und einen etwas kleineren Hörsaal; nach 7-jähriger Zwischennutzung sollte das Haus wieder demontiert und andernorts weiterverwendet werden. Architekt des innovativen und modernen Gebäudes war Friedrich Wagner, der von 1961 bis 1971 auch Leiter des Hochschulbauamtes war. Die Bauzeit für das z. T. auch aus Fertigteilen errichtete Gebäude betrug gerade mal ein Dreiviertel Jahr und schon Ende 1962 konnten hier erste Vorlesungen gehalten werden. Die Fundamente, die Bodenplatte und der Gebäudekern mit den Dozentenräumen, den Toiletten und der Gebäudetechnik sind aus Beton, die Gebäudeschmalseiten wurden vollständig verglast; hier sind auch die Eingänge zu den Hörsälen. Die über Zweitausend Quadratmeter große Dachkonstruktion ist im Prinzip ein 3-dimensionales Fachwerk aus Stäben und kugelförmigen Knotenpunkten, das auf Stahlstützen ruht. 1990 wurde das Gebäude umgebaut: aus den ursprünglich zwei Hörsälen wurden damit drei.

Bilder oben: das ursprünglich nur als Interimslösung geplante Hörsaalgebäude auf dem Unicampus am Stadtgarten.
Das (ehemalige) Gastdozentenhaus in der Relenbergstraße
Zwar kein Hochschulgebäude, aber doch ein Haus, das für die Universität erbaut wurde, ist das Gastdozenten-Hochhaus (auch Horst-Seidel-Haus) in der Relenbergstraße. Mit dem zunehmenden internationalen Austausch der Universität kamen auch immer mehr ausländische Dozenten nach Stuttgart, die für einige Monate oder auch ein ganzes Jahr eine angemessene Bleibe benötigten. Das massive Hochhaus wurde zwischen 1973 und 1976 von Hans-Dieter Lutz und Roland Wick (Lutz&Wick) erbaut. Mit seine Fassade aus Sichtbeton stellt es ein Paradebeispiel des Brutalismus der 1970er Jahre dar. Das 16-stöckige Gebäude ist bis zur Dachterrasse 50 Meter hoch. Erschlossen werden die Wohnungen durch einen separaten Aufzugsturm, der aber nur jedes dritte Stockwerk anfährt; der Ausstieg erfolgt auf einen Balkon. Von hier aus gelangt man über Treppen zum darüber- und darunterliegenden Stockwerk.
Die massive Bauweise der Balkonbrüstungen verstärkt den insgesamt wuchtigen Eindruck des Gebäudes.Das Hochhaus wurde in Schottenbauweise errichtet, d.h. die Wände haben tragende Funktion, was eine sehr freie, unregelmäßige Gestaltung der Fassade erlaubt.
Ein eingeschossiger Anbau nahm die Dienst- und Hausmeisterwohnungen auf; das Flachdach ist als Terrasse gestaltet. Seit 1998 gibt es auch dem Campus in Vaihingen ein neues Gastdozentenhaus; die Appartements des Hochhauses in der Relenbergstraße wurden mittlerweile zu Eigentumswohnungen umgebaut, im Erdgeschoss gibt es eine Kindertagesstätte.
Bilder oben: das ehemalige Gastdozentenhaus der Uni Stuttgart (Blick von der Azenbergstraße aus) und dereingeschossige Anbau mit der Hausmeisterwohnung.
Bilder oben: durch die Schottenbauweise konnten die Architekten die Fassade relativ frei gestalten; sehr massiv wirken die Balkone und der Aufzugsturm.
Bilder oben: das ehemalige Gastdozenten-Hochhaus in der Relenbergstraße.
