Stuttgart Nachkriegs-Wohnbau

Wohnungsbau nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (bis in die 1970er Jahre)

In den ersten Nachkriegsjahren lag der Schwerpunkt zunächst auf der Wiederherstellung beschädigten Wohnraumes; viele Menschen, besonders auch Flüchtlinge, waren auf Notunterkünfte und Behelfsbauten angewiesen. Ein erstes Wohnungsbaugesetz des Bundes gab 1950 dem Mietwohnungsbau bzw. dem sozialen Wohnungsbau Vorrang, der vor allem von gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften umgesetzt wurde. Eine namhafte Neubautätigkeit trat erst nach der Währungsreform 1948 ein; damit kam der Wiederaufbau von innerstädtischen Bereichen in Gang, Baulücken wurden geschlossen und am Stadtrand entstanden erste Neubausiedlungen.

Bild oben: Nachkriegsarchitektur im Wohnungsbau: Zeilenbebauung und Punkthochhäuser in Stuttgart Mitte (Danneckerstraße, Alexanderstraße).

Entstehung neuer Trabantenstädte

Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die städtischen Funktionen räumlich vielfach getrennt: danach sollten neue größere Wohnsiedlungen eher am Stadtrand entstehen: so wurden die Trabantenstädte Rot, Mönchfeld, Fasanenhof, Freiberg, Neugereut, Asemwald, Lauchhau (bei Vaihingen) oder die Siedlungen Spitalwald oder Im Laihle (in Botnang) geplant und gebaut.

Auch die Industrie erweiterte ihre Produktionsstätten vorwiegend an der Peripherie und auch die Infrastruktur wurde am Stadtrand und in den Vororten ausgebaut (Flughafen und Messe auf den Fildern, Neckarhafen in Untertürkheim, Großmarkt in Wangen). Diese Strukturierung führte und führt zu großen Pendlerströmen zwischen den Wohnorten und den Arbeitsstätten; in der Innenstadt entstanden Dutzende von Parkhäusern, um Pendlern und Kunden des Einzelhandels Parkplätze anbieten zu können.

Die Bauleistungen nach dem Zweiten Weltkrieg waren gewaltig: so standen bis 1960 etwa den 33 im Krieg zerstörten Schulen nun 50 Neubauten gegenüber, in Vaihingen entstand ein neuer Uni-Campus, im Kultur- und Freizeitbereich wurden viele Hallenbäder neu errichtet (z. B. das Leo Vetter-Bad im Suttgarter Osten von Werner Gabriel) und am Berliner Platz wurde von Rolf Gutbrod und Alfred Abel die ikonische Liederhalle erbaut.

Trotz des enormen Drucks auf den Neubau von Wohnungen und den begrenzten Mitteln entstanden vielfach pionierhafte neue Gebäudeformen und Bauten hoher architektonischer Qualität.

Die „Eisenbahner-Hochhäuser“

Zwischen 1954 und 1956 baute Helmuth Conradi mit der Bauabteilung der Deutschen Bundesbahn auf dem ehemaligen Galgenhügel südlich des Pragfriedhofes (Friedhofstraße und Mönchstraße) die so genannten „Eisenbahner-Hochhäuser“, nämlich Wohnhochhäuser für Beschäftigte der Bundesbahn beim nahe gelegenen Stuttgarter Hauptbahnhof.

Zu den Gebäuden schreibt Gilbert Lupfer in seinem Buch „Architektur der fünfziger Jahre in Stuttgart“ (Silberburg-Verlag, Tübingen und Stuttgart, 1997) das Folgende: „(…) Die aus vier Objekten bestehende Gruppe bildete den zweiten Wohnhochhauskomplex in Stuttgart. Der erste war fast zeitlich an der Danneckerstraße am Südrand der Innenstadt errichtet worden. (…) Das Baugelände lag zwischen Pragfriedhof und Güterbahnhof, die umgebende Bebauung war zerstört. Die vier Häuser wurden in der Friedhof- und Mönchstraße am Rande eines steil zum Bahngelände hin abfallenden Hanges platziert. (…) Die Eisenbahnsiedlung GmbH und die Stuttgarter Siedlungsgesellschaft ließen hier Mietwohnungen für Bahnbedienstete erstellen. Planung und Bauleitung lagen in den Händen von Oberbundesbaurat Helmuth Conradi und der Bundesbahn-Bauabteilung. Großform und Grundrisse der vier Häuser sind identisch. Sie differieren lediglich in der Höhe (11 bis 15 Geschosse) und der Fassadenverkleidung.“

Zum Bild: eines der vier Hochhäuser, die vom Grundriss her identisch aufgebaut sind; sie unterscheiden sich in der Geschosszahl und der Farbgebung der Fassade.

Bilder oben: die drei Hochhäuser an der Mönchstraße und das vierte an der Friedhofstraße (ganz links im Bild).

Bilder oben: die „Eisenbahner-Hochhäuser“.

Bilder oben: Blick auf die „Eisenbahner-Hochhäuser“ von der Haußmannstraße aus. Im Hintergrund der Porsche Design Tower (links) und das Appartementhochhaus „Skyline Living“ (rechts), davor der Bülow-Turm.

Bilder oben: alle Hochhäuser haben denselben Grundriss in Form des Buchstabens „Y“.  Wo sich das Y öffnet, befinden sich rechts und links der Mittelachse  je zwei Fenster sowie eine Loggia. Die Balkone sind z.T. jedem Stockwerk zugeordnet, zum anderen nur jedem zweiten.

Zu Form, Farbigkeit und Dekoration der Hochhäuser schreibt Gilbert Lupfer in seinem Buch „Architektur der fünfziger Jahre in Stuttgart“ (Silberburg-Verlag, Tübingen und Stuttgart, 1997) das Folgende:

„Die Eisenbahn-Hochhäuser zeigen ganz andere Charakteristika (als andere Hochhausbauten dieser Zeit in Stuttgart; eigene Anm.): plastische Durchgestaltung der Baukörper und deren Auffassung als „sprechende“ Architektur; bewegte, dynamische Formen; eine breite Farb- und Materialpalette. Viele Details verweisen unverwechselbar auf die fünfziger Jahre als Entstehungszeit, so die Verkleidung aus Keramikplatten, die unterschiedliche Farbigkeit der Balkon- und Loggienbrüstungen, die schräg vorstoßenden Balkone, (…).“

Die Eisenbahner-Hochhäuser, vom Gleisvorfeld des Kopfbahnhofes aus gesehen (August 2010).

Bilder oben: die Hochhäuser unterscheiden sich in der Farbgebung.

Bilder oben: das vierte Hochhaus liegt an der Friedhofstraße.