Das neue Gastdozentenhaus auf dem Campus Vaihingen
Im Rahmen des verstärkten Ausbaus internationaler wissenschaftlicher Beziehungen in den 1990er Jahren wurde für die ausländischen Gastdozenten auf dem Vainhinger Uni-Campus am Pfaffenwaldring ein neues Appartementhaus geplant. Die Aufenthaltsdauer der Gäste liegt in der Regel zwischen drei Monaten und einem Jahr. Da es sich meist um etablierte Wissenschaftler und Professoren handelt, die in ihrer Heimat einen gewissen Lebensstandard pflegen, wollte man ein Gästehaus mit angemessenem Ambiente errichten. Manche der Gäste kommen auch mit ihren Kindern bzw. der ganzen Familie nach Stuttgart.
Einen entsprechenden Architekturwettbewerb gewannen Kohlhoff&Kohlhoff Architekten (Stuttgart). Die Gestaltung des Innenhofes sowie der „Büsnauer Wiese“ mit einem kleinen Teich oblag dem Garten- und Landschaftsarchitekten Karl Bauer (Karlsruhe).

Das realisierte, am Hang liegende Gebäude ist ein quadratisches Atelierhaus mit einem ebenfalls quadratischen, baumbestandenen Innenhof; von hier aus werden die 48 Wohnungen über die Treppenanlage und Laubengänge erschlossen. Der Zugang zum Innenhof erfolgt von oben über eine einstöckige offene Zone, von unten erstreckt sich die Öffnung über zwei Etagen. Die Außenfassade wird bestimmt von einer Verkleidung aus Lärchenholz; auch die verschiebbaren Sichtschutzelemente sind aus dieser Baumart gefertigt. Die Fassade im Innenhof trägt eine rot gefärbte Verkleidung aus Birkensperrholz.
Bilder oben: das Gastdozentenhaus auf dem Vaihinger Unicampus liegt auf einem Hügel und ist perfekt in die umgebende modellierte Landschaft eingebettet.
Bilder oben: Zugang zum Innenhof hat man von zwei gegenüberliegenden Seiten des Gebäudes aus.
Bilder oben: malerische Lage am Teich.
Bilder oben: das Gastdozentenhaus im Winter.
Bilder oben: der Innenhof des Atelierhauses; hier befindet sich die Treppenanlage; die Wohnungen sind über Laubengänge erschlossen.
Hochschulbau der Nachkriegszeit – der Campus Vaihingen der Universität Stuttgart
In der Schrift „Denkmalpflege in Baden-Württemberg“, 4/2022 kann man im Aufsatz „Der Hochschulbau als Experimentierfeld moderner Architektur“ von Peter Huber zum Bau von Hochschulgebäuden in der Nachkriegszeit das Folgende lesen:
„Am Hochschulbau lassen sich sämtliche Strömungen der Moderne und eine große Experimentierfreude in äußerst qualitätvollen Bauwerken verfolgen. (…)
In der Nachkriegszeit machten die stark steigenden Studentenzahlen den Hochschulbau dieser Zeit zu einer Bauaufgabe von hoher Priorität. So mussten in kürzester Zeit eine Vielzahl von Gebäuden für Forschung und Lehre errichtet werden. Die Architekten der Nachkriegsmoderne hatten während des Baubooms der Wiederaufbauzeit weitreichende Erfahrungen bei der raschen Umsetzung dringend benötigter Wohn- und Gewerbebauten sammeln können und waren in der Lage, wirtschaftlich und schnell eine große Menge an Gebäuden zu errichten. Die Bauaufgabe Hochschule ist äußerst vielfältig und umfasst neben Lehr- und Verwaltungsgebäuden unterschiedlichste Sonderbauten, wie Bibliotheken, Mensen, Wohnheime und Forschungsbauten mit äußerst differenzierten Anforderungen.