Hans Scharoun baut Romeo und Julia

Die Bebauungspläne der ZAS (Zentrale für den Aufbau der Stadt Stuttgart) sahen im Bereich Schozacher Straße, Haldenrainstraße und Schwabbacher Straße am Rande des Stadtteils Zuffenhausen und dem Übergang zur (neuen) Siedlung Rot 1953 auch Wohn-Hochhäuser mit 12 bis 15 Stockwerken vor – einerseits, um viele neue Wohnungen auf kleinem Raum zu gewinnen und andererseits als städtebaulichen Akzent, den solche Solitäre an dieser Stelle setzen könnten.

Gebaut wurden schließlich zwischen 1954 und 1959 das Wohnhochhaus „Romeo“ mit 19 Stockwerken (104 Wohnungen) und das Laubenganghaus „Julia“ mit abgetreppten Höhen von 12, 8 und 5 Stockwerken (82 Wohnungen), welches an die niedrigere Bebauung Zuffenhausens anschloss. Gegenüber diesem Duo wurde nach Plänen von Otto Traber und Richard Dippon ein weiteres Hochhaus errichtet.

Bild oben: das Laubenganghaus Julia (im Vordergrund) und das Wohnhochhaus Romeo (rcehts) von Hans Scharoun im Stadtteil Stuttgart-Rot.

Architekt des Hochhausensembles Romeo und Julia war Hans Scharoun, der dabei mit dem Stuttgarter Architekten Wilhelm Frank zusammenarbeitete.

Scharoun hatte bereits bei der Internationalen Bauausstellung auf dem Weißenhof 1927 mit seinem Beitrag für Aufmerksamkeit gesorgt.

Das Hochhaus Romeo hat einen polygonalen Grundriss mit weit vorspringenden Balkonen; das Haus Julia steht auf halbkreisförmigem Grundriss. Zwischen den beiden Gebäuden befinden sich Garagen, ein Grünbereich, sowie ein verbindendes Funktionsgebäude, in dem zur Selbstversorgung der Bewohner/innen u.a. Läden, ein Restaurant sowie eine Wäscherei untergebracht waren.

Beide Gebäude weisen eine ausgeprägte Farbigkeit der Fassaden auf; die Farbgestaltung übernahm Manfred Pahl (ein Schüler von Adolf Hölzel an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart); er war von Richard Döcker in das Stuttgarter Stadtplanungsamt berufen worden. Bezüglich der Farbintensität gab es zwischen Pahl und Scharoun einerseits und dem Bauträger (Universum Treubau-Wohnungs-GmbH) andererseits aber Unstimmigkeiten; der Bauträger setzte sich schließlich mit gedeckteren Pastelltönen durch.

Zu den Bildern: in einer Vitrine an den Gebäuden wird über ihre Entstehungsgeschichte und Architektur informiert.

Die komplexe und kantige Grundrissgestaltung des Hochhauses Romeo entwickelte Scharoun aus den Anforderungen an den individuellen Zuschnitt der Wohnungen heraus mit ausreichend Belichtung der Räume und Außenflächen in Form von Balkonen / Loggien. So ergab sich die äußere Form „organisch“ aus der inneren Funktion. Jede Etage sah sechs unterschiedlich große Wohnungen vor; im Dachgeschoss gibt es vier Atelierwohnungen; eine davon nutzte Scharoun selbst als Zweitwohnsitz.

Das Haus Julia schraubt sich im Halbkreis von 5 über 8 auf 12 Etagen in die Höhe; besonders auffallend sind die nach außen spitzwinklig vorspringenden  und raumgreifenden Balkone. Die Erschließung der Wohnungen erfolgt über Laubengänge auf der Innenseite des Halbrunds und Treppenhäuser in der Mitte und an den Enden des Halbkreises.

Zum Bild: Modell einer Wohnung in einer Informations-Vitrine am Gebäude.

Auch beim Haus Julia gibt es im obersten Geschoss Atelierwohnungen mit Zugang zu Dachterrasse, die von einem weit auskragenden Dach (den Grundriss der Stockwerke abbildend) geschützt wird. Die ungewöhnlich asymmetrische, ja teilweise geradezu bizarre Form der Gebäude stieß in der Bevölkerung zunächst nicht auf ungeteilte Zustimmung; andererseits sorgten die für die damaligen Verhältnisse sehr gute Ausstattung der Wohnungen und der moderate Preis dafür, dass bei Vollendung der Bauarbeiten alle Wohnungen auch verkauft waren. Dazu beigetragen hat vielleicht auch die Namensgebung des Gebäudeduos, welche für die Bewohner/innen identitätsstiftend gewirkt haben mag – Ziel Scharaouns war es ja, auch im Hochhaus individuelles Wohnen zu erlauben.

Bilder oben: das Duo Julia (vorn) und Romeo (hinten).

Bilder oben: Garagen und Gemeinschaftseinrichtung mit Läden und Dienstleistungen.

Bilder oben: das Laubenganghaus „Julia“ mit seinen weit vorspringenden spitzwinkligen Balkonen.

Bilder oben: im Innenhof des im Halbrund errichteten Gebäudekomplexes.

Bilder oben: das zentrale Treppenhaus, von dem aus man die Laubengänge erreicht.

Bilder oben: Wohnhochhaus „Julia“ – zentrales Treppenhaus und Laubengänge.

Auf der anderen Straßenseite, „Romeo“ und „Julia“ gegenüber, errichteten Otto Traber und Richard Dippon etwa zeitgleich ein drittes Wohnhochhaus (an der Haldenrainstraße). Der 1957 fertiggestellte Baukörper besteht aus einem 15-stöckigen Mittelbau und zwei seitlichen, 12- und 13-stöckigen Anbauten. Die unterschiedlichen Gebäudeteile sind auch farblich abgesetzt. Auch dem Dach der Anbauten entstanden Dachterrassen für den höheren Gebäudeteil. Zur Nahversorgung wurde direkt an das Gebäude angegliedert eine Ladenzeile gebaut. Von der Grundrissgestaltung, die im wesentlichen auf rechten Winkeln beruht, ist das dritte Hochhaus weniger individuell und praktisch in Bezug auf Besonnung und Wohnkomfort ausgestattet als das Duo „Romeo“ und „Julia“.

Bilder oben: die drei Baukörper schließen jeweils mit einem auskragenden Flachdach ab.

Die Großsiedlung Fasanenhof

Die Siedlung Fasanenhof entstand ab Anfang der 1960er Jahre auf einer Fläche am Autobahnkreuz Stuttgart-Degerloch („Echterdinger Ei“) auf der Basis eines Bebauungsplans des Stadtplanungsamtes der Stadt Stuttgart und war als Großsiedlung für 10 Tausend Einwohner konzipiert. Ausgedehnte Lärmschutzwälle schützen die Bewohner/innen vor dem Lärm der Autobahn.

Der Name „Fasanenhof“ lässt sich auf die Fasanerie zurückführen, die Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg 1730 hier anlegen ließ.

Markant sind die drei 20-stöckigen Wohnhochhäuser auf dem Gelände: das Hochhaus „Salute“ von Hans Scharoun (1963), das Hochhaus „Fasan I“, ein Reihenhochhaus, von Josef Lehmbrock / Düsseldorf und Wilhelm Tiedje / Stuttgart (erbaut 1962-64) und das aus zwei über Brücken verbundenen Türmen bestehende Wohnhochhaus „Fasan II“ (Otto Jäger und Werner Müller, Stuttgart, 1963-65). „Fasan II“ wurde zeitgleich mit der ebenfalls von Jäger und Müller gebauten Wohnstadt Asemwald errichtet. Dabei lässt sich das Erschließungssystem der Wohnungen sowie die Gestaltung von Balkonen und Fassaden bei „Fasan II“ durchaus mit den in Asemwald realisierten Lösungen vergleichen. Gebaut wurde das Doppelhochhaus nach dem „Teilmontagesystem“: das Tragwerk wurde vor Ort betoniert und darin vorgefertigte Fassadenplatten eingesetzt. Auch die nichttragenden Wände sowie die Balkonbrüstungen wurden fertig angeliefert. Das Gebäude wurde 2012 umfangreich saniert und erhielt dabei auch einen anderen Fassadenanstrich.

Das Wohnhochhaus „Fasan I“ ist ein Scheibenhochhaus von 75 Metern Länge und 60 Metern Höhe; eine Seite der „Scheibe“ ist gestaffelt angelegt; erschlossen werden die Wohnungen über Laubengänge.

Außer diesen Wohnhochhäusern gibt es noch zwei 8-stöckige scheibenförmige Wohnbauten sowie Geschosswohnungsbau und Eigenheimbauten. Auf dem gesamten Gelände wurden beim Bau der Gebäude auch 12 Tausend neue Bäume gepflanzt, die mittlerweile zu stattlicher Größe herangewachsen sind.

Seit 2010 ist die Siedlung mit der U-Bahnlinie U6 gut an den Öffentlichen Personennahverkehr angebunden.

Bei der Umsetzung des Programms „Soziale Stadt“ für den Bereich Fasanenhof wurden ab 2003 viele Gebäude renoviert/saniert, die soziale Infrastruktur wurde ausgebaut, das ursprüngliche Ladenzentrum abgerissen und am Europaplatz ein neues Nahversorgungszentrum eingerichtet mit Läden, Dienstleistungsangeboten und Gastronomie.

Bilder oben: die beiden Türme des Doppelhochhauses „Fasan II“ sind durch Brücken in mehreren Stockwerken miteinander verbunden.

Bilder oben: das Wohndoppelhochhaus „Fasan II“ vor der Fassadenneugestaltung von 2012.

Bilder oben: bei der Sanierung/Renovierung von 2012 hat das Gebäude auch einen neuen Fassadenanstrich erhalten.

Bilder oben: die wie „gefaltet“ wirkende Fassade des scheibenförmigen Wohnhochhauses Fasan I“.

Bilder oben: die U-Bahnlinie U6 schließt seit 2010 den Stadtteil Fasanenhof an den Öffentlichen Personennahverkehr an.

Hans Scharouns Wohnhochhaus „Salute“ in Stuttgart-Fasanenhof (1963)

Nach „Fasan I“ und „Fasan II“ ist das Hochhaus „Salute“ von Hans Scharoun das dritte 20-stöckige Wohnhochhaus in der Siedlung Fasanenhof.

Zu dem Gebäude kann man bei Sophie Kowall in „Stuttgart baut auf!“ (Hohenheim Verlag GmbH, Stuttgart-Leipzig, 2012) das Folgende lesen: “ >Aus der stupiden Zeilenbebauung mit maßstabslosen, in Gestalt und Detail allzu durchschnittlichen Wohnblöcken ragt ein qualitativ und quantitativ erfreulicher Beitrag zum Thema des modernen Wohnbaus heraus – das Hochhaus ‚Salute‘. (…) < Auch Scharouns drittes in Stuttgart errichtetes Wohnhochhaus rief offenbar positive Reaktionen in der Fachpresse hervor, wie dem Kommentar der Deutschen Bauzeitung (von 1961, eigene Erg.) zu entnehmen ist.

Das 20-geschossige Hochhaus liegt im Nordosten, nahezu in der geografischen Mitte der Siedlung (…). Das Gebäude besteht aus zwei leicht konvex gewölbten, gegeneinander versetzten Wohnscheiben, die über ein Verkehrselement miteinander verbunden sind. Die beiden Gebäudeflügel werden über ein gemeinsames Treppenhaus erschlossen, von dem aus die Laubengänge zugänglich sind. (…) In formaler und inhaltlicher Hinsicht stellt das Hochhaus Salute eine Synthese der zuvor in der Siedlung Rot entstandenen Hochhäusern Romeo und Julia dar. Mit der identitätsstiftenden Namensgebung „Salute“ und einer individuellen Grundrissgestaltung begegnet Scharoun der vermeintlichen Vermassung und Anonymisierung im Hochhauswohnungsbau (…).“

Im Wohnhochhaus „Salute“ wurde auch der Einbau von Maisonettewohnungen umgesetzt, der beim Hochhaus „Romeo“ in Stuttgart-Rot zwar geplant, dann aber nicht realisiert wurde. Die beiden Geschosse dieser Wohnungen sind durch eine Innentreppe verbunden, was zu einem Wohngefühl wie im Einfamilienhaus führt – aber eben im Hochhaus angesiedelt ist.

Bilder oben: das Wohnhochhaus „Salute“ in Stuttgart-Fasanenhof. Scharoun nahm bei der Gestaltung der Balkone im Westen die spitzwinklige Form mit Kreissegment-Querschnitt auf, die auch bei den Hochhäusern Romeo und Julia in Rot zur Anwendung kamen. Die Dachwohnungen im 19. bzw. (im anderen Gebäudeteil) 20. Stockwerk haben Dachterrassen und in den Gebäuden gibt es auch einige Maisonette-Wohnungen, die ursprünglich auch für Rome und Julia schon geplant waren, dort aber nicht realisiert wurden.

Die „Wohnstadt Asemwald“ (1968-72)

Zur Linderung der dramatischen Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ganze Stadtteile neu geplant und gebaut; dazu gehört auch die „Wohnstadt Asemwald“, zu der seit 1959 Planungen stattfaden. Die Neue Heimat (NH), eine große, gemeinnützige Bau- und Wohnungsgesellschaft trat als Bauträger auf; die Neue Heimat war nach dem Zweiten Weltkrieg dem DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) übergeben worden; seit den 1960er Jahren stieg sie in Planung und Bau von Großsiedlungen ein (Neue Vahr in Bremen, Stadtteil Neuperlach in München usw.). Planende Architekten waren für das Stuttgarter Projekt Otto Jäger und Werner Müller. Ursprünglich (1959) war auf einer Baufläche von 14 Hektar EIN großer, 650 Meter langer, 20 Meter tiefer und 50 Meter hoher Wohnblock vorgesehen. Die Planer ließen sich wohl auch von Le Corbusiers Entwicklung einer „Unité d’Habitation“ leiten: möglichst viele städtische Funktionen wie Einkaufsmöglichkeiten, Freizeit- und Sporteinrichtungen, Kinderbetreuung, Gastronomie etc. sollten in den Wohnungskomplex integriert werden.