Der nachkriegszeitliche Hochschulbau war mit zeitgenössischen Architekturströmungen fest verknüpft und an progressiven Entwicklungen des Bauwesens maßgeblich beteiligt. In den 1960er Jahren entwickelte sich in Westdeutschland aus der ersten Nachkriegsmoderne, die an das Neue Bauen der 1920er Jahre anknüpfte, eine Zweite Nachkriegsmoderne, welche stark von der damals ihren Höhepunkt erreichenden Internationalen Moderne beeinflusst wurde. Die Zweite Nachkriegsmoderne, welche in die Zeit des Hochschulbaus fällt, wurde durch den Bauboom der Wirtschaftswunderzeit begünstigt. Sie begann mit der Internationalen Bauausstellung in Berlin, bei der im Zuge einer Neubebauung des Hansaviertels die namhaftesten internationalen Architekten ihre Wohnbauten präsentierten, und endete erst mit der Ölkrise von 1973.“
Zum Bild: Hörsaalzentrum V 47 auf dem Campus Vaihingen.

Das NWZ (Naturwissenschaftliche Zentrum) auf dem Campus Vaihingen
Der erste in Vaihingen errichtete Gebäudekomplex war das Naturwissenschaftliche Zentrum (NWZ) mit zwei (Labor-)Hochbauten für die Physik, die Chemie und die Mathematik, verbunden durch ein Hörsaalzentrum. Gebäude für die Ingenieurwissenschaften (Mashinenbau, Elektrotechnik, usw.) folgten erst später. Die Bauarbeiten am NWZ dauerten von 1969 bis 1974 (wobei der Chemiebereich bereits 1972 bezogen werden konnte). Dabei wurden in einem Skelett aus Ortbeton vor allem auch Fertigbauteile benutzt. Die beiden Gebäude sind 50 Meter hoch und umfassen zehn Stockwerke. Dem Brandschutz dienen externe Fluchttreppenanlagen sowohl im Süden als auch im Norden der beiden Gebäude.
Während die Innenausbauten weitgehend standardisiert sind, setzte der Künstler Otto Herbert Hajek im Eingangsbereich des Physikhochhauses mit Großskulpturen farbige Akzente.
Die Mensa befand sich ursprünglich in einem Baukörper nördlich des Chemiehochbaus, doch sie wurde rasch zu klein für die wachsende Zahl an Studenten/innen und Beschäftigten. 1976 wurde ein neues Mensagebäude im Stil des Strukturalismus errichtet und der bisher genutzte Bau für die Einrichtung der Universitätsbibliothek auf dem Campus frei (1977).
1986 wurde der Campus auch an das S-Bahn-Netz angeschlossen; die Endhaltestelle liegt im Zentrum des Campusgeländes am Fuße des NWZ. Das Chemie-Gebäude wurde 1994 mit dem Einzug des Biologischen Institutes auf dem Dach um einen Gewächshausaufbau erweitert.
Zum Bild: das Schweizerische Architekturbüro Atelier5 baute zwischen 1973 und 1976 das Mensagebäude auf dem Vaihinger Campus; nach dessen strukturalistischem Entwurf setzt sich das Gebäude aus Modulen zusammen, die jeweils Raum für einen Speisetisch mit 10 Sitzplätzen bieten.

Im Aufsatz „Der Hochschulbau als Experimentierfeld moderner Architektur“ (Heft „Denkmalpflege in Baden-Württemberg“, 4/2022) schreibt Peter Huber zum Bau des Naturwissenschaftlichen Zentrums der Universität Stuttgart auf dem Campus Vaihingen das Folgende:
„Die quantitativ hohen Anforderungen an den Hochschulbau in der Nachkriegszeit führten dazu, dass man in allen Bundesländern Überlegungen zum Fertigbau anstellte und dementsprechende Systeme entwickelte. 1964 bis 1967 errichtete man in Karlsruhe mit dem Mathematikgebäude sowie den Physik- und Chemiehochhäusern die ersten reinen Hochschulfertigbauten. In der Folgezeit dienten die in Karlsruhe entwickelten Bautypen als Vorbild für die Typenbauten des ganzen Landes und wurden bis in die 1980er Jahre im Hochschulbau verwendet.
Im Hörsaalkomplex des Naturwissenschaftlichen Zentrums am Campus Vaihingen beschritt man einen besonders originellen Weg, um die Monotonie der beiden großen Fertigteilhochhäuser zu durchbrechen. Das orthogonale Konstruktionsraster eines der Hochhäuser durchstößt das an einer Gebäudeecke angesetzte polygonale Hörsaalzentrum. Im Inneren wird das strenge Raster äußerst schrill durch die farbig gefassten Raumplastiken des Künstlers Otto Herbert Hajek gebrochen und das Hörsaalzentrum zu einer begehbaren Raumplastik verwandelt.“
Bilder oben: die beiden Hochbauten für Physik und Chemie des NWZ (Naturwissenschaftlichen Zentrums). Letztes Bild: Die S-Bahn-Haltestelle befindet sich direkt vor den Gebäuden.
Bilder oben: Physik- und Chemie-Hochhaus; ein Fußgängersteg überspannt den Pfaffenwaldring.
Bilder oben: Balkone und Feuertreppen an den Hochbauten.
Bilder oben: das Physik-Hochhaus am Abend und im Winter.
Bilder oben: das Foyer im Physik-Hochhaus stellt mit den Raumskulpturen von Otto Herbert Hajek quasi ein begehbares Kunstwerk dar.
Das Mensa-Gebäude auf dem Campus Vaihingen
Clubatmosphäre verbreiten wollten die Architekten des schweizerischen Büros Atelier5 beim Bau des Mensa-Gebäudes auf dem Unicampus in Vaihingen. Mit dem zwischen 1973 und 1976 erbauten Gebäude hatten die Architekten den Ehrgeiz, nicht nur eine Kantine bereitzustellen, sondern eunen Ort, an dem sich die Studenten/innen, treffen aufhalten und austauschen können. Das fünfstöckige Haus besteht aus einem Raster aus Modulen mit den Maßen 3,2 x 3,2 Meter, einer Fläche, die man zum Aufstellen eines Esstisches mit einer Fünferreihen von Stühlen auf jeder Seite benötigt. Die mensa bietet damit 1200 Sitzplätze. Zudem gibt es hier eine Cafeteria mit 500 Plätzen sowie ein restaurant. Auch ein Lebensmittelladen ist im Gebäude untergebracht und früher hatte das Buchhaus Wittwer hier eine Filiale.
Zum Bild: Blick in den Aufenthaltsbereich mit Club-Atmosphäre.

Bilder oben: das Mensagebäude von Atelier5 Architekten wurde zwischen 1973 und 1976 erbaut.
Das Höchstleistungsrechenzentrum (HLRS) der Uni Stuttgart
Auf dem Campus der Universität Stuttgart in Vaihingen wurde 2005 vom Universitätsbauamt Stuttgart und Hohenheim ein Gebäude für das Höchstleistungsrechenzentrum errichtet; die Bauleitung hatten Wenzel + Wenzel Architekten (Stuttgart). Das HLRS wurde 1995 gegründet und ist seit 2003 eine eigenständige Einrichtung der Universität Stuttgart. Das Design des flachen zweistöckigen Gebäudes wird vor allem durch seine Funktion bestimmt. So ist das Untergeschoss für die Stromversorgung und die Kühlung der im Erdgeschoss untergebrachten Höchstleistungsrechenanlage reserviert; die Rechner werden in regelmäßigen Abständen ausgetauscht und durch leistungsfähigere Maschinen ersetzt.
Das Gebäude wurde 2012 um ein Forschungsgebäude erweitert, 2010 kam ein separates Bauwerk für die Stromversorgung der Anlage hinzu.

Bilder oben: das Gebäude für den Stuttgarter Höchstleistungsrechner.
Auf der Website der Deutschen Bauzeitung (Autor: Achim Geissinger) kann man zu dem Gebäude das Folgende lesen:
„Der Reihe bemerkenswerter bis Aufsehen erregender Bauten auf dem Vaihinger Uni-Campus fügte das Universitätsbauamt unter der Leitung von Michael Held jüngst den Neubau für das HLRS hinzu.