Stadt, interessierte Öffentlichkeit und Presse kritisierten dieses Mammutprojekt mit dem Namen „Hannibal“ aber massiv und so wurden die Planungen mehrfach angepasst: der einzelne Wohnblock wurde nun in drei jeweils etwa 135 Meter lange Gebäudescheiben aufgeteilt: der Wohnblock A ist in Nord-Süd-Richtung orientiert und enthält in der obersten Etage ein Schwimmbad und ein Restaurant mit Dachterrasse; die Blöcke B und C sind in West-Ost-Richtung ausgerichtet und leicht versetzt zu einander angeordnet. Die Wohnhochhäuser sind zwischen 21 und 23 Stockwerke hoch und enthalten zusammen 1143 Eigentumswohnungen. Zwischen den ersten Planungen und dem ersten Spatenstich vergingen durch die vielen Planänderungen ganze zehn Jahre.

Bild oben: die Hochhausscheiben der „Wohnstadt Asemwald“ sind auch vom Fernsehturm aus gut zu sehen: die Blöcke B und C sind von Nord nach Süd orientiert, der Block A erstreckt sich von West nach Ost; bei den Dachaufbauten handelt es sich hier um das Schwimmbad und das Dachrestaurant. Im Bildhintergrund der Flughafen in Echterdingen, die Messehallen und das Bosch-Parkhaus über der Autobahn A8.

Gebaut wurde direkt neben den Wohnblocks auch ein Nahversorgungszentrum mit Restaurant, Bäckerei, Café, Bankfiliale und einer Ladenzeile sowie einem Supermarkt; in der „Wohnstadt“ gibt es auch Arztpraxen, Kindergärten und ein Ökumenisches Zentrum. Die Großsiedlung befindet sich mitten im Wald im Stadtteil Plieningen; dieser Wald wurde zum „Wald-Park“ umgebaut, mit Spazierwegen und Sitzgelegenheiten. Auf dem Gelände gibt es auch Spielplätze, Bolzplätze, Tennisplätze sowie eine Eislauffläche. Alle Wohnungen haben einen Autostellplatz in den zweistöckigen Tiefgeragen. Die Wohnblock und die anderen Einrichtungen sind durch überdachte Fußwege miteinander verbunden.

Alle Wohnungen der drei Blöcke haben Balkone und von den oberen Stockwerken hat man einen wunderbaren Ausblick auf die Umgebung und die Schwäbische Alb. Nur die Außenwände der Wohnungen sind tragend; die Innenaufteilung kann dann relativ flexibel gestaltet werden; 21 verschiedene Wohnungsgrundrisse wurden angeboten. Die Wohnungen sind über Treppenhäuser und Aufzüge erreichbar; ein Block besteht dabei aus sechs „Häusern“ mit je zwei Aufzügen; die Erschließung der Wohnungen ergibt also so genannte „Dreispänner“.

Gute Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr: über einen Steg gelangt man zur Bushaltestelle direkt vor den Wohnblocks.

Gebaut wurde von 1968 bis 1972; dann zogen etwa 2400 Menschen in die Wohnungen ein; heute leben noch etwa 1800 Bewohner/innen in den sehr geschätzten Wohnungen mit guter Wohnqualität. Viele Menschen, die 1972 einzogen, wohnen heute noch dort oder haben ihre Wohnung an ihre Kinder übergeben. Entgegen den Erwartungen und den in der Öffentlichkeit bei Planung geäußerten Befürchtungen bilden die Bewohner/innen der „Wohnstadt Asemwald“ eine gut funktionierende und gut nachbarschaftliche Gemeinschaft. Die Verkehrsanbindung ist sehr gut: direkt vor den Wohnblöcken befindet sich eine Bushaltestelle des ÖNPV und mit dem Auto ist man in 15 Minuten in der Innenstadt und in wenigen Minuten auf der Autobahn A8.

Bilder oben: Infotafel zu den Baudaten auf dem Gelände und Titelblatt der Informationsbroschüre, welche die Neue Heimat zu dem Projekt herausgegeben hat.

Bilder oben: die drei Wohnhochhäuser der „Wohnstadt Asemwald“ vom Fernsehturm aus und vom Boden.

Bilder oben: Fensterbrüstungen und Markisen haben einheitliche Farben.

Bilder oben: jeder der drei Blöcke besteht aus sechs „Häusern“, die einen eigenen Eingang haben. Hier befinden sich 2 Aufzüge und ein Treppenhaus und die Wohnungen sind als „Dreispänner“ erschlossen. Auf besondere Einrichtungen (Arztpraxis, Dachrestaurant/Schwimmbad) wird schon am Eingang verwiesen.

Bilder oben: erste beide Bilder: im Block A sind das Schwimmbad und das Dachrestaurant untergebracht; letztes Bild: Skulptur auf der Freifläche zwischen den Blocks.

Bilder oben: die Nahversorgung ist mit einer Ladenzeile und einem Supermarkt gesichert; überdachte Gehwege (Pergolen) verbinden die Wohnblocks mit diesen Einrichtungen.

Die Wohnsiedlung Lauchhau (1968-1972)

Das Baugebiet befindet sich auf einer dreieckigen Fläche nahe des Universitäts-Campus in Vaihingen an der Büsnauer Straße, auf einer Seite begrenzt durch ein Waldstück, auf den anderen durch die B14 und das Gelände der amerikanischen Patch-Barracks. Die Siedlung stellt eine zwischen 1968 und 1972 errichtete Erweiterung des Stadtteils Vaihingen dar.

Den Zuschlag beim Architektur-Wettbewerb gewannen die Architekten Wolf Irion, Reiner Färber und Hellmut Mang (Stuttgart). Es wurden etwas mehr als 400 Wohnungen im Geschosswohnungsbau (bis zu 22 Stockwerke) gebaut, darunter vor allem solche im sozialen Wohnungsbau sowie Ladengeschäfte, Kindergärten, Arztpraxen, ein Familienzentrum und ein Bürgerzentrum; auch Spiel- und Bolzplätze wurden angelegt. In einem der Wohnhochhäuser wurde im Erdgeschoss ein „Treffpunkt“ eingerichtet, ein Begegnungszentrum für Bewohner/innen der Siedlung, in dem alle möglichen Veranstaltungen stattfinden konnten.

Blick über neuere Bauabschnitte auf die Wohnhochhäuser in der Siedlung Lauchhau.