Der zur Straße hin gelegene Gebäudeteil enthält die um einen Innenhof herum versammelten Büros, ein zweiter die Halle für die Rechner und die für sie nötige Klimatechnik. Eine mit weißen Horizontalstreifen bedruckte Glasfassade umschließt beide Baukörper und fasst sie zu einer Einheit zusammen. (…) Das Erdgeschoss des Bürotraktes ist im Eingangsbereich um wenige Meter eingezogen, wodurch ein überdachter Vorplatz entsteht. Seine Untersicht bilden golden spiegelnde Lamellen, die sich auch durch die Innenräume ziehen. Zusammen mit den spiegelnden Effekten metallener Wände, einzelner hellpink gestrichener Flächen und den Farben des widergespiegelten Außenraums erzeugen sie je nach Standort und Sonnenstand sehr eigentümliche Lichtstimmungen. Gerahmte Ausblicke und das Farbkonzept des Künstlers Harald F. Müller, zu dem auch das dunkle Grün der Treppenhausgläser und das kräftige Gelb des Aufzugturms gehören, bereichern den technisch-wissenschaftlichen Charakter des Instituts um eine sinnliche Komponente.“
Bilder oben: der verglaste Eingangsbereich des Gebäudes mit der spiegelnden Decke.
Bilder oben: das Stromversorgungsgebäude und Impressionen aus dem farbenfroh gestalteten Innenraum der Forschungseinrichtung. Am „Unitag“, dem Tag der Offenen Tür der Uni Stuttgart, kann das HLRS im Rahmen von Führungen auch besichtigt werden.
Die Kunstakademie abk (Campus Weißenhof)
Auf dem Campus Weißenhof befinden sich drei Gebäude für die Staatliche Akademie der Bildenden Künste (abk): der Altbau von 1913, der „Neubau 1“ oder „Architekturbau“ (Bauzeit 1964-68) mit Werkstattbau (1972) sowie der „Neubau 2“ von 1994.
Die Hochschule bietet ein breites Spektrum an Studiengängen in den Bereichen Architektur, Design, Kunst, Künstlerisches Lehramt sowie in Kunstwissenschaften und Restaurierung. Eine Besonderheit der Stuttgarter Staatlichen Akademie der Bildenden Künste ist das besonders umfangreiche Angebot an Werkstätten und die damit verbundene inhaltliche Zusammenführung der freien und der angewandten Künste.
Die Akademie ging aus der 1761 von Herzog Carl Eugen von Württemberg gegründeten Académie des Arts hervor. Diese „Academia artium Stuttgardensis“ wurde 1782 der Hohen Carlsschule angegliedert. Später war die Kunsthochschule im Gebäude der Königlichen Kunstschule mit Kunstsammlung untergebracht, dem zwischen 1834 und 1842 erbauten heutigen Altbau der Staatsgalerie. Danach zog sie in einen Neubau in der Urbanstraße um; dieses Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Parallel zu der Kunstschule entwickelte sich ab 1868 die Staatliche Kunstgewerbeschule mit Lehrwerkstätten. Diese Kunstgewerbeschule wurde von dem Maler, Designer und Architekten Bernhard Pankok geleitet, der 1913 den Bau eines eigenen Gebäudes anregte und auch mitplante – in ihm sollten alle Kunstlehranstalten unterkommen können. Gebaut wurde der heutige Altbau der Akademie der Bildenden Künste in den Jahren 1912/13 von Ludwig Eisenlohr und Oscar Pfennig.
Dazu schreibt Cord Beintman in seinem Buch „Reclam Städteführer Stuttgart / Architektur und Kunst“ (Reclam Verlag, Ditzingen, 2021) das Folgende: „Der 1912/13 errichtete Altbau mit seiner reduziert-klaren Fassade ist kaum noch historistisch geprägt, sondern hat eine funktionalistische Ausstrahlung. Nur das Eingangsportal mit seinen Kolossalhalbsäulen und das Kranzgesims intonieren noch historische Bezüge. An der Südflügelfassade sind sieben Kratzputzreliefs (Sgraffiti) miz Szenen von Rudolf Rochga (u. a. Maurer bei der Arbeit, Kunstgewerbe) aus den Jahren 1930-33 zu sehen. (…)“
Auf der Website der abk wird der Altbau als ein Gebäude beschrieben, das „den Idealen einer funktionalen und sachlichen Jugendstil-Architektur“ folgt.