In den „Stuttgarter Beiträgen“, Heft 12: „Wohnen im Lauchhau“, Karl Krämer Verlag,  1975 schreibt der Architekt Wolf Irion das Folgende: „Seiner geografischen Lage nach (…) musste der Lauchhau eine in sich geschlossene städtebauliche Wohneinheit bilden, ohne auf absehbare Zeit die Möglichkeit zu haben, erweitert oder irgendwie integriert werden zu können. So wurde auf die nachbarschaftliche Öffnung der Anlage nach innen, auf die Aktivierung des inneren Freiraums und die Partizipation der Wohnungen an ihnen Wert gelegt – von fast allen Wohnungen übersieht man wenigstens teilweise die Wege zum Kindergarten, zum Jugendraum, zum Selbstbedienungsladen, zur Bushaltestelle.“

Zum „Treffpunkt“ schreibt das Stuttgarter Sozialamt in derselben Schrift das Folgende: „Die Erfahrungen an diesem kleinen Provisorium machen eindrucksvoll deutlich, welchen wichtigen Beitrag ein Mehrzweckhaus (später Bürgerhaus!) zur Integration eines Neubaugebiets leisten kann, vor allem, wenn ein erster Bauabschnitt schon beim Einzug der Bewohner zur Verfügung steht.“

Auf Betreiben eines Bürgerforums wurde nach zweijährigenr Bauzeit 2008 das neue Gebäude des Bürgerhauses Lauchhau-Lauchäcker fertiggestellt; Architekten war Sven Kohlhoff und Johannes Meinke. In der Nähe entstand auch ein weiterer Neubau, in dem eine Kindertageseinrichtung untergebracht ist.

Bilder oben: in der Wohnsiedlung gibt es Wohnblöcke mit bis zu 9 Stockwerken und Punkthochhäuser mit bis zu 22 Etagen.

Bilder oben: Wohnhochhäuser im Lauchhau.

Bilder oben: das 2008 in Betrieb genommene Bürgerhaus bildet ein soziales Zentrum für die Siedlung.

Bilder oben: in Nachbarschaft zum Bürgerhaus ist in neuerer Zeit ein weiteres Gebäude für eine Kindertagesstätte entstanden.

Bilder oben: das Kinder- und Familienzentrum im Lauchhau.

Der Stadtteil Stuttgart-Freiberg

befindet sich im Nordosten Stuttgarts zwischen Rot und Mönchfeld und ist mit etwa 7500 Einwohnern/innen der zweitgrößte Stadtteil im Bezirk Mühlhausen. Bereits seit 1970 ist der Stadtteil über die Linie U15 der Stadtbahn gut an den Öffentlichen Personennahverkehr angebunden.

Die Wohnsiedlung entstand zwischen 1963 und 1969 nach Plänen des Stadtplanungsamtes unter Leitung von Gustav Heyer und dem Architekten Hans Max Brenner. Die Planungsarbeiten hatten sich von 1959 bis 1962 hingezogen. Zu den Architekten der Gebäude gehörte u.a. Hans Luz.

In dem Gebiet befinden sich mehrere parallel zueinander stehende Scheiben-Hochhäuser (zum Teil stehen diese mit Luftgeschossen auf Pilotis); überragt werden sie alle vom Julius-Brecht-Hochhaus. Dieser Wohnblock umfasst 440 Wohnungen auf 22 Stockwerken und war bei seiner Fertigstellung 1969 das höchste/größte Wohngebäude Deutschlands. Das 70 Meter hohe Julius-Brecht-Hochhaus wurde vom Bau- und Heimstättenwerk und der Baugenossenschaft Zuffenhausen errichtet und ebenfalls von Hans Max Brenner geplant.

Die Luftgeschosse wurden bei manchen Gebäuden später geschlossen und die dabei entstehenden Räume einer Nutzung zugeführt.

Bild oben: Zentraler Platz in Stuttgart-Freiberg mit Ladenzentrum; im Hintergrund das Julius-Brecht-Hochhaus mt 440 Wohnungen.

Bilder oben: das Julius-Brecht-Hochhaus.

Bilder oben: Blick auf die Ostseite des Gebäudes vom Parkplatz aus.

1972 wurde ein erster Bauabschnitt des 9-geschossigen und hauptsächlich aus vorfabrizierten Wandelementen bestehenden Hochhauses „Apollo“ vollendet, geplant von der Architektengruppe Jäger/Pabst/Oelssner/Strom; seinen Namen verdankt das Gebäude vermutlich dem zu dieser Zeit von der NASA ausgeführten Apollo-Mondlandeprogramm. Mit seiner kühn geschwungenen Fassade hat das Haus tatsächlich etwas Futuristisches an sich und ist eine Kombination aus Hoch- und Terrassenhaus. In dem Gebäudekomplex gibt es v.a. gut ausgestattete Eigentumswohnungen und mehrere Arztpraxen.

Bilder oben: das 130 Meter lange Terrassenwohnhochhaus „Apollo“ in Stuttgart-Freiberg.

Bilder oben: die Wohnungen reichen stets von der einen zur gegenüberliegenden Gebäudeseite und sind dort mit einem Balkon / einer Terrasse ausgestattet. Letztes Bild: Feuertreppe am Gebäude.

Bilder oben: Gebäudedetails; das Hochhaus wurde in Schottenbauweise mit durchgehenden Zwischenwänden erbaut. Es wurde weitgehend mit Beton-Fertigteilen gearbeitet.

Der Stadtteil Freiberg wurde 1999 in das Bundes-Programm „Soziale Stadt“ für „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf“ aufgenommen. Im Zuge der Verbesserungsmaßnahmen erhielt der ursprünglich graue vierteilige Block des Julius-Brecht-Hochhauses nicht nur neugestaltete Hauszugänge, neue Fenster und eine bessere Wärmedämmung, sondern auch das heutige Farbkonzept (2002/03) mit Blau-Grün- und Gelb-Tönen. Eine weitere Maßnahme im Rahmen des Projektes war die Sanierung und Erweiterung des Kaufparkes für die Nahversorgung; 2005 wurde auch das Bürgerhaus renoviert.

Im Stadtteil gibt es etliche Schulen (Herbert-Hoover-Grundschule, Bertha-von-Suttner-Realschule, Eschbach-Gymnasium, eine Grundschule und die Helene-fernau-Horn-Schule für sprachbehinderte Kinder).

Bilder oben: zum Teil ist das Erdgeschoss bei den Scheiben-Hochhäusern ein Luftgeschoss und das Gebäude steht auf Pilotis, wie man das von den „Wohnmaschinen“ Le Corbusiers kennt.

Bilder oben: die Wohnblocks in Freiberg sind in großem Abstand zueinander angeordnet mit dazwischenliegenden öffentlichen Grünflächen mit umfangreichem Baumbestand.

Terrassenwohnanlage Tapachstraße in Stuttgart-Zuffenhausen

Zwischen 1969 und 1971 bauten Peter Faller und Hermann Schörder (Schröder+Faller) in Stuttgart-Zuffenhausen speziell für Bedienstete des Bundes eine etwa 100 Wohneinheiten umfassende Wohnanlage im Stil der von ihnen verfolgten „Wohnhügelhaus“-Idee, die sie in Stuttgart-Neugereut flächendeckend umsetzen wollten, was dort aber auf Vorbehalte stieß und in nur geringem Umfang zur Ausführung kam.

Die Terrassen-Wohnanlage Tapachstraße; Blick auf die Terrassen an der Südseite.

Im Buch „WohnOrte. 50 Wohnquartiere in Stuttgart von 1890 bis 2002“, Karl Krämer Verlag Stuttgart, 2002 schreibt der Autor des Beitrages zu diesem Projekt, Eberhard Wurst, das Folgende: „Als Reaktion auf die fehlende Qualität der Nachkriegszeilenbauten mit ihrem öffentlichen Abstandsgrün suchten die Architekten nach einer Wohnform mit größtmöglichem Angebot an privaten Freiflächen. Sie schlugen dabei den Bau von Siedlungen mit Ost-West-orientierten ‚Wohnhügeln‘ in der Ebene vor, die sich durch einen Schnittgedanken mit nach oben verjüngenden Geschossfolgen auszeichnen. Jede Wohnung wurde um einen nicht überdachten, großen privaten Freibereich angeordnet. (…)

In der Tapachstraße entstand ein ‚halber Wohnhügel‘, dessen fünf bis sieben Geschosse von unten nach oben um jeweils zwei Meter nach Norden zurückspringen. Alle 80 Terrassenwohnungen sind nach Süden orientiert und von Laubengängen aus erschlossen (…).

Gemeinsam mit dem Parkdeck auf der Erdgeschossebene erfolgt die Erschließung des Hauptbaukörpers über ein übergroßes, zur Straße offenes Fußgängerdeck im ersten Obergeschoss. Von hier aus sollte eine weitere, nicht realisierte Bebauung nördlich der Tapachstraße erschlossen werden. Die unmaßstäblich große und abweisende Nordseite des 180 Meter langen Gebäudes dokumentiert diesen halbfertigen baulichen Zustand bis zum heutigen Tag.“

Zum Schluss des Beitrages zieht der Autor folgendes Resümee: „In der Tapachstraße gelingt die gleichzeitige Trennung un Verknüpfung der privaten und öffentlichen Sphäre auf engstem Raum. Die Übergänge vom Eigenheim zur Geschosswohnung sind fließend angelegt. Die Synthese zwischen den Vorteilen des Wohnens im Einfamilienhaus und denen im Geschossbau funktioniert bis zum heutigen Tag.“

Bilder oben: die Erschließung der Wohnetagen erfolgt über Treppen-/Aufzugstürme, Fußgängerdecks und Laubengänge. Diese Rückseite des Gebäudes ist weniger ansprechend als die Terrassenseite; Architekt Peter Faller beschrieb sie als „Stadion-Rückfront“.

Bilder oben: viel freundlicher als die nördliche Erschließungsseite wirkt die Südseite des Gebäudes mit den Terrassen. Südlich davon schließen sich Gartenhofhäuser an.

Die Großwohnsiedlung Neugereut (Stadt-Bezirk Mühlhausen); erster Bauabschnitt: 1970-77

Neugereut gehört zu den „Trabantenstädten“, die in den 1960er und 1970er Jahren angelegt wurden; die noch bebaubaren Flächen im Stadtzentrum wurden knapp und die Bodenpreise im Umland waren niedriger. Neugereut war die letzte dieser so entstandenen Großwohnsiedlungen.

Ein Ideenwettbewerb, der 1963 ausgeschrieben worden war, kürte die Architekten Roland Frey, Hermann Schröder und Claus Schmidt als Sieger; ihre Planungen sahen den Bau von so genannten „Wohnhügelhäusern“ vor, bei denen jede Wohnung durch Terrassierung der Ebenen einen eigenen, besonnten, unbeschatteten Grünraum im Freien zur Verfügung hätte, bei gleichzeitig (so geforderter) hoher Wohndichte und Parkierungsmöglichkeiten für Autos im Erdgeschoss. Die potentiellen zukünftigen Bewohner/innen, die Fachleute und auch die Stadt äußerten in der Folge aber Bedenken gegen diese (ausschließliche) neue Wohnform – auch wegen der Unvereinbarkeit mit der geplanten hohen Quote an Sozialwohnungen. Es wurde also von der Stadt zusammen mit dem Architekturbüro Faller+Schröder (Peter Faller, Hermann Schröder) ein alternatives städtebauliches Konzept erarbeitet, welches den damaligen Leitlinien von „Urbanität durch Dichte“ und der „Autogerechten Stadt“ genügte.

Bild oben: Blick auf die Siedlung Neugereut vom Burgholzhof aus.

Gebaut wurde schließlich in Teilabschnitten zunächst zwischen 1970 und 1977; außer den Wohngebäuden unterschiedlichen Zuschnitts entstand nach und nach auch ein Stadtteilzentrum mit Nahversorgungseinrichtungen (Ladenzentrum), einer Bank, einer Poststelle, einem Stadtteilhaus, einem Ökumenischen Zentrum, einer Stadtteilbibliothek, Kindergärten und weiteren Bildungseinrichtungen (Grundschule, Jörg-Ratgeb-Gesamtschule).

Bilder oben: die „Skyline“ von Neugereut mit (v.l.n.r.) dem Zwillingshochhaus „Zwei Schwaben“, den Hochhäusern am Sturmvogelweg und dem Hochhaus „Rottenburg“ an der Pelikanstraße.

Der Stadtteil ist an den Öffentlichen Personennahverkehr angebunden, seit 2005 auch mit einer Stadtbahnlinie; leider endet die Linie U2 nicht im Zentrum des Stadtteils, sondern etwas peripher. In Neugereut leben zur Zeit etwa 8000 Menschen. Im Rahmen des Förderprogramms „Soziale Stadt Neugereut“ wurden seit 2009 viele Erneuerungen durchgeführt und Grünanlagen, Spielplätze und andere Gemeinschaftseinrichtungen verbessert und ausgebaut.

Die Erschließung der Gebäude erfolgt von einer Ringstraße aus durch Hauptwege, die zum Stadtteilzentrum führen; ansonsten ist der Stadtteil autofrei; die Stichstraßen münden in Sackgassen oder führen zu Garagen oder großen Parkplätzen.

Bilder oben: die Stadtbahnlinie U2 bindet Neugereut seit 2005 gut an den Öffentlichen Personennahverkehr an; die Endhaltestelle befindet sich vor der Hochhauszeile am Sturmvogelweg.

Bilder oben: Blick von einem Hochhaus in Neugereut auf die nähere Umgebung (die Zackendachhäuser) und ins Neckartal.