Bilder oben: das Hauptgebäude (Altbau) der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste.
Bilder oben: Sgraffiti von Rudolf Rochga an der Südfassade des Gebäudes. (Rochga war Lehrer an der Stuttgarter Kunstgewerbeschule.)
1941 wurden die Kunstakademie und die Kunstgewerbeschule zusammengeführt zur Akademie der Bildenden Künste. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1946 Willi Baumsieter als Professor an die Kunstakademie berufen; die Akademie wurde in diesem Jahr wiedereröffnet.
Der „Neubau 1“ (auch „Architekturbau“) wurde nach Plänen von Manfred Aichele und Peter Schenk in den Jahren 1964-68 erbaut, das Werkstattgebäude wurde vier Jahre später fertiggestellt (1972).
Der „Neubau 2“, eine moderne Stahl-Glas-Konstruktion wurde 1994 von der Architektengemeinschaft MGF (Mahler, Gumpp, Schuster; Stuttgart) geplant und gebaut (und 1995 mit einer Anerkennung beim Deutschen Architekturpreis gewürdigt).
Zum Bild: im grünen Hof auf dem Campus sind immer wieder realisierte Projekte der Klasse „Konstruktives Entwerfen“ ausgestellt; so 2012 diese Holzstruktur, die sicher gut als „Stadtmöbel“ Nutzer/innen finden würde.

Bilder oben: Neubau 1 zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten.
Bilder oben: der Neubau 1 spiegelt sich in der Glasfassade des Neubaus 2; die Betonlamellen vor der eigentlichen Gebäudefassade.
Bilder oben: erinnert etwas an die „Wohnmaschinen“ von Le Corbusier: das Gebäude schwebt auf massiven Pilotis.
Bilder oben: die „Pilotis“, massive Stützen im Tragwerk des Gebäudes.
Bilder oben: Foyer des Neubaus 1 (während einer Ausstellung).
Bei der Ausstellung („Junge Unis in Baden-Württemberg / Hochschulbauten der Nachkriegs- und Postmoderne“ im Neubau 1 (Oktober 2023) wurde auch der dieses Gebäude der Kunstakademie beschrieben. „Das 1964-1970 geschaffene Lehrgebäude mit Werkstätten gehört zu den herausragenden Zeugnissen der modernen Architektur im deutschen Südwesten. Die Architekten Peter Schenk und Klaus Aichele, Schüler Rolf Gutbrods, waren von der Beton-Brut-Architektur Le Corbusiers inspiriert. (…) Die Fassade mit den kastenartigen Betonlamellen täuscht: im Inneren überraschen den Besucher offene Galerien und sorgen für ein vertikal-schluchtartiges Raumgefühl. Das Erdgeschoss besitzt einen lichten Glassaalunter einer kühnen Stützenkonstruktion.“
Bilder oben: das mit dem Neubau 1 verbundene Werkstattgebäude.
Bilder oben: der Neubau 2 von 1994; im Atrium ist eine komplette Wand mit einer Videoinstallation belegt.
Was sofort auffällt, wenn man sich dem Campus Weißenhof nähert, ist die gelbe Skulptur, die vor dem Neubau 1 in die Höhe ragt; dabei handelt es sich um den „Plastikturm“, ein Projekt, welches 2007 in der Klasse Konstruktives Entwerfen und Tragwerkslehre (Prof. Dr.-Ing. Stephan Engelsmann) ausgearbeitet und von den Studenten/innen aus faserverstärkten Kunststoffsegmenten auch realisiert wurde (Entwurf: Franciska Ganns, Apostolos Michailidis).
Bilder oben: der „Plastikturm“.