Bilder oben: die meisten Hochhausbauten erhielten bei Renovierungsmaßnahmen eine mehrfarbige Fassade; die Farbgebung bei aneinandergereihten Hochhausbauten lockert die Baumassen auf, wirkt identitätsstiftend für die Bewohner/innen und sorgt nach außen für ein freundliches Erscheinungsbild. Letzte Bilder: kennzeichnend für den Stadtteil: kleinteilige Höfe und Grünbereiche sowie Spielplätze und Sitzgelegenheiten zum Verweilen erhöhen die Aufenthaltsqualität.

Bilder oben: Wohnhochhäuser in Neugereut.

Gebaut wurden Wohngebäude unterschiedlicher Art und Bauhöhe, auch etliche Hochhäuser, die in zueinander versetzte Türme aufgebrochen sind und in neuerer Zeit durch ein sehr ansprechendes Farbkonzept viel gewonnen haben. Mit den „Zackendachhäusern“ und der von einer Eigentümergemeinschaft initiierten Wohnanlage des Terrassenhauses „Schnitz“ wurde die ursprüngliche Wohnhügelhaus-Idee aus dem anfänglichen Architekturwettbewerb schließlich doch noch in Teilen umgesetzt. Diese beiden Bauten stehen mittlerweile unter Denkmalschutz.

Das Baugebiet hat keinen zentralen aber undifferenzierten Grünbereich; stattdessen sind die vielen kleinräumigen Grünflächen und Höfe der jeweiligen Wohnbebauung, den Verbindungswegen sowie den Spielplätzen zugeordnet, was eine nachbarschaftliche Nutzung befördert.

Im Buch „größer höher dichter“ (Karin Hopfner u.a.; kraemerverlag Stuttgart+Zürich, 2012) sagt Peter Faller, der Architekt der Terrassenhäuser, in einem protokollierten Interview dazu das Folgende: „Bei der Gesamtplanung von Neugereut hatten wir die Literatur von Jane Jacobs („The Death and Life of great American Cities“; eigene Anm.) verinnerlicht. Wir wollten nicht mehr diese typischen großen, unübersichtlichen Grünräume, in denen die Schulen und Kindergärten eingebettet sind. Dort ist auch die Gefahr von Übergriffen auf Kinder groß.  (…) Wir wollten es ganz anders machen und haben die Wegführung links und rechts mit Häusern angebaut, damit eine gewisse Sicherheit entsteht, weil die Anwohner Kontrolle ausüben. Hier in Neugereut sind sie auch zu richtigen Spielstraßen geworden. Da ist im Sommer viel los. (…)“

Bilder oben: im Stadtteil gibt es von Häusern flankierte Spielstraßen, viel Grün, kleinräumige Höfe und viele gut gepflegte Spielplätze für Kinder.

Peter Faller, einer der Architekten der Siedlung (der auch dort wohnt) schrieb in einem Aufsatz „Modellstadt Neugereut, eine kritische Bilanz oder Idee und Wirklichkeit“ in 2011 das Folgende:

„Was aus Neugereut (…) geworden ist, war der Versuch, ein Stück der sozialräumlichen Qualitäten dörflicher und kleinstädtischer Straßenräume zurückzugewinnen, sie durch enge Verbindung mit dem Wohnen neu zu beleben und das Wohnen selbst mit einer hohen Qualität im Innen und Außen auszustatten. So gesehen war es der Versuch, die beiden Welten der Stadt und der Landschaft miteinander zu verbinden.“

Hochhäuser am Sturmvogelweg

Die Wohnhochhäuser am Sturmvogelweg wurden in den 1970er Jahren errichtet; die vier Hochhäuser sind 34, 53, 64 und 76 Meter hoch und alle miteinander verbunden. Bei einer umfassenden Sanierung in den Jahren 2011/12 wurden die Gebäude auch energetisch ertüchtigt; die Fassaden wurden mit farbigen Eternit-Platten (auf einer Wärmedämmschicht) neu gestaltet. Die Farbtöne sind fein abgestuft von Weiß über Beige zu Hellbraun.

Bilder oben: die Hochhäuser-Reihe am Sturmvogelweg.

Die „Zwei Schwaben“

Schon von weitem sicht- und aufgrund seiner besonderen Silhouette auch erkennbar ist das Doppelhochhaus „Zwei Schwaben“ von den Architekten Breuning und Betz. Auch die Architekten Jäger und Müller hatten beim Hochhaus Fasan I im Gebiet Fasanenhof ein Doppelhochhaus mit einer verbindenden Brücke gebaut. Das hat den Vorteil, dass der Weg über die Brücke zum Hochhaus-Zwilling und die dortigen Aufzüge und Treppen als zweiter Fluchtweg im Brandfall dienen kann, was die Aufwendungen für den Brandschutz im Einzelgebäude vermindert.

Bilder oben: das Hochhaus „Zwei Schwaben“ von oben gesehen (vom Haus Pelikanstraße 53).

Bilder oben: das Zweispänner-Hochhaus „die Zwei Schwaben“. Die beiden Türme sind in mittlerer Höhe durch eine Brücke miteinander verbunden.

Die „Rottenburg“

Der Hochhauskomplex (Architekt: Dieter Raichle) in der Pelikanstraße hat gewaltige Dimensionen; bei den Bewohnern/innen ist auch von „der Rottenburg“ die Rede (das Siedlungswerk der Diözese Rottenburg- Stuttgart war Bauträger). Ein freistehender Aufzugsturm erschließt über horizontale Brücken und Laubengänge die Wohnungen.

Bilder oben: Hochhauskomplex an der Pelikanstraße; die Erschließungsarchitektur (Treppen- und Aufzugtürme, Querverbindungen, Brücken, Laubengänge) sind farblich hervorgehoben. Ursprünglich war die diesbezügliche Farbgebung noch viel intensiver als im heutigen Zustand.

Terrassenhaus „Schnitz“

Bei der Planung und dem Bau dieses Terrassenhauses wurde das Ziel verfolgt, den Bewohnern/innen optimale Besonnung, viel Grünraum und eine flexible Gestaltung der Wohnungen zu ermöglichen. Architekten des 1973 bis 1974 gebauten und heutigen Kulturdenkmals „von besonderem architektonischen und soziologischen Interesse“ waren Peter Faller, Reinhold Layer, Knut Lohr und Claus Schmidt; das Projekt wurde aber gemeinschaftlich von der Eigentümergemeinschaft mitgeplant. Von den 67 Erstbewohnern/innen der Anlage waren schließlich 19 Architekten.

Eine Besonderheit des Gemeinschaftswohnprojektes „Schnitz“ ist der große Anteil an Gemeinschaftsflächen (20%!); in dem Gebäudeblock gab/gibt es für die Bewohner/innen eine gemeinsame Werkstatt, einen Fahrradraum, einen Gymnastikraum, ein Gästezimmer, eine Waschküche, ein Trockenraum sowie eine Sauna.

Bilder oben: Blick auf das Terrassenhaus (am linken mittleren Bildrand) von oben (vom Gebäude Pelikanstraße 53 aus) und Ansicht von der Straße aus. Die Fassade besteht komplett aus grauen Faserzementplatten.

Zackendachhäuser

Die drei- bis viergeschossigen „Zackendachhäuser“ bilden eine Reihenhausanlage in dre Abschnitten. Zitat aus „Zackendachhäuser“ (Schrift des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart): “ Die sog. Zackendachhäuser in Stuttgart-Neugereut sind als einseitig terrassierte Reihenhausanlage ein herausragendes Beispiel für verdichtetes Wohnen der 1960er und 1970er Jahre und als Kulturdenkmal erfasst.“

Geplant und gebaut wurde die Anlage von 1972 bis 1975 von Peter Faller und Hermann Schröder; mitgewirkt haben auch W. Gross, K. Lohrer, P. Rijpkema zbd W. Weisner.

Weiteres Zitat aus der Schrift der Denkmalschutzbehörde: „(…) Die Zackendachhäuser, ebenfalls durch das Büro Faller + Schröder entworfen und errichtet, stellen innerhalb der Siedlung eine herausragende architektonische Leistung dar, die sich von der umgebenden Mischung aus Hochhäusern und Wohnblöcken durch eine geringe Höhe, Wechsel in Farben und Materialitäten sowie eine komplexe Verschränkung der einzelnen Wohnkomplexe gestalterisch absetzt. Sie sind als drei- bis viergeschossige, nach Süden einseitig terrassierte Reihenhausanlagen entlang eines zentralen Fußgängerbereichs erbaut. In ihrer abgestuften Gebäudeform mit privaten Terrassen, Balkonen und Kleingärten für die einzelnen Mieteinheiten, verbanden sie das verdichtete Bauen mit dem Eigenheimsgedanken und einer damit verbundenen Privatheit für die Bewohner.“

Bilder oben: Blick vom Hochhaus Pelikanstraße 53 auf die Nachbarhochhäuser und die Zackendachhäuser.

Bilder oben: die „Zackendachhäuser“ in Neugereut: pionierhafte Terrassenhaus-Architektur mit hoher Wohnqualität. Die Gebäudezeile ist vollständig mit Faserzementplatten verkleidet; Farbtupfer setzen die Fensterrahmen.

Stadtteilbücherei

Die Stadtteilbibliothek Neugereut gibt es seit 1982; in der Schrift „40 Jahre Neugereut“ (Bürgerverein-Interessengemeinschaft Neugereut, 2011) kann man dazu das Folgende lesen: „Seit dem 18. Januar 1982 ist die Stadtteil und Schulbibliothek Neugereut eine zentrale Institution der Bildung, Ort des lebenslangen
Lernens, der Integration und ein kultureller Treffpunkt in Neugereut. Die Bibliothek lockt mit einem umfangreichen Bestand von ca. 33 000 Medien (…). “ Praktischerweise ist das Bibliotheksgebäude über eine Brücke mit der Jörg-Ratgeb-Schule direkt verbunden.

Bilder oben: in Neugereut gibt es eine Zweigstelle der Stadtbibliothek Stuttgart; das Gebäude ist über eine Brücke im Obergeschoss mit der benachbarten Jörg-Ratgeb-Schule verbunden.

Das Ökumenische Gemeindezentrum

Das Gebäude wurde 1980 fertiggestellt und beherbergt die katholische und die evangelische Kirche und gemeinsame Gemeinderäume.

Bilder oben: das Ökumenische Zentrum Neugereut.

Nahversorgung, Schulen und Bürgerhaus

Das jetzige Bürgerhaus ist durch Modernisierung und Erweiterung des vorherigen Kinder-und Jugendhauses entstanden; 2011 begannen die Planungen, 2017 wurde das neue Gebäude als „Haus für alle“ fertiggestellt. Parallel dazu wurde die „Neue Mitte“ Neugereuts mit Marktplatz und Fußgängerzone neu gestaltet. 

Bilder oben: das neue Bürgerhaus Neugereut.

Bilder oben: Ladenzeile im Zentrum des Stadtteils.

Bilder oben: die Jörg-Ratgeb-Schule wurde ursprünglich als Gesamtschule eröffnet und ist jetzt ein Schulzentrum mit den verschiedenen Schularten.

Großwohnsiedlungen in Botnang: Im Laihle und Spitalwald

In den Jahren 1968-72 entstand auf einem über 10 Hektar großen Gelände im Stadtteil Botnang die Siedlung „Im Laihle“ mit fast 800 Wohneinheiten. Die städtebauliche Planung oblag dem Stuttgarter Stadtplanungsamt unter Leitung von Gustav F. Heyer. Die Gebäudeplanung übernahmen die Architekturbüros Kerler-Amesöder-Braun-Zimmer-Hummel (Fellbach) und E. L. Zimmer (Stuttgart). Acht verschiedene Wohnbauunternehmen waren an der baulichen Umsetzung der Planungen beteiligt. Errichtet wurden unterschiedliche Gebäudetypen: Wohnblöcke, freistehende Hochhäuser mit bis zu 15 Stockwerken, eine Terrassenhausanlage sowie Infrastrukturgebäude (Ladenzentrum, Arztpraxen, Apotheke und eine Kirche mit Gemeindezentrum).

Bilder oben: Hochhaus an der Regerstraße.

Bilder oben: Wohnblocks und Hochhäuser an der Millöckerstraße.

Bilder oben: das mächtige Terrassenhaus an der Offenbachstraße stellt mit seiner Höhenabstufung einen Übergang zur Bestandsbebauung von Botnang dar.

Bilder oben: Treppenanlage am Terrassenhaus Offenbachstraße und Hochhaus an der Regelstraße.

Die Botnanger Wohnsiedlung Spitalwald entstand in den Jahren 1970-75 auf einer ebenfalls etwa 10 Hektar großen Fläche. Die Planung übernahm eine Architektengemeinschaft: Döcker+Brenner (Richard Döcker und J. Brenner, Stuttgart) und (wie beim Wohnquartier Im Laihle) das  Büro Kerler-Amesöder-Braun (Fellbach). Auch hier entstanden Wohnblocks mit unterschiedlichen Höhen, sowie freistehende Hochhäuser mit bis zu 18 Stockwerken, z. T. mit gestuften Terrassen.

Bilder oben: Wohnblock im Bereich Furtwänglerstraße und Paul-Lincke-Straße.

Bilder oben: Wohnblocks an der Furtwänglerstraße; bei Sanierungsmaßnahmen wurden die Fassaden farblich neu gestaltet und die Erschließungsbaukörper hervorgehoben.

Bilder oben: Hochhausblock an der Paul-Lincke-Straße mit Terrassierungen.

Bilder oben: Wohnhochhäuser mit Terassierungen; die beiden Gebäude stehen über Eck und bilden vom Grundriss her ein „L“.

Bilder oben: das Terrassenhochhaus von der Furtwänglerstraße aus gesehen.

Bilder oben: Hochhäuser und Wohnblocks im Bereich Botnang Spitalwald.

Nach oben